Blackriver: Der Weltmarktführer für Fingerskateboards kommt aus Schwarzenbach an der Saale
Seit fast 25 Jahren verkauft Martin Ehrenberger professionelle Mini-Skateboards von Bayern in die ganze Welt
- Mini-Rampen aus der Schreinerei
- Fingerskateboards statt Designbetten
- Community-Building für Mini-Skateboards
- Die Blackriver-Manufaktur in Schwarzenbach an der Saale
- Marken bleiben zurückhaltend
- Kulturkampf zwischen groß und Miniatur
- Ein professionelles Hobby
- Blackrivers ewiger Hype Cycle
Es gibt knallbunte Fingerskateboards aus Plastik, die für wenige Euro an der Kasse aushängen und nach ein paar Fahrten auf einem Tisch in einer Spielzeugkiste landen. Und es gibt Blackriver. Seit 1999 fertigt das kleine Unternehmen in der eigenen Manufaktur hochwertige Fingerskateboards an. Bis zu 120 Euro können die Boards kosten, bei den dazugehörigen handgefertigten Rampen kann es schnell noch mehr werden. Gründer Martin Ehrenberger hat nicht nur eine globale Brand in einer Nische geschaffen, er kämpft auch bis heute dafür, diese Nische zu verlassen und zum großen Bruder, dem Skateboarden, aufzuschließen. OMR hat er verraten, wie dieser Kampf vorangeht.
Die ersten losen Gedanken, die vielen beim Stichwort „Skateboarden“ in den Sinn kommen dürften, drehen sich vermutlich um Namen wie Tony Hawk, um eigene Erfahrungen mit der Jugendkultur des Skatens, ob in Videospielen oder im echten Leben. Vielleicht hat man schon mal von den X-Games gehört, Begriffe wie Grinden oder Kickflip sind nicht komplett fremd. Und irgendwie verbindet man den Sport mit Kalifornien in den USA. Woran man aber mit aller Wahrscheinlichkeit nicht denkt, ist die Kleinstadt Schwarzenbach an der Saale in Nordbayern. Dabei gilt dieser Ort für viele weltweit als Skateboard-Mekka – zumindest, wenn es um Mini-Versionen von Skateboards geht: Fingerskateboards.
Auf die Karte gebracht hat den kleinen Ort Martin Ehrenberger. Im Alter von neun Jahren beginnt er mit dem Skaten, damals noch auf den schmaleren „Penny Boards“ aus Plastik. Rund 14 Jahre lang fährt er, ohne dass er von noch deutlich kleineren Boards, Fingerskateboards, hört. „Ende der 90er war ich dann in den USA und habe mir ein Tech Deck gekauft“, erinnert sich Ehrenberger im Gespräch mit OMR. Das US-Unternehmen X-Concepts hatte die Fingerboard-Brand „Tech Deck“ da gerade auf den Markt gebracht, um mit dem großen Hype rund um Skate-Legende Tony Hawk und den Start seiner Videospielreihe im Rücken auch den Spielwarenmarkt zu erschließen.
Mini-Rampen aus der Schreinerei
Etwa ein Jahr liegt das Fingerboard auf Martin Ehrenbergers Schreibtisch; hin und wieder spielt er kurz damit. „Dann hat sich ein Kollege eine Fingerboard-Miniramp gebaut und ist damit vorbeigekommen“, erzählt Ehrenberger. „Da hat sich dann der Trick Blunt angefühlt wie mit einem Skateboard.“ Er hat zu dem Zeitpunkt schon eine abgeschlossene Schreiner-Lehre. Weil es in der Nähe keine Skateparks gab, hatte er gemeinsam mit seinen Freunden schon vorher eigene Rampen gebaut. Das macht er jetzt erneut – nur eben in kleinerer Ausführung. „Da bin ich voll in einen Wahn gekommen. Und habe innerhalb von einer Woche 20 verschiedene Rampen gebaut und immer wieder verbessert“, sagt er.
Martin Ehrenberger ist damals Anfang 20, wohnt noch bei seinen Eltern. Und fährt in der Folge Nächte lang mit Freunden mit den Fingerboards. Er beschreibt das heute als eine intensive und emotionale Erfahrung. „Richtig emotional. Das war damals schon eine sehr ähnliche Intensität wie beim Skaten“, sagt er. „Das nimmt man als außenstehende Person natürlich nicht so wahr, weil es viel kleiner ist und nicht der gesamte Körper involviert ist. Aber mit Blick auf das, was im Kopf vorgeht, würde ich Fingerboarden und Skaten bis heute auf ein Level stellen.“
Fingerskateboards statt Designbetten
Die Voraussetzungen, um aus dem neuen Hobby mehr zu machen, können nicht besser sein. Martin Ehrenberger hatte sich nach seiner Ausbildung zum Schreiner bereits selbstständig gemacht – und baut und verkauft Designbetten als Einzelanfertigungen. „Ich hatte also schon eine kleine Werkstatt in der Garage. Als es dann diese Fingerboard-Sessions gab, habe ich gemerkt, dass es niemanden gibt, der Fingerboard-Rampen verkauft. Es gab zwar dieses Plastikzeug, aber halt nichts wirklich Geiles. Statt Betten habe ich dann eben Rampen gebaut“, sagt er gegenüber OMR.
