"Fortuna für alle": Fußball-Business neu gedacht mit 1,5 Milliarden Kontaktpunkten
Durch das innovative Marketing-Konzept "Fortuna für alle" bekommt der Düsseldorfer Fußballclub Millionen von Hewlett Packard Enterprise und der Targobank – und on top einen gigantischen PR-Effekt
- Freitickets für die Fans und Millionen für die Fortuna
- Targobank erreicht fast 220 Millionen Menschen
- Von BBC bis New York Times: "Fortuna für alle" geht um die Welt
- No-Show-Rate bei unter 15 Prozent
- "Fortuna für alle" bringt über 700.000 neue Datensätze
- Vodafone beißt an
- Spannungsfeld zwischen Fan-Kritik und Partizipation
Fortuna Düsseldorf hat mit dem Konzept "Fortuna für alle" in der Saison 2023/24 einen neuen, bisher beispiellosen Weg in der Fußballvermarktung eingeschlagen. Teil davon sind gleich mehrere Heimspiele, die die Fans des traditionsreichen Fußball-Zweitligisten kostenfrei besuchen können. Doch "Fortuna für alle" ist weit mehr als nur ein paar Freispiele. Es geht den Verantwortlichen um Partizipation, Daten und zielgerichtete Investitionen unter anderem in den Nachwuchs und in die digitale Infrastruktur des Vereins. Das Konzept ist innovativ und polarisierend zugleich. Vor allem aber bringt es den Düsseldorfern Sponsoring-Millionen ein, die sie über klassische Wege nicht erreicht hätten. OMR zieht mit den beteiligten Partnern ein exklusives Zwischenfazit.
Freitickets für die Fans und Millionen für die Fortuna
Für all Diejenigen, die nicht so sehr im Fußball-Business zu Hause sind, vorweg als Warm-up noch einmal in aller Kürze die wichtigsten Eckpunkte von "Fortuna für alle" (Details und ein umfassendes FAQ gibt es auf der konzepteigenen Website):
- "Fortuna für alle" ist ein Konzept für Ticketing, Stadionnutzung und größere Fan-Nähe, mit dem Fortuna Düsseldorf langfristig erstklassigen Fußball in der Rheinstadt ermöglichen will. Das oberste Ziel der Verantwortlichen ist es, den Fußballclub wieder stärker in der Metropole zu verankern und die Düsseldorfer hinter dem Verein zu versammeln. Das aufmerksamkeitsstärkste Element des Ansatzes sind kostenfreie Heimspiele für alle Fans, bei denen die Tickets jeweils per Losverfahren vergeben werden. In der Premierensaison von "Fortuna für alle" waren es drei Freispiele, in der laufenden Spielzeit sind es vier. Perspektivisch ist nicht ausgeschlossen, dass Anhänger*innen alle 17 Liga-Heimspiele der Düsseldorfer kostenfrei besuchen können.
- Auch unabhängig vom gescheiterten Investorenprozess der Deutschen Fußball Liga in diesem Jahr sind die Fortuna-Manager um ihren Vorstandsvorsitzenden Alexander Jobst davon überzeugt, dass das Wachstum von herkömmlichen Geschäftszweigen wie Ticketing, Hospitality, Sponsoring und Medien im Profifußball endlich ist. "Fortuna für alle" ist dementsprechend auch als eine Antwort auf das finanzielle Rattenrennen im Fußball-Business zu verstehen. Das Konzept soll dabei den Weg zu neuem Wachstum ebnen, ohne externes Investoren-Geld aufzunehmen. Anders als bei den meisten Erst- und Zweitligisten setzen die Düsseldorfer auch künftig auf die Rechtsform eingetragener Verein, sprich: Sie gliedern ihren Profispielbetrieb nicht in eine eigenständige Gesellschaft wie eine GmbH oder AG aus. Stattdessen finanzieren große Partner aus der Wirtschaft wie Hewlett Packard Enterprise und die Targobank mit millionenschweren Investments das Konzept "Fortuna für alle" und profitieren im Umkehrschluss von Leistungen, die weit über das klassische Sponsoring hinausgehen.
- Die auf neuartige Weise erzielten Sponsoring-Einnahmen werden nach klaren Leitplanken verwendet. Neben Investitionen in den Profikader sollen 20 Prozent in den Nachwuchsbereich und den Frauenfußball gehen. Auch die digitale Infrastruktur und die Arena sollen mit 20 Prozent profitieren. Mit zehn Prozent der neu eingeworbenen Mittel will der Verein den Düsseldorfer Breitensport fördern und sich bei Nachhaltigkeitsprojekten beispielsweise von der Initiative Common Goal engagieren.
