Bumpli: Mit Nachtlichtern für Babytrinkflaschen zum Millionen-Umsatz
Wie Enis Ayari aus seinem Startup eine führende Kindermarke machen will
- Von der Filteranlage zum Nachtlicht
- 50.000 Euro für die erste Facebook-Ad
- Mit einer TV-Show zur Reichweite
- Von Only-Facebook zum Multichannel-Marketer
- Mit Investoren zur Kindermarke
Das E-Commerce-Business boomt. Bumpli-Gründer Enis Ayari hat in 14 Monaten mit Nachtlichter-Aufsätzen für Kindertrinkflaschen eine Million Euro Umsatz erzielt. Seine Vision: Eine große Kindermarke mit Klamotten, Brotdosen und Stramplern aufbauen. Warum er dafür erst lernen musste, Aufgaben abzugeben, was er von seinem Auftritt bei „Das Ding des Jahres“ gelernt hat und was eine Kieler Facebook-Gruppe mit dem Erfolg zu tun hat, das erfahrt ihr hier.
Mitten in der ProSieben-Show „Das Ding des Jahres“ wendet sich Enis auf einmal dem Publikum zu und bietet ihm einen 3-für-2-Rabatt an. Der Saal lacht, Joko Winterscheidt und Lena Gercke in der Jury lachen, allen ist klar: Enis ist der geborene Verkäufer. Der Kieler tritt im Februar dort an, um sein Produkt vorzustellen: Eine farbige Silikonhülle, darin ein LED-Licht, das sich über jede Trinkflasche ziehen lässt und sie dadurch zum Leuchten bringt. Letztlich geht es ihm nicht darum, ins Finale einzuziehen. Was er will, ist verkaufen. Und ein Rabatt-Code sei das effektivste Mittel dafür, sagt er gegenüber OMR. Enis probiert alles aus, schaltet Anzeigen bei Google und Facebook für 1.000 bis 2.000 Euro am Tag. Trotzdem sagt er: „Das kann dir kein Marketing-Guru erklären, aber ich habe gelernt: Gutscheine performen meistens am besten„.
Von der Filteranlage zum Nachtlicht
Enis nimmt Dinge am liebsten selbst in die Hand. Nach dem Ingenieurstudium lässt er sich zweimal festanstellen, scheitert aber beide Male innerhalb der ersten sechs Monate. Also gründet er sein erstes Startup, eine Wasserfilteranlage für Pharma-Unternehmen. Das Projekt stellt er nach zwei Jahren ein. Danach macht er sich mit einem Backwarenladen selbstständig. Der Clou: Er kauft von großen Bäckereibetrieben auf, was vom Vortag übrig geblieben ist und verkauft es günstig weiter. Plötzlich steht er wieder vor der FH Kiel, wo er Jahre zuvor studiert hatte, und verkauft Brötchen vom Vortag. Den Backwaren-Laden gibt er nach vier Jahren auf.
Im Januar 2019 kommt ihm dann seine nächste Idee: Seine Frau ist im sechsten Monat schwanger und Enis steht vor einem Problem, vor dem viele Eltern stehen: Er muss ständig nachts aufstehen und seinem Sohn die Trinkflasche reichen. Das grelle Zimmerlicht reißt den Kleinen aus dem Schlaf und Enis geht es genauso. Das bringt ihn auf seine Idee: Nachtleuchten aus Silikon, die auf jede Trinkflasche passen
50.000 Euro für die erste Facebook-Ad
Die Nachtlichter von Bumpli kommen mit eingebautem LED-Panel, sodass das Kind selbst das Licht anschalten kann, ohne auf Mama oder Papa angewiesen zu sein. „Ich wusste, das Ding hat Bedarf“ sagt Enis. Er ist Fan von Massenprodukten, schon immer hat er sich gewünscht, etwas zu erfinden, das jeder gebrauchen kann.
Bei Alibaba bestellt Enis einen ersten Prototypen. Silikonüberzieher für Flaschen gibt es dort bereits, LED-Panels auch. Er kauft die Einzelteile und tüftelt daran, bis er zufrieden ist. Dann nimmt er seine Ersparnisse, tauscht sein teures Auto gegen ein günstigeres, und bestellt von dem Geld die ersten 5.000 Nachtlichter. Im August 2019, da hat er das Produktsegment bereits um Kindertrinkflaschen erweitert, startet er seine Brand Bumpli. Schnell lässt er sich das Produkt patentieren. Das und die geringen Produktionskosten der chinesischen Hersteller verschaffen ihm einen Vorteil: Er kann von Anfang an mit einem Preis an den Markt, der eine hohe Marge beinhaltet. 24,99 Euro kosten die Nachtleuchten im Handel, nach OMR Schätzung dürfte die Marge bei rund 20 Euro liegen.
Die erste Anlaufstelle für Enis, um seine Marke zu bewerben, ist Kielbug, eine Facebook-Gruppe für Leute aus seiner Heimat Kiel, mit aktuell fast 75.000 Mitgliedern. Hier postet er sein Produkt. Am ersten Tag verkauft er acht Einheiten und liefert die ersten Nachtlichter noch selbst mit dem Auto aus. Insgesamt setzt er im ersten Monat 127 Produkte ab. Facebook ist bis heute sein wichtigster Marketing-Kanal, vor allem weil sich dort Ältere tummeln – also auch Eltern. In den ersten drei Monaten investiert er 50.000 Euro in eine Sponsored Ad, ein einfaches Video von seinem Sohn, wie er die Flasche nachts in der Hand hält.
