Check24-Gründer verrät Trikot-Geheimnis: So läuft die größte Marketing-Aktion der Fußball-EM
Mit 1,5 Millionen Trikots hatte das Vergleichsportal gerechnet, nun werden insgesamt fünf Millionen verschickt.
- Streaming-Vergleich und Tippspiel
- 1,5 Millionen Trikots geordert, fünf Millionen verteilt
- Die App als Anker
- Guerilla-Marketing statt Bandenwerbung
- Puma sticht Ex-CEO Björn Gulden aus
Das Vergleichsportal Check24 hat fünf Millionen Deutschland-Trikots zur Europameisterschaft verschenkt und flutet damit die Fanmeilen. Eine Werbeaktion, die laut Schätzungen rund 100 Millionen Euro gekostet haben dürfte. Für Check24-Gründer Henrich Blase ist es der Einstieg in den Fußballmarkt – und der Weg zu einer jüngeren Zielgruppe. Doch bei der Aktion profitiert nicht nur das Vergleichsportal.
Ein Top-Model, ein Twitch-Streamer und ein Rapper – dass man mit dem Auswärtstrikot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nicht nur den klassischen Fußball-Fan in der Kurve adressiert, hat Ausrüster Adidas schon im März angedeutet. Damals wurden die Trikots vorgestellt, mit denen die Mannschaft bei der Heim-EM auflaufen sollte. Erstmals in der rund 70-jährigen Zusammenarbeit hatte sich Adidas dabei für die Farbe Pink entschieden und bei der Werbung auch auf die Kooperation mit Promis wie Model und Influencerin Lena Gercke, Streamer Elias Nehrlich und Rapper Rin gesetzt. Der Plan ging auf. Kein Auswärtstrikot der DFB-Elf hat sich so gut verkauft.
Es hätte das deutsche Fashion-Piece der EM sein können – doch dann kam Check24. Denn auf den Fanmeilen und in der Straßenbahn dominiert genau wie bei Tiktok ein anderes Trikot, das offiziell nicht mal ein solches ist: Millionenfach hat das Vergleichsportal Check24 Deutschland-Trikots verschenkt – und damit den bislang größten Marketing-Coup der Europameisterschaft gelandet. Marke und Trikot sind derzeit Gesprächsthema; zahlreiche Memes kursieren rund um das Shirt; junge Frauen berichten in Videos, mit welchen Outfits sie das Shirt kombinieren. „Das hat mich sehr gefreut und ich musste lächeln“, sagt Check24-Gründer Henrich Blase im Gespräch über die Wirkung seiner Aktion. Auf einen Erfolg in den sozialen Medien habe man zwar gehofft, aber mit diesem Ausmaß hätte keiner gerechnet.
Der öffentlichkeitsscheue Firmenlenker hat mit Finance Forward erstmals über die Kampagne gesprochen, bei der es sich um die „größte Marketingaktion in der Geschichte von Check24“ handeln soll. Das will etwas heißen für ein Digitalunternehmen, das seit Jahren Abermillionen Euro in Fernsehwerbung pumpt und Fußball-Sendungen sponsert. Doch mit der Trikot-Aktion stößt Blase in neue Dimensionen vor: Ende der Woche wird Check24 rund fünf Millionen Shirts verschickt haben. Ein handfester Effekt: Die App des Vergleichsportals steht seit Wochen regelmäßig an der Spitze der Appstore-Charts.
Streaming-Vergleich und Tippspiel
Erdacht hat Blase die Aktion gemeinsam mit seinem Mitgründer Eckard Juls, die Entscheidung dafür sei schon im vergangenen Herbst gefallen. Beide haben das Unternehmen gegründet und aufgebaut, sie halten nach 25 Jahren immer noch alle Fäden in der Hand. Ihnen gehört auch bis heute ein Großteil der Anteile an der Firma, größere Investor*innen gibt es nicht. Dabei ist das Vergleichsportal, das einst im Versicherungsgeschäft startete, in den vergangenen Jahren stark gewachsen – und gehört im Reise- und Mobilfunk-Markt zu den großen Spielern. Öffentliche Geschäftszahlen gibt es so gut wie keine, doch klar ist: Die Firma zählt zu den mächtigsten Digitalanbietern hierzulande. Und sichtbar ist, wie sie sich in immer neue Branchen vorwagt.