Für die ersten drei Freispiele hat die Fortuna rund 340.000 Ticketanfragen erhalten. Das übersteigt die Anzahl der verfügbaren Sitze in der heimischen (und zu Zweitliga-Zeiten eigentlich für die Fortuna viel zu großen) Merkur Spiel-Arena, deren Kapazität bei 54.600 liegt, um ein Vielfaches. So weit, so beachtlich. Doch jeder im Business kennt auf der anderen Seite den landläufigen Ausspruch: "Was nichts kostet, ist nichts wert." Können die Düsseldorfer diese Annahme mit ihrem disruptiven Konzept a) widerlegen und b) damit auch noch Geld unter anderem aus der werbetreibenden Industrie einnehmen?
Targobank erreicht fast 220 Millionen Menschen
In Bezug auf die Targobank lautet die Antwort auf letztere Frage unweigerlich: ja. Das neue ganzheitliche Vermarktungskonzept wurde überhaupt erst zum Hebel, sich als Sponsoringpartner bei der Fortuna zu engagieren. Das Finanzinstitut belegt mit seinem Logo im Rahmen des von 2023 bis 2028 geschlossenen Fünfjahresvertrags die Trikotbrust der Profimannschaft, also die prominenteste aller Werbeflächen, und zahlt dafür jährlich rund zwei Millionen Euro in der 2. Bundesliga. Im Falle eines Aufstiegs in die Bundesliga sollen sogar über vier Millionen Euro fließen. Das allein ist schon bemerkenswert, hatte sich die Targobank doch nach dem Aus als Haupt- und Trikotsponsor bei Werder Bremen im Jahr 2012 in den vergangenen Jahren hauptsächlich auf ihr im selben Jahr gestartetes Engagement als Partner des DFB-Pokals fokussiert – und von Sponsorings mit einzelnen Clubs Abstand genommen.
"Fortuna für alle" ist der Hauptgrund, warum die Targobank bereit ist, jährlich Millionen in die Partnerschaft mit dem Club zu stecken. Denn das Unternehmen möchte als sozial verbindendes Element wahrgenommen werden und nicht nur als zahlender Sponsor der Profimannschaft. Als Pionier von Beginn an dabei zu sein, hat der Targobank auch auf anderen Ebenen geholfen. Denn zusätzlich zur Wirksamkeit der Werbefläche auf der Trikotbrust hat die Marke durch den partnerschaftlichen Aufschlag bei "Fortuna für alle" erhebliche Reichweiten-Effekte erzielen können, wie ihre Verantwortlichen mit einigen ausgewählten Kennzahlen exklusiv gegenüber OMR darstellen.
Allein mithilfe des "Fortuna für alle"-Contents des Clubs mit Nennung der Targobank erreicht das Unternehmen in der gesamten Saison 2023/24 auf Social Media demnach 218,96 Millionen Menschen. Im selben Zeitraum werden zum Thema "Fortuna für alle" inklusive Earned Media in Summe 7.700 Posts abgesetzt und 9,4 Millionen Interaktionen generiert. Das erste Freispiel erzielt dabei einen besonderen Effekt: Allein vom 13. September 2023 (Bewerbungsstart für die Tickets) bis 30. Oktober 2023 (Nachberichterstattung) erreicht die Targobank nach eigenen Angaben knapp 50 Millionen Personen. Wie das Unternehmen weiter mitteilt, sei "Fortuna für alle" zudem ein Treiber dafür gewesen, dass sich die Anzahl der Follower*innen auf Instagram vom Start der Saison 2023/24 bis heute auf nunmehr rund 11.700 mehr als verdoppelt habe. Nicht unwichtig, denn absolut betrachtet haben auf Instagram Wettbewerber wie die Deutsche Bank (74.500 Follower*innen), Tomorrow Bank (53.200), ING (39.000), die Sparkasse (34.000), die DKB (31.300) oder die Commerzbank (27.000) die Nase vorn.
In Sachen PR hat die Targobank darüber hinaus durch "Fortuna für alle" mehr als 590 Treffer in Pressemedien und damit eine Reichweite von 396 Millionen generiert. Der Anzeigenäquivalenzwert (AVE) – also der Wert der Reichweite, die etwa eine PR-Kampagne oder organische Social-Media-Posts erreichen, ohne eine klassische Mediabuchung zu schalten – liegt laut der Targobank bei 6,42 Millionen Euro.
