ClayClaim: Warum dieser Knet-Youtuber aus Remscheid über drei Millionen Follower hat
Simon Haase, alias ClayClaim, knetet auf Youtube bekannte Figuren aus Filmen und Games – und baut jetzt ein Filmstudio
- Kunstwerke aus Spezial-Knete
- „Nerd“-Content kommt am besten an
- Früher One-Man-Show, heute Teamleistung
- Auf dem Weg zum Filmstudio
Wir haben schon Reichweitenerfolge für die verrücktesten Youtube-Kanäle gesehen. Aber dass ein Knet-Künstler aus Remscheid auf der Plattform über drei Millionen Abos und 417 Millionen Views generiert, überrascht auch uns. Simon Haase begeistert seine Community jeden Freitag mit einem neuen Knetvideo – und baut aus seinem Reichweitenerfolg jetzt ein Unternehmen. Wir haben mit ihm über Knet-Trends, den eigenen Shop und sein geplantes Filmstudio gesprochen.
Simon Haase führt 2016 seine eigene Agentur, baut vor allem Webseiten. Irgendetwas scheint aber zu fehlen. „Ich saß am Bildschirm und habe mich gefragt: Was mach ich hier eigentlich? Und dann habe ich überlegt, was mich als Kind glücklich gemacht hat“, erzählt er gegenüber OMR. Haase erinnert sich an seine Leidenschaft für das Kneten von Figuren und fängt wieder damit an. „Ich habe meiner Familie Figuren zu Weihnachten geknetet und daraus zwölf Videos gemacht“, sagt er. Die Figuren schenkt er der Familie. Die Videos landen auf Youtube. So startet die Geschichte seines Kanals „ClayClaim“.
In der Anfangsphase schauen nur wenige Leute dabei zu, wie er Asterix, Loriot, Pumuckl oder Mickey Mouse knetet. „Es gab diesen einen Moment, der mir gezeigt hat, dass es mit dem Kneten klappen kann. Weil mich mein Kind wachgehalten hat, habe ich in einer Nacht ein Pokémon geknetet. Daraus wurde mein erstes Video mit über 100.000 Views“, erklärt Haase. Und so startet sein Weg zu heute drei Millionen Abonnent:innen auf Youtube.
Kunstwerke aus Spezial-Knete
Wer sich die Ergebnisse von Simon Haases Knet-Abenteuern anschaut, bemerkt schnell, dass wir hier nicht von klassischer Kinderknete sprechen. Er setzt Polymer-Knetmasse ein, die aus einer PVC-Basis besteht und dank Weichmachern elastisch ist. Mit Knete hat das Material also vor allem die Konsistenz gemeinsam. In Deutschland ist Stadtler mit dem Produktnamen „Fimo“ der bekannteste Hersteller von Polymer-Knete. Daher kennen hierzulande viele das Material einfach als Fimo. Das Besondere: Nach dem Kneten wird die Figur im Ofen gebacken und bleibt so auf lange Zeit in ihrer Form.
In seinen Videos zeigt Simon Haase den Prozess bis zur fertigen Figur. Dabei kommentiert er auf Englisch und meist ziemlich amüsant, was er da gerade macht. Neben einer Erklärung der Schritte im Tutorial-Stil bringt er auch immer wieder eine persönliche Note rein. Beispiel: Als er zuletzt die Comic- und Filmfigur Venom knetet, kommen ihm die Glibber-Arme des Aliens immer näher – auch die sind natürlich aus Knete. Seine Videos sind meist zwischen zehn und 20 Minuten lang. Das eigentliche Kneten und Backen dauert deutlich länger: „Ich knete zum Teil vier Tage an einer Figur“, sagt er. Inhaltlich konzentriert sich Haase auf Charaktere und Welten aus Filmen und vor allem Computerspielen. „Leidenschaft, Talent, Bedarf in der Welt. Wenn diese drei Dinge in einem Video aufeinandertreffen, funktioniert es auch. Bei mir kam durch Pokémon Go der Bedarf dazu“, erzählt er. Das Mobile-Game geht 2016 so richtig durch die Decke und Haase nutzt die Aufmerksamkeit, indem er bekannte Pokémon knetet.