1999 gründet er dann Blackriver. Mit den Mini-Ramps und den ersten Skateboards ist er anfangs vor allem auf Messen und Events wie Straßenfesten im DACH-Raum unterwegs. „Da hatten wir dann Anlagen mit und haben vor Ort Fingerboards verkauft und den Leuten das gezeigt. Das war die Zündung für das alles.“ Und noch ein Hebel ist laut Ehrenberger ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Blackriver: der Aufbau einer Community.
Community-Building für Mini-Skateboards
Bereits 2001, nur zwei Jahre nach der Gründung, veranstaltet er den ersten Contest. 2003 folgt die erste Deutschland-Tour inklusive einer Meisterschaft. „Wir haben in zehn Läden und Skate-Shops in Deutschland Fingerboard-Parks untergebracht. Dadurch hat sich eine Szene gebildet, die es so auf der ganzen Welt nicht gegeben hat“, erklärt er. In den USA beispielsweise sei 2012 das erste professionelle Fingerboard-Event an den Start gegangen.
Ehrenberger und Blackriver wenden beim Aufbau der Fingerskateboard-Community dieselben Regeln an, die auch beim Skateboarden bis heute gelten. „Wenn du eine Stadt ohne Skatepark oder Skatehalle hast, hast du keine Skateszene“, sagt der Gründer. „In dem Moment, wo du einen Skatepark oder eine Halle hast, bildet sich eine Skateszene. Dasselbe Prinzip habe ich damals mit den Fingerboard-Anlagen genutzt. Da haben sich dann wirklich Leute zum Fingerboarden getroffen haben und es sind sogar Crews entstanden.“
Die Blackriver-Manufaktur in Schwarzenbach an der Saale
Bis heute baut Martin Ehrenberger die Prototypen selber. Für die Rampen gebe es vier Fertigungen. „Das sind Diakoniewerkstätten und zwei Schreinereien in Tschechien, das ist 15 Minuten von hier entfernt“, erzählt er. „Seit 20 Jahren arbeiten die für uns mit, machen die Rohbauten und hier machen wir dann den Feinschliff, Sticker, Brandings. Das machen wir alles inhouse.“ In der Mini-Manufaktur werden die Fingerboards mit denselben Arbeitsschritten hergestellt wie Skateboards. „Wir haben zwei Schreiner und es sind drei Leute, die nur Boards bauen den ganzen Tag. Verleimen, Kanten schleifen, lackieren, Druck drauf machen, die Brandings einlasern.“ Aktuell stelle das Unternehmen etwa 100 Boards am Tag her.
Bis zu 150 Euro kann ein einzelnes Fingerskateboard von Blackriver kosten. „Wenn du das allerbeste kaufen möchtest mit den besten Komponenten. Darüber geht dann kaum“, so Ehrenberger. 30 Prozent des Umsatzes mache das Unternehmen mit Verkäufen in Skates-Shops, der Großteil laufe über den eigenen Online-Shop. Gerade bei den Skate-Shops sei das Wachstumspotenzial noch riesig. „In den USA gibt es etwa 4.000 Skate-Läden. Und wir beliefern rund 20. Deutschland hat etwa 120 Skate-Läden. Und wir beliefern etwa 20 bis 30 Prozent“, sagt der Gründer.
Marken bleiben zurückhaltend
Trotz der Pionier-Leistung in der Fingerboard-Szene und dem Aufbau einer echten Community fällt es Blackriver bis heute schwer, Brands von Sponsorings zu überzeugen. Bereits die erste Meisterschaft 2001 habe das Unternehmen komplett selber veranstaltet. Und das sei bis heute so. „Marken haben da irgendwie Angst“, erzählt Ehrenberger. „Carhartt zum Beispiel, eigentlich eng verknüpft mit der Skate-Szene, hat uns zwar mal Sachen geschickt aber auch klar gesagt: Sie wollen ihr Logo nicht in Verbindung mit Fingerboards irgendwo sehen.“
Ähnlich zurückhaltend zeigen sich auch Skate-Läden. „Wir haben Läden, die kennen uns seit 25 Jahren, die verkaufen keine Fingerboards. Das sei schlecht für das Image, Kinderspielzeug. Die haben Angst, dass sie ihr Skateboard-Image kaputt machen“, erklärt Martin Ehrenberger. Auch bei der Skateshop-Kette Titus sei das der Fall. „Ich kenne Titus Dittmann schon lange. Der findet das Thema eigentlich auch geil und spricht es auch immer mal in Franchise-Terminen an. Die Läden wollen das aber nicht“, stellt Ehrenberger fest. „Dabei haben wir Skate-Läden, die bestellen seit Jahren palettenweise und verkaufen gut.“
Kulturkampf zwischen groß und Miniatur
Für Martin Ehrenberger erschließt sich eine solche Ablehnung der Fingerskateboard-Szene nicht. Es sei schlicht Teil der Skateboard-Kultur. „Seit Ende der 70er. So wie Hiphop oder Punk.“ Der Vater von Skate-Legende Lance Mountain sei Modellbauer gewesen. Das habe den Skater dazu inspiriert, aus Matchbox-Autos in den 70er Jahren Fingerskateboards zu bauen – unter anderem auch für Steve Caballero, eine weitere Skate-Legende. Mountain gilt bis heute als früher Erfinder der Mini-Boards.