Auf die Frage, ob "Fortuna für alle" die bisher beste Marketing-Maßnahme war, die die Targobank je getätigt habe, lässt sich Christophe Jéhan angesichts solcher Zahlen gegenüber OMR dennoch nicht zu einer konkreten Aussage hinreißen. Aber immerhin: Das Konzept beschere seinem Unternehmen "sicherlich eine große mediale Wirksamkeit – die durchweg positiv und teils auch euphorisch ausfällt", sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende. Euphorische Reaktionen auf eine Marketingaktion im tendenziell kommerzkritischen Fußballumfeld? Dieser Aspekt sollte nicht unterschätzt werden. Mehr noch: Für Sponsoren und Partner von Bundesligisten ist das fast schon eine Art Ritterschlag.
Von BBC bis New York Times: "Fortuna für alle" geht um die Welt
Für den Düsseldorfer Club ist "Fortuna für alle" derweil zweifelsohne die beste Marketing-Maßnahme aller Zeiten. Auch der Zweitligist teilt gegenüber OMR exklusive Kennzahlen. Die Fortuna erfährt beispielsweise nicht nur eine bundesweite, sondern sogar weltweite Berichterstattung (unter anderem New York Times, BBC, The Guardian) und erzielt dadurch allein in den ersten drei Tagen nach Launch eine Reichweite von 1,5 Milliarden Kontaktpunkten in redaktionellen Medien.
Für Fortuna Düsseldorf sind das einerseits besondere Sphären. Gleichzeitig wissen die Verantwortlichen auch, dass sie sich davon nicht direkt etwas kaufen können. "Berichterstattung ist das eine. Und natürlich liest man nicht alle Tage über Fortuna in der New York Times oder im Guardian. Viel entscheidender sind aber zwei Dinge: Der Weg wird von den Fans größtenteils angenommen und sie bringen sich ein, zum Beispiel bei der Gestaltung des Ticketing-Prozesses. Und zweitens: 'Fortuna für alle' ist ein Wachstums-Case. Das zeigen 35 Prozent Umsatzwachstum trotz Verbleib in der zweiten Liga sehr deutlich", sagt Vorstandschef Jobst gegenüber OMR.
Eine Fanumfrage zum Abschluss der Pilotsaison 2023/24 zeige, dass 70 Prozent aller Teilnehmer*innen positiv oder sehr positiv auf das Projekt blicken. Jeder zweite Fan gebe zudem an, dass sich die Identifikation mit dem Verein durch "Fortuna für alle" verbessert habe (52 Prozent). Die Markenattribute mit den größten Zuwächsen spiegeln überdies die aus Sicht der Fortuna entscheidenden Aspekte der neuen Strategie wider: Der Club wird demnach vermehrt als kreativ (+22 Prozent), nachhaltig handelnd (+12 Prozent), authentisch (+14 Prozent), bodenständig (+13 Prozent) und fortschrittlich (+18 Prozent) wahrgenommen.
No-Show-Rate bei unter 15 Prozent
"Fortuna für alle" hat es also in die internationalen Schlagzeilen geschafft und kommt zudem in Düsseldorf und Umgebung gut an. Doch stimmen auch die harten Business-Zahlen? Offensichtlich schon: Beispielsweise profitieren dem Vernehmen nach andere Geschäftsbereiche von den wegfallenden Ticketpreisen, die dem Club in Summe in der Regel acht bis zehn Millionen Euro pro Spielzeit bescheren. In der Saison 2023/24 verzeichnen die Rheinländer etwa ein Zuschauerwachstum von zwölf Prozent, selbst wenn man die drei Freispiele herausrechnet. Die Erlöse aus den Ticketverkäufen sind trotzdem um 28 Prozent gestiegen, sprich: Die Düsseldorfer haben mit ihren 14 Heimspielen in der Saison 2023/24 mehr Einnahmen erzielt, als mit den 17 bezahlten Heimpartien in der Spielzeit davor.
Zu den insgesamt 17 Liga-Heimspielen der Fortuna kamen in der Saison 2023/24 im Schnitt 39.706 Zuschauer in die Merkur Spiel-Arena – neuer Rekord. Der bisherige Bestwert in den in Summe 24 Zweitliga-Jahren datiert auf die Spielzeit 2011/12, damals waren es 32.588 Fans. Der Zuschauerschnitt bei den bis dato acht Heimspielen der laufenden Saison 2024/25 liegt sogar bei 42.693.
Kritiker*innen von "Fortuna für alle" hatten im Vorfeld befürchtet, dass für einen Teil der Gewinner*innen der kostenlosen Tickets die Hürde zu gering wäre, einfach kurzfristig doch nicht zum Spiel zu gehen – mit dem negativen Effekt, dass die Plätze im Stadion dann freibleiben würden. Doch die No-Show-Rate bei den ersten drei Freispielen zeigt, dass diese Sorge unbegründet zu sein scheint: Sie lag nach OMR-Informationen bei jeweils unter 15 Prozent und war damit sogar unter dem Durchschnitt von normalen Partien.