„Nerd“-Content kommt am besten an
Als er mit Youtube startet, ist das Augmented-Reality-Spiel gerade heiß. Später stehen Figuren aus dem Smartphone-Game Clash Royale, dem Pandemie-Trend Among Us und dem Hype-Spiel schlechthin Fortnite im Fokus. Auch hier baut er Figuren und auch Spielwelten aus den Games nach. „Ich versuche die Balance zu halten zwischen Trends und Dingen, die ich selbst machen will“, sagt Simon Haase. „Man darf vor lauter Trends seine Leidenschaft nicht vergessen.“ Trotzdem haben ihm die jeweiligen Hype-Themen beim Wachstum des Kanals geholfen. „Der Algorithmus mag es, wenn man mal drei oder mehr Videos zum gleichen Thema hat“, so der Knet-Youtuber. „Wir kommen aus einem Fortnite-Zeitalter, was immer gut funktioniert hat. Mittlerweile sind die Themen wieder diverser geworden.“
Die meisten ClayClaim-Videos sammeln innerhalb weniger Tage mehrere hunderttausend Views. Und dann feiert Simon Haase regelmäßig richtige Ausreißer. Sein erfolgreichstes Video, in dem er eine Spielwelt von Among Us nachbaut, kommt auf mittlerweile 18 Millionen Views. „Viele Zuschauer sind Gamer, die Freude haben, ihre Lieblingsgames anders zu sehen“, erklärt er. Solche Millionen-Erfolge schlagen sich dann auch auf die Subscriber-Zahlen nieder. Im Oktober 2020, als das 18-Millionen-Video rauskommt, gewinnt ClayClaim über 220.000 neue Abonnent:innen. Davor und danach sind es pro Monat zwischen 10.000 und 60.000. Es ist übrigens kein Zufall, dass Haase in seinen Videos Englisch spricht: „Es war strategisch, den Kanal von Anfang an auf Englisch zu machen. Wenn es floppt, hätte ich wenigstens mein Englisch verbessert. Und wenn es klappt, habe ich eine größere Reichweite.“
Zwei weitere Reichweiten-Strategien scheinen darüber hinaus zu helfen: Ein neues ClayClaim-Video landet pünktlich jeden Freitag auf der Plattform. Damit haben die Fans einen festen Einschalttermin. Zweiter Kniff: Unter jedem seiner reichweitenstarken alten Videos postet Haase den Link zu seinem aktuellsten Video in die Beschreibung – er passt das also wöchentlich für über 300 Posts an. Plattformen über Youtube hinaus spielen laut Haase keine wahnsinnig große Rolle für ClayClaim. Auf Facebook verzeichnet der Kanal immerhin über 160.000 Fans, auf Instagram sind es knapp 60.000 und auf Twitter 6.300.
Früher One-Man-Show, heute Teamleistung
Während die Reichweite in den vergangenen Jahren wächst, wird auch die Produktion immer professioneller. „Ich habe alleine angefangen und das sieht man den Videos auch an. Heute arbeiten für das ClayClaim Studio und die ClayClaim Store GmbH ein Team von neun Leuten“, so der Knet-Youtuber. Und die müssen bezahlt werden. Haase spricht von derzeit drei finanziellen Standbeinen: Einnahmen über Youtube-Ads, Markendeals und einen eigenen Online-Shop. „Irgendwann kam die Nachfrage, wo man die Knetmasse bekommt. Heute verkaufen wir zu 90 Prozent in die USA, weil es dort kein Fimo von Staedtler gibt“, sagt er. „Zuletzt gab es auch Lieferprobleme für Modellierwerkzeuge. Wir haben dann eigene hier in Remscheid produzieren lassen und verkaufen die jetzt im eigenen Online-Shop.“ Neben einzelner Knete von Staedtler, den eigenen Werkzeugen und Merch verkauft Haase Bastel-Sets seiner in Videos gekneteten Charaktere. Die Fans bekommen dann die passend farbige Knete, die richtigen Werkzeuge und eine Anleitung, um die Figuren nachzukneten. Die Preise variieren zwischen 16 und 40 Euro.
Beim Wachstum des Unternehmens habe auch die Corona-Krise geholfen: „Die ersten Monate 2020 haben die Views explodieren lassen. Gleichzeitig war die Nachfrage nach Knete riesig. Wir konnten zum Teil wegen Lieferschwierigkeiten gar nicht verschicken.“ Der wichtigste Verdienstkanal seien jedoch Deals mit Brands, für die Simon Haase dann gesondert Figuren oder Welten bastelt. Große Gaming-Publisher wie Riot Games bewerben über seinen Kanal neue Spiele. Ab und an erstelle er auch exklusive Content-Reihen, die seine Partner dann auf eigenen Kanälen verwenden. Alle drei Standbeine zusammen machen für ClayClaim heute sechsstellige Jahresumsätze möglich.
Auf dem Weg zum Filmstudio
Simon Haase wolle aber nicht reich werden. Er arbeitet an seiner neuen Vision: einem Filmstudio. „Jeder Euro, den wir verdienen, stecken wir wieder in das Produkt, das Studio, den Stop-Motion-Film.“ Sein Team arbeite bereits am ersten Filmprojekt „Mole Monastery“. „Der Film wird nicht im Kino landen. Der wird interaktiv und die Community kann entscheiden, wie die Storyline laufen soll: Das können wir super auf Youtube umsetzen – da sind wir schließlich groß geworden“, erklärt Simon Haase. Er selbst setze da voll auf die Leistung seines Teams und werde parallel weiter seinen Youtube-Kanal pflegen: „Ich werde die Freitagsvideos machen, bis ich tot umkippe.“
Um das Filmprojekt richtig zum Fliegen zu bekommen, startet ClayClaim jetzt ein viertes Umsatz-Standbein. Auf der Abo-Plattform Patreon soll die Community noch näher an das Team rücken. „Bei Youtube ist das mit meinem Gesicht bekannt geworden und steht und fällt damit. Aber wir entwickeln uns zu einem Studio und produzieren einen Film. Deshalb soll auf Patreon das ganze Team Kontakt mit der Community haben“, sagt Haase. Bei Patreon können Fans fünf, zehn oder 20 Euro für ein ClayClaim-Abo bezahlen. Dafür bekommen sie unterschiedliche Leistungen – von exklusivem ClayClaim-Content und Mitgliedschaft im Discord-Channel des Teams bis hin zu Rabatten im Online-Shop oder Geschenken vom Team. Auf Patreon hält Simon Haase jetzt die Community über die Fortschritte des Films auf dem Laufenden – denn schon bald soll große Premiere sein.