Stammgast Sven Schmidt: „Streaming-Startup von Axel Springer ist zum Scheitern verurteilt“
Unter dem Projektnamen S Nation soll ein neues Angebot für Sportarten wie Handball, Basketball und Eishockey starten
- Das Projekt firmiert bislang unter dem Namen „S Nation“
- Christian Seifert begibt sich in einen schwierigen Markt
- Partnerschaften statt Konkurrenz
- Viele Sportrechte kommen jetzt auf den Markt
- Wer zeigt künftig die Spiele der NFL?
- OMR Stammgast Sven Schmidt sieht die Pläne kritisch
- Die Themen des Sonderpodcasts mit Sven Schmidt im Überblick:
Lange wurde gerätselt, was Christian Seifert nach seinem Abschied als Chef der Deutschen Fußball-Liga macht. Nun ist klar: Er plant mit Axel Springer einen Streaming-Dienst mit Sportarten wie Handball, Eishockey oder Basketball – aber ohne Fußball. In einer Sonderfolge des OMR Podcasts analysieren Philipp Westermeyer und Sven Schmidt die Pläne – und deren Erfolgsaussichten.
In einem seiner letzten Interviews als Chef der Deutschen Fußball-Liga hat Christian Seifert noch einmal „Dirty Harry“ zitiert: „A man’s got to know his limitations“. Ein Mann muss seine Grenzen kennen. Ein Reporter der „Süddeutschen Zeitung“ hatte Seifert gefragt, ob er sich vorstellen könne, einen Club wie Rot-Weiß Essen in die erste Liga zu managen. Seifert verneinte und verwies auf den Spruch von Clint Eastwood aus dem Kultfilm.
Damals, im Herbst 2021, ließ er offen, wie es nach seinem Ausscheiden als DFL-Chef weitergeht. Nun ist es klar: Mit 52 Jahren hat Christian Seifert ein Start-up gegründet. So viel zum Thema „A man’s got to know his limitations“. Gemeinsam mit dem Medienkonzern Axel Springer will Seifert einen Streaming-Anbieter aufbauen, der sich auf Sportarten abseits des Fußballs konzentriert. Die Wahrnehmung und Wertschätzung von Sportarten wie Handball, Basketball oder Eishockey soll so deutlich gesteigert werden, heißt es in einer Pressemitteilung von Axel Springer. Der Start ist für Herbst 2023 geplant.
Das Projekt firmiert bislang unter dem Namen „S Nation“
Wie das Angebot heißen soll, das im Handelsregister noch unter dem Projektnamen „S Nation“ firmiert, ist noch genauso unklar wie die Höhe des Investments von Springer („Kein Kommentar“) oder die Zusammensetzung des Führungsteams. Christian Seifert, der neben Mehrheitseigner Axel Springer noch einen signifikanten Teil am Unternehmen hält, will in die Rolle des geschäftsführenden Gesellschafters schlüpfen. Für weitere Führungspositionen, in der Mitteilung ist vom CEO und COO die Rede, werden noch Kandidaten gesucht. Immerhin: Klar ist bereits, wo der Streaming-Dienst seinen Firmensitz haben wird: in Köln. In Branchenkreisen heißt es, für den Standort spreche nicht nur die Bedeutung als Medienstandort mit Unternehmen wie RTL. Vielmehr haben auch die für S Nation wichtigen Eishockey-, Basketball- und Handball-Verbände hier ihren Sitz.