Womit wir wieder beim Sprichwort "Was nichts kostet, ist nichts wert" wären. "Darüber haben wir sehr lang diskutiert. 'Fortuna für alle' hat uns gelehrt: Der wahre Wert des Tickets ist das Stadionerlebnis vor vollem Haus", sagt Fortuna-Chef Jobst dazu im kicker. Positiver Nebeneffekt: Über 70 Prozent, die über "Fortuna für alle" erstmals Stadionluft geschnuppert haben, gaben in anschließenden Umfragen an, dass sie künftig sogar bereit wären, Geld für einen weiteren Stadionbesuch in die Hand zu nehmen. Anzumerken ist aber auch, dass die wachsenden Zuschauerzahlen auch durch den seit vielen Monaten anhaltenden sportlichen Erfolg ebenfalls nach oben getrieben werden.
"Fortuna für alle" bringt über 700.000 neue Datensätze
Abseits des Ticketings haben auch die Bereiche Merchandising und Sponsoring im Premierenjahr von "Fortuna für alle" laut Jobst jeweils um rund 45 Prozent zugelegt. Die Euphorie rund um den Verein drückt sich ebenfalls in einem neuen Mitgliederrekord von über 35.000 aus, den der Düsseldorfer Club im November 2024 kommuniziert. Vor dem Startschuss von "Fortuna für alle" hatte die Anzahl der Mitglieder noch bei 28.000 gelegen.
Zu guter Letzt befeuert "Fortuna für alle" bei allen analogen Inhalten des Projekts auch die Digitalstrategie, die die Fortuna gemeinsam mit Hewlett Packard Enterprise umsetzt. Allein auf der "Fortuna für alle"-Plattform seien über 700.000 neue Datensätze entstanden, "die wir dazu nutzen werden, das Stadionerlebnis zu verbessern", wie es Alexander Jobst im kicker formuliert. Die Daten bleiben bei diesem sensiblen Thema – Stichwort: kommerzkritisches Fußballumfeld – laut dem Clubchef aber "immer in unserer Hand". "Das war und ist immer unsere rote Linie", sagt Jobst.
Vodafone beißt an
Bei aller Euphorie gehört unterm Strich auch zur Wahrheit, dass seit Launch zusätzlich zu den initialen Projektpartnern Hewlett Packard Enterprise und Targobank rund eineinhalb Jahre lang nur einige wenige weitere Unternehmen entweder das "Fortuna für alle"-Konzept gekauft oder explizit aus diesem Grund als Sponsoren angebissen haben. Neu als Partner der Fortuna an Bord ist beispielsweise das Lebensmittelunternehmen Yayla, während der Handelskonzern Metro sein Engagement ausbaute und bis 2028 verlängerte. Ganz frisch mit dabei ist seit Ende Januar derweil Vodafone. Das Düsseldorfer Telekommunikationsunternehmen hat mit dem Club eine umfassende Partnerschaft bis 2028 geschlossen. "Diese Partnerschaft ist von und für Düsseldorf und steht für 'echte Verbindungen' zwischen den Menschen – so wie 'Fortuna für alle'", sagt Marcel de Groot, CEO von Vodafone Deutschland.
Mit dem Versicherer Provinzial hatte sich dagegen ein bereits sicher geglaubter Partner noch vor dem Saisonstart 2023/24 angeblich wegen ungeklärter Datenlage wieder zurückgezogen.
Spannungsfeld zwischen Fan-Kritik und Partizipation
Ebenfalls gibt es durchaus auch kritische Töne aus der Düsseldorfer Fanszene, die dem vom Club kommunizierten positiven Umfrage-Feedback entgegenstehen. Eingefleischte Anhänger*innen monieren beispielsweise eine schlechtere Stimmung, die dadurch zustande käme, dass viele Fans über "Fortuna für alle" nur als temporäre Eventfans ins Stadion kämen.
Die Verantwortlichen nehmen diese Kritik an und ordnen sie entsprechend ein. "Fortuna für alle" setze "auf moderne und digitale Formen der Partizipation. Wir wollen zuhören und gemeinsam gestalten. Der Verein gehört allen, die sich einbringen", heißt es beispielsweise auf der Projekt-Website. Der Club begebe sich mit den Fans "auf eine gemeinsame Reise, auf der sich einige Dinge noch verändern können".
"Wir sind wir froh, dass der erhoffte Wachstumseffekt in vielen Bereichen in der ersten Saison eingetreten ist. So konnten wir unsere Basis stärken", sagt abschließend Fortuna-Chef Jobst zu OMR. Darauf werde der Club nun aufbauen. Und sich das nehmen, "was man im Profifußball eigentlich nicht hat": "Zeit."