Mit der Marketing-Aktion nehmen sich Blase und Juls nun den Fußballmarkt vor. Im Nachgang zu dem EM-Tippspiel, das mit der Trikot-Aktion verbunden ist, soll es künftig auch ein regelmäßiges Bundesliga-Tippspiel sowie einen Streaming-Vergleich auf dem Portal geben. „Da kann man beispielsweise sehen, wo man die ganzen Fußballspiele oder Highlights schauen kann“, so Blase. Es hat dafür eine eigene Gesellschaft gegründet, wie die Wirtschaftswoche bereits entdeckt hat.
1,5 Millionen Trikots geordert, fünf Millionen verteilt
In einem Jahr mit einer Europameisterschaft im eigenen Land, die noch dazu als „EM 24“ Ähnlichkeiten zur eigenen Marke aufweise, wollte Check24 stark auffallen. Die Aktion mit einem kostenlosen Trikot habe man ausgeheckt, um einen „Extra-Booster“ zu bekommen, so Blase. Ähnliche Aktionen habe es von anderen Unternehmen schon gegeben, „aber es war nicht die Qualität von einem Hersteller wie Puma“. Im Frühjahr habe das Unternehmen dann die Produktion in Werken in der Türkei und China angeschoben.
Die ursprünglichen Ziele seien indes deutlich konservativer gewesen. „Alles über eine Million wäre ein Erfolg gewesen, 1,5 Millionen hatten wir geordert“, so der Gründer. Seit Mai habe das Unternehmen dann wegen der hohen Nachfrage begonnen aufzustocken – bis auf fünf Millionen, die nun bis Ende dieser Woche ausgeliefert werden sollen. Ein Kraftakt für das ganze Team, zwischenzeitlich verschickte das Unternehmen 400.000 Trikots pro Tag. Inzwischen ist die Aktion gestoppt – und auf Ebay werden die Trikots bereits für Beträge zwischen 15 und 85 Euro angeboten.
Doch was ist die Idee dahinter? Der Gründer betont: „Wir haben in keiner Excel-Tabelle ausgerechnet, wie viel uns ein neuer Kunde kostet – es ist für uns ein langfristiges Investment in die Marke Check24.“ Trotzdem ist die Marketing-Aktion so aufgebaut, um möglichst viele Neukund*innen in den Kosmos des Vergleichsportals zu locken.
Die App als Anker
So muss man für das Trikot auch die App der Firma herunterladen. Auf die legt Vergleichsportal schon seit Jahren den Entwicklungsfokus. An jedem Spieltag gibt es unzählige Gewinner*innen in dem EM-Tippspiel, an die das Unternehmen vor allem Reisegutscheine ausgibt. Der Gesamtsieger bzw. die Gesamtsiegerin erhält einen Gutschein in Höhe von 240.000 Euro, der Wert aller Gutscheine soll bei 24 Millionen Euro liegen. Es ist ein Weg, die Kund*innen dazu zu bringen, Check24 das erste Mal zu verwenden.
Das Tippspiel soll außerdem dafür sorgen, dass die Trikotbesitzer*innen weiter regelmäßig die App aufrufen. „Es muss einen echten Nutzen geben, dann kommen die Leute auch“, sagt Blase. In der App kann zudem jede*r Nutzer*in die Spiele kommentieren – so will Check24 eine aktive Fußball-Community aufbauen.
Von den fünf Millionen Menschen, die sich für die App angemeldet haben, um das Trikot zu erhalten, wird am Ende wohl nur ein Bruchteil nach dem Turnier wiederkehren. Aber Check24 wird versuchen, möglichst viele davon im Kosmos zu halten – wie die Gutschein-Aktion zeigt. Verbraucherschützer*innen kritisieren bereits, dass man für das Trikot mit seinen Daten bezahlt. Doch dieser Deal dürfte vielen bewusst sein.