Seifert baut sein Startup damit aber auch in unmittelbarer Nähe eines Wettbewerbers auf, der nur wenige Kilometer weiter rheinaufwärts in den vergangenen Jahren versucht hat, ein umfangreiches Live-Sport-Angebot aufzubauen. Mit ihrem Angebot „Magenta Sport“ betreibt die Deutsche Telekom von Bonn aus ein ähnliches Portal, das neben Spielen der Basketball-Bundesliga und der Eishochey-Liga DEL auch Frauenfußball und die 3. Fußball-Bundesliga zeigt. Und dort ist man offenbar wenig geneigt, die Rechte einem Konkurrenten zu überlassen: „Wir haben die Meldung vom geplanten Aufbau einer neuen Sport-Streaming-Plattform mit Interesse zur Kenntnis genommen“, sagte ein Sprecher der Telekom auf Anfrage. Man habe mit Magenta Sports ein vergleichbares Angebot seit mehreren Jahren erfolgreich im Markt etabliert: „Und das Portfolio wollen wir in Zukunft noch weiter ausbauen.“
Christian Seifert begibt sich in einen schwierigen Markt
Und die Telekom ist nicht der einzige Wettbewerber des Projekts S Nation. Auf dem Markt für Live-Sport tummeln sich Schwergewichte wie die Streaminganbieter DAZN oder Amazon, der Pay-TV-Konzern Sky, dazu Fernsehsender wie Sport1 und Nischenangebote wie Sportdeutschland.tv. Das Portal wurde 2015 vom Medienkonzern Pro-Sieben-Sat1 und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gegründet, um Live-Sendungen von medial bis dahin weniger beachteten Sportarten zu zeigen. Man wolle ein Zuhause für jede Sportübertragung bieten, von den Profi-Liegen bis hin zu Amateurveranstaltung, hieß es damals bei Pro-Sieben-Sat1. Im Dezember 2021 lag die Zahl der Visits laut Similar Web allerdings nur bei 1,3 Millionen.
Sven Schmidt sieht die Pläne daher kritisch: „Es gibt jetzt schon mindestens zwölf Anbieter. Wie wollen sich Herr Seifert und Axel Springer da differenzieren?“ In einer Sonderfolge des OMR Podcasts analysiert der OMR-Stammgast gemeinsam mit Philipp Westermeyer die Chancen und Risiken der Streaming-Pläne.
Doch Christian Seifert glaubt offenbar an seine Chance – und daran, dass sich viele Sportarten deutlich besser vermarkten lassen als dies bislang geschieht. Schon als DFL-Chef experimentierte er mit Aufzeichnungen von Fußballspielen im 9:16-Format, damit diese besser auf Smartphones dargestellt werden. „70 bis 80 Prozent der Smartphone-Nutzung von Jugendlichen findet heute hochkant statt“, begründet er den Schritt vor einiger Zeit. Und auch in anderen Bereichen hätte er sich, so ist zu hören, etwas mehr Mut der Fußball-Clubs gewünscht, damit die Bundesliga nicht den Anschluss an die englische Premier League oder US-Ligen wie die NBA oder NFL verliert. „Wenn wir nicht den Wettbewerb suchen, dann sucht der Wettbewerb uns“, warnte Seifert im Herbst 2021.
Partnerschaften statt Konkurrenz
Der neue Streaming-Dienst soll als eigenständiges Angebot gestartet werden. Die wichtigste Einnahmequelle, heißt es im Umfeld des Axel-Springer-Konzerns, sollen Abonnements sein. Springer setzt auch bei seinen anderen Medienangeboten Welt und Bild auf Subscriptions; ebenso das Start-up Media Pioneer, an dem Springer 36 Prozent hält. Bei dem neuen Streaming-Dienst sollen aber auch Werbeeinnahmen zu den Erlösen beitragen. Um für die nötige Reichweite zu sorgen, soll S Nation Partnerschaften mit anderen Plattformen eingehen. Denkbar wäre zum Beispiel, dass Sublizenzen vergeben werden. Dies ist bereits heute üblich bei Sportrechten. Ähnliche Vereinbarungen gab es in der Vergangenheit auch bei der Telekom und Sport1 oder dem Streaming-Dienst DAZN und dem Pay-TV-Anbieter Sky.
In den Überlegungen der Axel-Springer-Verantwortlichen spielen aber natürlich auch die eigenen Marken eine Rolle, heißt es im Umfeld des Unternehmens. Denkbar seien zum Beispiel Content-Partnerschaften mit der Marke Bild. Diese hat seit jeher einen starken Fokus auf die Sport-Berichterstattung und experimentierte in der Vergangenheit auch bereits mit Bewegtbildern der Fußball-Bundesliga. Inzwischen hat Bild auch einen eigenen Fernsehsender gestartet, der theoretisch auch als Verwertungskanal genutzt würden könnte – und damit Sport1 direkte Konkurrenz machen würde. „Das Streaming-Angebot soll losgelöst von Bild funktionieren, aber eine Kooperation macht natürlich total Sinn“, sagt ein Unternehmenskenner.