Mit einer TV-Show zur Reichweite
Bis Ende 2019 liegen 90% seiner Marketing-Ausgaben weiter bei Facebook. Den Rest steckt er in Google Ads und Pinterest. Trotzdem gelingt es ihm nicht, die benötigte Reichweite für seine Nachtlichter aufzubauen. „Anfangs dachte ich: Ich habe Marketing studiert, ich kann das“ sagt Enis zu OMR. Die nüchterne Realität habe ihn aber schnell eingeholt. „Ich wollte ein- bis zweitausend Euro im Monat für Marketing ausgeben. Das gebe ich heute am Tag aus“.
Enis sucht weiter nach dem richtigen Reichweitenhebel und glaubt, ihn in einer Fernsehshow zu finden: Bei „Das Ding des Jahres“ stellen Erfinder ihr Produkt einer Jury vor, das Publikum entscheidet, wer am Ende rund 100.000 Euro kassiert. Was sich im Fernsehen aber auch ohne Preisgeld generieren lässt: Reichweite. Enis meldet sich an. „Als ich wusste, die Show wird ausgestrahlt, habe ich mir einen zusätzlichen Kredit von 100.000 Euro geholt und 30.000 Nachtlichter nachbestellt“ sagt er. Er wollte vorbereitet sein. Die Show wird im Februar 2020 ausgestrahlt, doch die Ergebnisse sind wieder ernüchternd: Zwar macht er an einem Tag knapp 50.000 Euro Umsatz und den Februar damit zum besten Monat bisher, doch statt den erhofften 30.000 Nachtlichtern verkauft er nur 1.464 Pakete in den 24 Stunden nach der Show. Nicht mal seine Lokalzeitung habe einen Artikel über ihn geschrieben, sagt er. „Rückblickend habe ich dadurch gelernt: Es kommt vor allem auf die richtige Reichweite an“.
Von Only-Facebook zum Multichannel-Marketer
Enis beschließt seine Strategie zu ändern. Statt One-Man-Show setzt er auf Arbeitsteilung. Er stellt fünf feste Mitarbeiter ein und drei Werkstudenten. Und er beginnt die Aufgaben, die auf der Strecke bleiben, zu outsourcen: Für Affiliate- und E-Mail-Marketing holt er sich Agenturen an Bord, für die Facebook-Kampagnen und das SEO-Targeting beschäftigt er Freelancer. Bevor er eine Aufgabe abgebe, wolle er sie immer zuerst selbst verstehen, sagt Enis zu OMR. Er sagt aber auch: „Ich habe sehr spät die richtigen Leute dazu geholt“.
Mit dem Sinneswandel wird Bumpli vom Facebook-Only-Business zum Multichannel-Marketer. Im Amazon-Listing ranken seine Produkte unter dem Suchbegriff „Kindertrinkflasche“ mittlerweile auf Platz zwei, seine Website mit eigenem Shopify-Shop zählt heute rund 100.000 Unique Visitors im Monat – die Conversion Rate betrage rund drei Prozent. Aktuell plane er, das Affiliate-Business weiter auszubauen, 10 bis 15 Prozent des Umsatzes sollen im nächsten Jahr allein damit generiert werden. Auch sei eine größere Kooperation mit einer Drogeriekette bereits geplant, genaueres verraten will er hierzu aber nicht. Insgesamt knackt Enis mit seinen Nachtlichtern in 2020 die Eine-Millionen-Umsatzmarke und verkauft rund 60.000 Produkte.
Jetzt, wo er „alles einmal durch hat“ und damit die Marketing-Channel meint, die er bespielt, will er sich vor allem auf den Bereich Content Creation konzentrieren. Erste Kooperationen mit Youtubern gab es schon, beispielsweise mit der Familiy-Vloggern Josie Wiba. Diese Koops sollen weiter ausgebaut werden. Außerdem stehe ein großes Blog-Projekt an, damit will er das organische SEO-Ranking nach vorne treiben. Einen Freelancer habe er dafür bereits. Instagram sehe er hingegen als nicht so relevant für seine Zielgruppe. „Die Youtuber sind authentischer. Die verstehen besser, welche Bedürfnisse ihre eigenen Communities haben“ sagt er.
Mit Investoren zur Kindermarke
Im März startet dann noch seine Seedmatch-Kampagne. 500.000 Euro will er auf der Crowd-Investing-Plattform einsammeln. Bereits mit 250 Euro können Investoren hier bei Bumpli einsteigen. Von Diesen erhofft er sich nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch Austausch und ein größeres Netzwerk. Das kann er brauchen, denn seine Pläne sind ambitioniert: „Wir finden, dass unser Produkt zur Erstausstattung jedes Kindes gehört“. Also: Schnuller, Body, Windeln und Bumplis. Auch wird er seine Produktrange bald erweitern: Brotdosen, Strampler und Kindergeschirr von Bumpli soll es bald geben.
Die Produkte sind Whitelabels, die er, wie die Einzelteile der Nachtleuchte über chinesische Hersteller bezieht und mit seiner Brand verziert. Auch hier setzt er nun also auf eingekauftes Wissen. „Ich wollte das Rad nicht neu erfinden und Geld in der Entwicklung verprassen. Leute haben ihr Handwerk bewiesen, also verlasse ich mich darauf“ sagt er. Mit den Nachtlichtern sollen die Kinder frühzeitig an die Marke gewöhnt werden. Wenn sie dafür zu alt werden, gibt’s die Brotdose oder andere Bumpli-Produkte. So will die Marke die Kinder bis ins frühe Erwachsenenalter begleiten. Seine Vision ist es, zu einer eigenen großen Kindermarke zu werden. Im nächsten Jahr strebe er eine Umsatzsteigerung von 100 Prozent an. Sollte sich das als schwierig erweisen, könnte er es ja demnächst bei „Die Höhle der Löwen“ versuchen.