Dank Kim Kardashian und Tiktok: "Blokecore" macht Retro-Trikots zum Modetrend und Marketinghebel

Influencer*innen und Modemarken lassen Retro-Fußballjerseys zum begehrten Fashion-Trend werden, der dank Tiktok & Co. viral geht

Blokecore-Trend: Alte Fußballtrikots werden immer mehr zum begehrten Fashion-Item.
Alte Fußballtrikots werden immer mehr zum begehrten Fashion-Item. Foto: Unsplash
Inhalt
  1. Von der Arbeiterklasse zum Modetrend
  2. „Mamma Mia, Kim“
  3. Gucci, Louis Vuitton & co. springen auf Blokecore-Zug auf
  4. Die „most fashionable clubs“ kommen aus Athen und Venedig
  5. Enge Verbindung zum Hip Hop
  6. Crystal Palace holt ersten Creative Director der Premier League
  7. Retro-Fashion als Merchandising-Boost?

Fußballfans haben schon immer ein Faible für Retrotrikots. Nun aber erreicht die Jersey-Leidenschaft offenbar die breite Masse und wird via Social Media zum weltweiten Vintage-Mode-Phänomen namens Blokecore. OMR hat sich den Trend genauer angeschaut.

Für viele Fußballfans ist das Trikot ihres Lieblingsclubs ein Heiligtum. Besonders das erste Trikot bleibt lange in Erinnerung. Für Romantiker*innen, und davon gibt es im Fußball viele, gilt eine einfache Formel: „Je älter das Trikot, desto wertvoller.“ Und zugegeben, es gibt auch echt ein paar grandiose Stücke Stoff. Dazu zählen die Trikos von AC Milan mit dem Opel-Blitz auf der Brust, der alte Manchester-United-Fetzen mit Logo von Sharp und der von Lotto Faber gesponserte Regenbogen-Klassiker des VfL Bochum aus der Saison 1997/98. Vom deutschen Weltmeisterdress aus dem Jahr 1990 oder den Torwarttrikots des ehemaligen mexikanischen Nationalkeepers Jorge Campos wollen wir gar nicht erst anfangen. 

Von der Arbeiterklasse zum Modetrend

Ähnlich wie die Casual-Bewegung, eine Rebellion gegen die biedere Mode älterer Generationen, kommt auch Blokecore aus Großbritannien. Männliche Arbeiter, die umgangssprachlich als „Blokes“ bezeichnet wurden, bringen Mitte der 90er Jahre ihren Kleidungsstil vom Sportplatz auf die Straße und begründen ganz unbewusst einen Fashion-Trend, der eine selbstbewusste „Couldn’t Care Less“-Attitüde ausstrahlt, wie Cosmopolitan schreibt. Das Wort „Bloke“ steht für einen kernigen Typen, wie zum Beispiel Oasis-Sänger Liam Gallagher einer ist. Er gilt als Aushängeschild der Blokecore-Bewegung. Gallagher tritt bei Konzerten immer wieder im Jersey seines Lieblingsvereins Manchester City auf und ist noch bis heute ein glühender Anhänger des Top-Clubs aus der englischen Premier League. 

Was bei Hardcore-Fußballfans schon immer Usus war, scheint sich jetzt auch über die Grenzen der Community hinaus zu verbreiten: Seit einigen Jahren posieren plötzlich Prominente und Fashion-Influencer*innen öffentlich mit Retro-Fußballtrikots. Sie tragen die Jerseys – oversized versteht sich – meist sogar ohne eine Bindung zu dem jeweiligen Club zu haben. Idealerweise dann noch kombiniert mit dem berühmten Samba-Schuhmodell von Adidas, einer Vokuhila-Frisur und einer ballonartig geschnittenen Trainingsjacke.

Blokecore ist ein „fußballorientierter Modetrend, der Vintage-Nostalgie mit Fankultur vereint“, beschreibt „GQ“ die aufkommende Euphorie für alte Trikots. Für die „Glamour“ ist Blokecore sogar der vielleicht „dominanteste und inklusivste Modetrend 2023“. 

