Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz: "Der Sanierungsstau beträgt fast 100 Milliarden Euro"
Der Bahn-Chef spricht über seine Karriere und die Probleme auf der Schiene
Die Infrastruktur marode, die Züge unpünktlich, das Personal gefrustet – die Deutsche Bahn kämpft aktuell mit vielen Problemen. Im OMR Podcast spricht Bahn-Chef Richard Lutz über die Ursachen, Bauprojekte, die für Verbesserungen sorgen sollen, seine eigene Karriere im Konzern – und die Frage, was ihm die Zeit als erfolgreicher Schachspieler dabei gebracht hat.
Richard Lutz führt ein Unternehmen, dessen Produkt täglich von Millionen Menschen genutzt wird. Er führt einen Konzern mit 45 Milliarden Euro Umsatz und fast 300.000 Mitarbeitenden, dessen Namen fast jeder Deutsche kennt. Doch wenn er andere Top-Manager trifft, etwa CEOs von Dax-Konzernen, dann höre er auch schon mal Mitleid und Sätze wie "Deinen Job würde ich nicht haben wollen", sagt Richard Lutz.
Denn da ist ja eben auch noch die andere Seite der Geschichte: Die Deutsche Bahn, deren CEO Richard Lutz seit 2017 ist, ist ein Sanierungsfall. Nur 64 Prozent der Fernzüge waren im vergangenen Jahr pünktlich – wobei Schnellzüge wie der ICE in der Definition der Bahn bereits als pünktlich gelten, wenn die Verspätung nur knapp 15 Minuten beträgt. Der Verlust des Konzerns lag bei rund einer Milliarde Euro, die Schulden bei rund 30 Milliarden Euro. Und weil das so ist, will oder muss die Bahn nun eine von nur zwei profitablen Sparten verkaufen (die andere Sparte ist Energie): Für den Logistiker Schenker bieten Investoren wie CVC aktuell angeblich rund 14 Milliarden Euro. Das Mitleid der Manager-Kollegen – es kommt für Richard Lutz vermutlich nicht überraschend.
100 Milliarden Euro Sanierungsstau
Dennoch sagt Richard Lutz im OMR Podcast, dass ihm der Job weiterhin Spaß macht. Überhaupt: Die Bahn und Lutz, das ist bislang eine Beziehung auf Lebenszeit. Der 60-Jährige stammt aus einer Bahner-Familie. Seine Mutter war Sekretärin bei der Bahn, sein Vater arbeitete in einem Ausbesserungswerk, sein Onkel war Lokführer – und eigentlich hatte Richard Lutz beschlossen, nicht in deren Fußstapfen zu treten. Er studierte Betriebswirtschaft, promovierte – und landete dann doch bei der Bahn. 1994 war das, die Bundesbahn war gerade mit der ostdeutschen Reichsbahn zusammengelegt und privatisiert worden. Richard Lutz steigt im Finanzbereich ein, schon mit 39 Jahren leitet er das Konzerncontrolling.
Der Mann der Zahlen weiß, was schief läuft bei der Bahn. Ändern konnte er es bislang als CEO noch nicht. Im Gegenteil. Werte wie Verspätungen wurden zuletzt noch schlechter. Ein Hauptgrund ist die marode Infrastruktur, die zu lange vernachlässigt wurde. "Wir haben einen Sanierungsstau, der fast 100 Milliarden Euro beträgt", sagt Richard Lutz. Die Erneuerung der Infrastruktur sei die große Herausforderung der kommenden Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. Immerhin: Zuletzt gab es frisches Geld vom Bund, mit Projekten wie der Generalsanierung der Riedbahn soll das Netz stabiler werden.
Spiele für die Schach-Nationalmannschaft
Natürlich guckt der Chef daher auch, was andere Länder besser machen: Österreich oder die Schweiz seien Länder in Europa mit wirklich guten Eisenbahn-Systemen, sagt er. Weltweit schaut er im Güterbereich auch in die USA. Auch Japan findet er interessant. Generell, sagt Richard Lutz, gebe es einen guten Kompetenzaustausch. Zumindest regional ist man inzwischen allerdings mitunter auch Wettbewerber, speziell im Nahverkehr haben ausländische Bahn-Unternehmen wie National Express zuletzt Marktanteile in Deutschland gewonnen.
Die Lage ist verzwickt für Richard Lutz. Er muss das Unternehmen einerseits sanieren und wirtschaftlich zurück in die schwarzen Zahlen führen. Andererseits muss er massiv in die Zukunft investieren, unter anderem in die Streckennetze – die dann aber auch von Konkurrenten wie eben National Express oder auch dem Startup Flix Mobility (Flixbus/Flixtrain) genutzt werden. Immerhin: Als passionierter Schach-Spieler ist er gewohnt, mit komplexen Situationen umzugehen. Als Jugendlicher spielte der Bahn-Chef sogar mal für die deutsche Nationalmannschaft. Man lerne, sich sehr gut zu konzentrieren und auch mit Rückschlägen während einer Partie umzugehen, sagt Richard Lutz: "Das heißt, wenn du mal schlecht stehst, musst du dich halt verteidigen."
Im OMR Podcast spricht der Bahnchef außerdem über sein Verhältnis zum langjährigen Lokführer-Gewerkschafter Claus Weselsky, die verschiedenen Bundesverkehrsminister und die Frage, ob sich die Bahn nicht eigentlich auch im Luxuszug-Bereich aktiv werden müsste wie andere Anbieter mit dem Orient Express.
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