Guerilla-Marketing statt Bandenwerbung
Für Check24 ist die Trikot-Aktion unterdessen auch ein Weg, sich zu verjüngen – eigentlich ist der typische Nutzende eher älter als 30 Jahre. Das sei mit der Trikot-Aktion gelungen, sagt Blase. „Die werden jetzt nicht gleich eine Versicherung bei Check24 kaufen, aber vielleicht eine Reise buchen oder sich einen neuen Handyvertrag suchen.“
Ein Erfolg, den sich Check24 einiges hat kosten lassen. Wie viel genau, verrät Blase nicht. Aber man kann nachrechnen: Beim offiziellen DFB-Trikot von Adidas sollen sich die reinen Herstellungskosten laut Recherchen des SWR auf 11,30 Euro belaufen. Der Preis für die Puma-Trikots dürfte darunter liegen, allerdings kommen noch Versand- und Logistikkosten hinzu. Damit dürften die reinen Kosten bei grob 50 Millionen Euro liegen, dazu kommt ein enormes Marketingbudget drumherum. So tritt Ex-Nationalspieler Lukas Podolski etwa neuerdings in der Werbung des Vergleichsportals auf. Der Gesamtbetrag dürfte bei rund 100 Millionen Euro liegen, so die Schätzungen von Brancheninsidern.
Dass Check24 eher einen kreativen Weg gegangen ist und sich nicht einfach als Bandensponsor in den Fußballstadien eingekauft hat, ist zusätzlich von Vorteil: Auf diesem Wege erhält die Marke kostenlose Reichweite über die sozialen Medien, ist ebenfalls sichtbar und hat keine Streuverluste mit einem internationalen Publikum, das die Vergleichsplattform größtenteils gar nicht nutzen kann. Check24 ist vor allem in Deutschland stark.
Puma sticht Ex-CEO Björn Gulden aus
Mit dem Coup stellt Check24 gleichzeitig das Sportmarketing auf den Kopf. Denn bislang haben Sportartikel-Hersteller Millionen investiert, um Nationalteams ausrüsten zu dürfen. Allein die Partnerschaft mit dem DFB kostet Adidas angeblich rund 50 Millionen Euro pro Jahr – Nike will ab 2027 sogar das Doppelte bezahlen. Weder Check24 noch Puma sind hingegen DFB-Partner, aus diesem Grund sieht das Logo auch anders aus. Ein rechtliches Problem? Nein, sagt Henrich Blase. „Der Adler wurde per KI generiert und ist weit genug weg vom offiziellen DFB-Logo.“
Dass nun mit Puma ausgerechnet der Ex-Arbeitgeber von Adidas-CEO Björn Gulden dem Drei-Streifen-Konzern bei der letzten Europameisterschaft als DFB-Ausrüster die Show stiehlt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Bei der Europameisterschaft rüstet Puma eigentlich nur kleinere Nationen wie die Schweiz, Österreich, Serbien und Tschechien aus. Das Turnier ist zwar prestigeträchtig, aber angesichts der Kosten lohnen sich im Zweifel Kooperationen mit Vereinen (bei Puma zum Beispiel Champions-League-Finalist Borussia Dortmund) mehr. Ob sich der Ex-Chef schon gemeldet und zum Marketing-Stunt gratuliert hat, will man bei Puma nicht verraten. "Wir schweigen und genießen den Erfolg", sagt ein Sprecher auf Anfrage.
Wie viele Trikots Adidas zur EM verkaufen kann, ist nicht bekannt. Für 2014 aber gibt es einen Vergleichswert: Im Jahr des bislang letzten Weltmeistertitels lag der Absatz bei drei Millionen Trikots – bis dato ein Rekord. Doch die Marke haben Check24 und Puma nun mit Leichtigkeit übertroffen.
Dieser Text ist zuerst bei Finance Forward erscheinen, einem Schwesterportal von OMR, das über die neusten Entwicklungen in der Fintech- und Krypto-Welt berichtet. Wenn euch News beispielsweise zu Firmen wie Trade Republic, N26 oder Klarna interessieren, könnt ihr hier den Finance-Forward-Newsletter abonnieren.