„Es wird nicht wahrgenommen. Wenn man die Emotionen nicht selber gespürt hat, wird es nicht verstanden“, erklärt Martin Ehrenberger. Ohne die intensive Erfahrung, die ihn vor fast 25 Jahren dazu gebracht hat, Fingerkateboards zu bauen, sei es schwer. „Und das, obwohl jeder Fingerboarder auch Skater ist. Wenn du Fingerboarder bist, dann bist du affin für alles rund ums Skaten. Ziehst Vans an, trägst Carhartt.“
Candy Jacobs, eine professionelle Skaterin, die lange von Blackriver gesponsert wurde und jetzt für Tony Hawks Team fährt, habe ähnliche Erfahrungen gemacht. „Sie fährt bei den X-Games, Olympia und den großen Contests. Und weiß, dass viele Skater Fingerboarden feiern. Die machen das aber häufig auch nur für sich und die Fans wissen im Zweifel gar nichts davon“, erklärt Ehrenberger.
Ein professionelles Hobby
Dass es Ehrenberger trotz der spürbaren Enttäuschung angesichts der teilweisen Ablehnung der Skateboard-Szene nicht um verpasste kommerzielle Chancen geht, machen Beispiele wie dieses deutlich. Aktuell liege eine Anfrage von der US-Kette Zumiez vor. „Die haben knapp 600 Läden in den USA. Klar wäre das geil, die als Kunden zu haben“, erzählt er. „Bei der Masse, die wir dann produzieren müssten, kann ich hier 20 Leute einstellen. Das Risiko ist mir an der Stelle einfach zu groß. Das ist nicht so das, was wir wollen.“ Auch Anfragen von Kaufland und Lidl habe es in der Vergangenheit schon gegeben.
Insgesamt sei die Fingerskateboard-Szene alles andere als kommerziell. Wirklich professionelle Skater*innen gebe es nur ganz wenige, für die meisten sei es ein Hobby. Einer der größten Content Creator aus dem Bereich, Mike Schneider, kommt auf seinem Youtube-Kanal immerhin auf über 116 Millionen Aufrufe bei 228.000 Abos. Die erfolgreichsten Videos sind alle schon ein paar Jahre her. Ähnlich sieht es auch bei Blackriver aus. „Wir sind eigentlich auf allen Kanälen aktiv“, sagt Ehrenberger. „Instagram müsste der stärkste sein, Youtube sind wir auch schon lange am Start. Da habe ich aber das Gefühl, dass sich qualitativ so richtig hochwertige Videos mit 2.000 Aufrufen am Ende nicht lohnen.“
Blackrivers ewiger Hype Cycle
Auch abseits von digitalen KPIs wie Aufrufzahlen von Youtube-Videos scheint das Geschäft von Blackriver nicht ganz gleichmäßig zu verlaufen. „Wir sind jetzt im 24. Jahr und haben natürlich Wellen“, sagt der Gründer. „Der erste Boom war 2003. Dann 2009, da waren wir plötzlich 30 Leute, haben eine Tour durch die USA gemacht. Da hatten wir dann so 2,5 Millionen Euro Umsatz zu der Zeit.“ Dann sei die Pandemie gekommen und habe zum besten Jahr der Unternehmensgeschichte geführt. Ein wenig liege der Erfolg von Blackriver auch am Erfolg von Tech Deck. Die bunten Fingerskateboards gehören inzwischen zum US-Konzern Spin Master, der im vergangenen Jahr rund zwei Milliarden US-Dollar Umsatz gemacht hat. „Die haben auf jeden Fall die Macht, einen Boom zu starten. Und den spüren wir dann jeweils auch“, so Ehrenberger.
Egal, an welcher Stelle des Hype Cycles sich Fingerskateboarden insgesamt und Blackriver im kommenden Jahr befinden werden: Das Unternehmen wird sein 25-jähriges Jubiläum feiern. Dann soll es wieder eine Weltmeisterschaft in Schwarzenbach an der Saale geben. Die letzte musste im vergangenen Jahr wegen Corona noch digital stattfinden und habe fast 20.000 Euro gekostet. „Das machen wir dann wieder live und vor Ort. Ohne Eintritt, mit Livestream, eigener Regie, wie bei einem Profi-Event eben“, sagt Martin Ehrenberger. Wenn sich die Blackriver-Story so fortsetzt, werden vermutlich erneut keine großen Brands als Sponsoren dabei sein. Für Gründer Ehrenberger, der sich auf Instagram zuletzt vor allem mit sogenannten „Foilboards“ zeigt, scheint das keine große Rolle zu spielen. „Ich habe einen Skatepark im Garten, eine Mini-Ramp im Garten, eine Mini-Ramp im Haus. Skaten ist schon der Mittelpunkt für mich.“