„Mamma Mia, Kim“

Endgültig im Mainstream angekommen ist der Blokecore-Trend wohl mit US-Star Kim Kardashian. Anfang 2023 zeigt sie sich in einem Retro-Trikot des traditionsreichen italienischen Clubs AS Rom. Rund um die „Roma“ löst das einen riesigen Hype aus. Die Google-Suchanfragen schießen in der Woche danach im Verglich zum durchschnittlichen Suchvolumen um fast 2.900 Prozent nach oben. Der Club selbst postet das viral gehende Bild von Kardashian auf seinen Social-Media-Accounts und schreibt dazu: „Mamma Mia, Kim“ Bei X (früher: Twitter) wird der entsprechende Beitrag über eine Million Mal angezeigt, während der Post bei Instagram fast 350.000 Likes bekommt.

Das Beispiel Kim Kardashian ist bei weitem kein Einzelfall. Unter dem Hashtag #Blokecore werden vor allem bei Tiktok unzählige Anleitungen für das passende Retro-Outfit mit Fußballtrikot verbreitet und somit auch Laien abgeholt. Gestartet hat den Trend der Tiktoker Brandon Huntley (Account wurde inzwischen deaktiviert, Anm. d. Red.), der den Hashtag eher ironisch verwendet und 9,2 Millionen Views damit generiert. Huntley zeigt in dem Video schlicht, wie er seine Lieblingstrikots – unter anderem eins des deutschen Zweitligisten Karlsruher SC – zu seinen weiten Jeans trägt. Also praktisch ein “Outfit of the day” für Fußballfans. 

In Summe kommen Videos zum Hashtag #Blokecore bei Tiktok mittlerweile auf über 400 Millionen Views. Bei Google ist die weltweite Suche nach dem Begriff Blokecore in den vergangenen eineinhalb Jahren in die Höhe geschossen. So viel Traffic schreit geradezu nach Business. Das haben unter anderem zwei Parteien erkannt: Luxus-Modemarken und vereinzelt auch die Fußballclubs selbst.

Gucci, Louis Vuitton & co. springen auf Blokecore-Zug auf

Juni 2023: Auf einer der wohl reichweitenstärksten Mode-Events aller Zeiten gibt Pharrell Williams in Paris sein Debüt für Louis Vuitton. So weit, so gut. Wäre da nicht dieses eine besondere Detail: Eines der Highlight-Pieces war das erste Fußballtrikot der Luxusmarke überhaupt. Auch andere Luxuslabels wie Gucci und Balenciaga haben bereits fußballartige Trikots entworfen. 

„Vor zehn Jahren wäre das noch undenkbar gewesen – doch jetzt ist Blokecore Popkultur und Trikots sind eines der aktuell heißesten Fashion-Items“, sagt Benedikt Nießen, Director Creative Concept and Strategy von der globalen Sportmarketingagentur Sportfive.

Die „most fashionable clubs“ kommen aus Athen und Venedig

Vereinzelt nehmen sich auch Fußballclubs dem Trend an. Zwei europäische Vereine gehen dabei mit Abstand am konsequentesten vor. Die Fußball-Zweitligisten Athens Kallithea FC aus Griechenland und Venezia FC aus Italien führen den Trend gemeinsam mit ihrem Partner Kappa in die Neuzeit und avancieren damit laut „Highsnobiety“ zu den „most fashionable clubs“. Das Besondere: Sie entwerfen nicht einfach nur die nächste Merchandising-Kollektion für ihre Fans, sondern die Profis streifen sich die Retro-Trikots auch bei den offiziellen Punktspielen der Clubs über. 

Trikotsponsoren – ob vintage oder neu – profitieren laut Nießen vom Blokecore-Trend. „Brandfit, Nostalgie-Potenzial, gesellschaftliches Statement oder stilsichere Design-Einbindung emotionalisieren einen Sponsor auf einem Trikot schnell zu einer Lovebrand“, sagt er. Und das zum Teil auch noch Jahre und sogar Jahrzehnte nach Beendigung der aktiven Partnerschaften. Der Blokecore-Trend sorge zudem für neue Zielgruppen und Reichweiten. „Die Trikots sind nicht mehr nur in der ARD-,Sportschau‘, bei Sky und DAZN permanent zu sehen, sondern sie tauchen auch auf Paparazzi-Bildern in Brunch-Lokalen auf und gehören zudem auf Festivals und in Musikvideos zum Dresscode“, sagt Sportfive-Manager Nießen.