Viele Sportrechte kommen jetzt auf den Markt
Axel Springer und Christian Seifert haben ihren Vorstoß zeitlich gut geplant. Denn in den kommenden Monaten werden vielerorts Gespräche über Rechtepakete geführt. Der Vertrag der Handball-Bundesliga mit den Sendern Sky Deutschland sowie ARD und ZDF läuft zum Beispiel zum 30. Juni 2023 aus. Mit der Vergabe der Medienrechte dürfte sich die Handball-Bundesliga also schon in diesem Sommer auseinandersetzen. Die Telekom wiederum hat sich die Rechte für die Basketball-Bundesliga und die Basketball-Euroleague ebenfalls nur bis 2023 gesichert. Auch hier dürften also bald die Gespräche starten. Und auch der Vertrag mit der Deutschen Eishocke-Liga (DEL) endet schon bald, nämlich ein Jahr später am Ende der Saison 2023/2024.
Viele Wintersport-Rechte sind hingegen langfristiger vergeben. Die Kooperation zwischen dem Deutschen Ski-Verband und den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD/ZDF läuft noch bis zum Ende der Saison 2024/25. Skisprung, Biathlon und Co. werden also aller Voraussicht nach zum Start von Axel Springers neuem Streaming-Dienst noch nicht zu sehen sein. Wobei ein Branchenkenner auch unkt: „Für drei Monate Saison im Jahr lohnt sich ein Streaming-Dienst auch nicht.“
Wer zeigt künftig die Spiele der NFL?
Unklar ist hingegen, wann eines der wohl interessantesten Rechte-Pakete für den deutschen Markt neu vergeben wird – nämlich das der NFL. Der Football-Liga ist es in den vergangenen Jahren gelungen, immer mehr Menschen in Deutschland für den Sport zu begeistern. Der Fernsehsender Sat.1 erreicht während der Playoffs mit seiner Sendung „ran Football“ immer mehr Zuschauer. So lag der Marktanteil bei der Liveübertragung des Spiels der San Fransisco 49ers gegen die Dallas Cowboys am 16. Januar 2022 beispielsweise bei starken 19,7 Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Fußball ist zwar immer noch die mit Abstand beliebteste Sportart. Doch Daten der Arbeitsgemeinschaft Videoforschung zeigen, dass American Football speziell in der jüngeren Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen inzwischen die zweitbeliebteste Sportart ist (siehe Grafik).
Der Vertrag zwischen Pro-Sieben-Sat1 und der NFL wurde zuletzt über die Saison 2019/20 hinaus verlängert. Eine Vertragslaufzeit wurde allerdings nicht genannt. DWDL mutmaßte damals, sie dürfte bei etwa drei Jahren liegen. Damit wären die Rechte ab 2023 wieder verfügbar. Die NFL will das Interesse in Deutschland jedenfalls weiter pushen. So sollen bald auch Live-Spiele hierzulande zu sehen sein. Zuletzt hatten sich die Vereine New England Patriots, Kansas City Chiefs, Tampa Bay Buccaneers und Carolina Panthers die entsprechenden Rechte für den deutschen Markt gesichert. In welchen Stadien sie ihre Spiele austragen werden, ist allerdings noch unklar. Mit Alexander Steinforth wurde zuletzt außerdem ein Geschäftsführer für den deutschen Markt benannt. Allerdings: Im Umfeld des Axel-Springer-Konzerns heißt es, dass man zunächst den Fokus auf deutsche Sportligen legen würde.
OMR Stammgast Sven Schmidt sieht die Pläne kritisch
OMR Stammgast Sven Schmidt sieht die Pläne von Seifert und Springer kritisch. Nicht nur die große Konkurrenz durch bestehende Anbieter findet er problematisch. „Man muss die Rechte bekommen, man muss die Rechte bezahlen können, dann muss man die Nutzer gewinnen – und dann muss man sich fragen: Wie refinanziere ich das?“, sagt Sven Schmidt in einer Sonderfolge des OMR Podcasts im Gespräch mit Philipp Westermeyer. Schmidt glaubt nicht, dass es einen großen Markt für deutsche Sportligen abseits des Fußballs gibt: „Wenn man in Summe auf 300.000 Abonnenten kommt, ist das schon großes Tennis.“
Die Themen des Sonderpodcasts mit Sven Schmidt im Überblick:
- Machen die Pläne von Springer und Seifert Sinn? (00:04:30)
- Sind die Sportrechte überhaupt verfügbar? (00:12:40)
- Warum DAZN die Preise verdoppelt hat (00:17:40)