Enge Verbindung zum Hip Hop

Speziell im Hip Hop scheint es eine Verbindung zum Blokecore-Fashion-Trend zu geben. Fußballstars wie Kylian Mbappé werden in Frankreich wie Gleichgesinnte der Rapper angesehen. „Underdogs, die es aus Frankreichs Problem-Vororten heraus und in den Reichtum geschafft haben. Mit dem Mikro in der Hand. Oder dem Ball am Fuß“, schreibt die „Sportschau“ treffend über die „Erzählung vom Außenseiter, für den in der Mehrheits-Gesellschaft eigentlich kein Platz vorgesehen war“.

Zu sehen ist dieses Phänomen unter anderem auch beim Berliner Rapper Capital Bra. In einem seiner Songs heißt es etwa, er "bunkere lila Scheine in der Jacke von Paris". In seinen Videos trägt „Capi“ dann auch gern mal die entsprechenden Trainingsjacken von PSG oder dem AC Mailand. Und seine Fans tun es ihm gleich.

Crystal Palace holt ersten Creative Director der Premier League

Dennoch verhalten sich richtig große Topclubs bisher noch vergleichsweise zurückhaltend und setzen allenfalls auf Limited Editions von speziellen Trikotkollektionen. So zum Beispiel der italienische Rekordmeister Juventus Turin, der dafür im Juli eine Partnerschaft mit der Berliner Modemarke 032c eingegangen ist. Real Madrid hat sich derweil bereits einige Trikots vom japanischen Star-Designer Yohji Yamamoto entwerfen lassen.

Andere Vereine scheinen aber immerhin mehr Potenzial im Bereich Fashion zu erkennen. Anfang August präsentiert zum Beispiel der Liverpool FC den neuesten Drop seines “LFC Label Fashion”. Ligakonkurrent Crystal Palace ist sogar noch einen Schritt weiter. Mit Kenny Annan-Jonathan haben sich die Süd-Londoner den ersten Creative Director überhaupt innerhalb der Premier League an Bord geholt. Er soll noch in diesem Herbst eine clubeigene Kollektion auf den Markt bringen und Kollaborationen mit Fashion Labels anstreben. Derweil hat hierzulande der FC Bayern München jüngst eine Kollektion gemeinsam mit Achraf Ait Bouzalim gedropped, Gründer der jungen Modemarke 6PM.

Retro-Fashion als Merchandising-Boost?

Es ist wohl eher nicht davon auszugehen, dass Profis aus der Bundesliga oder anderen internationalen Top-Ligen künftig in oversized Retro-Trikots auf dem Platz stehen werden. Hier geht der Trend eindeutig zum schnittigen Slim Fit. Aber im Bereich Merchandising könnte über entsprechende Fashion-Linien noch einiges an Potenzial schlummern.

Zumal der sehr vom sportlichen Erfolg abhängige Verkauf von Fan-Artikeln bei den meisten deutschen Clubs seit Jahren eher schleppend läuft. Durchschnittlich nehmen die 18 Bundesligisten nur rund fünf Prozent ihres Gesamtumsatzes über Merchandising ein. Krösus ist dabei wie so oft der Rekordmeister Bayern München, der zuletzt 93,6 Millionen Euro mit dem Verkauf von Fanutensilien umsetzt. Weit dahinter folgt Borussia Dortmund mit 33,4 Millionen Euro – und dann kommt erstmal lange nichts.

Co-Autor: Pascal Gayk

FashionSportbusinessFußballModeTikTok
Henning Eberhardt
Autor*In
Henning Eberhardt

Henning ist bei OMR seit Anfang 2023 für Sport- und Gaming-Inhalte zuständig. Von 2010 bis 2019 pendelte er für den Sportbusiness-Verlag SPONSORs als Redakteur zwischen Fußballstadion und Formel-1-Rennstrecke. Anschließend wechselte der waschechte Insulaner zum Marketing-Medium absatzwirtschaft in die Handelsblatt-Gruppe.

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