Kopf-Kribbeln dank Online Marketing: Deshalb setzen diese Brands auf das Web-Phänomen ASMR
Millionen-Reichweiten und Kopfkribbeln dank Flüstern und leisen Geräuschen
- Entweder man spürt ASMR – oder findet es ziemlich seltsam
- Dove, Pepsi, Kentucky Fried Chicken und Hornbach werben mit ASMR-Videos
- Wann erobert ASMR-Content neben Youtube weitere Plattformen und Formate?
Warum gibt es immer mehr Youtuber, die in ihren Videos ausschließlich flüstern, vorsichtig über Gegenstände streichen und damit auch noch Millionen Views erzielen? Grund dafür ist die „Autonomous Sensory Meridian Response“ (kurz ASMR) – ein angenehmes, beruhigendes Kopfkribbeln, das bei einigen Menschen angeblich genau durch solche Sinnesreize ausgelöst werden kann. Das Netz-Phänomen haben unlängst auch große internationale Brands erkannt. Online Marketing Rockstars erklärt den teilweise etwas seltsamen Hype um den „Kopf-Orgasmus“.
Ein typisches ASMR-Video läuft ungefähr so ab: Eine junge Frau schaut direkt in die Kamera, streicht ein paar Minuten über verschiedene Gegenstände wie beispielsweise eine Haarbürste und erklärt dabei flüsternd, was sie dabei fühlt. Keine Storyline, kein wie auf Youtube sonst fast schon übliches aufgedrehtes Rumgezappel, keine aufwändigen Schnitte, geschweige denn Effekte – und trotzdem erreichen Clips dieser Art nicht selten Millionen von Views.
Entweder man spürt ASMR – oder findet es ziemlich seltsam
Angeblich sollen solche Sinnesreize bei manchen Menschen ASMR auslösen; die Beschreibungen gehen vom angenehmen Kopfkribbeln über eine entspannte Gänsehaut bis hin zum „Kopf-Orgasmus“. Seit 2010 soll der in der Netzkultur entstandene Begriff schon bestehen, eine wissenschaftliche Grundlage gibt es allerdings nicht.
trends.embed.renderExploreWidget(„TIMESERIES“, {„comparisonItem“:[{„keyword“:“asmr“,“geo“:““,“time“:“2010-11-01 2016-09-20″}],“category“:0,“property“:““}, {});
Das Suchvolumen von ASMR ist laut Google Trends im Vergleich zu anderen Internet-Phänomenen wie der „Ice Bucket Challenge“ oder „The Dress“ zwar noch relativ gering, das Interesse nimmt jedoch deutlich zu. Das deutet auch ein Blick in das Youtube-Analyse-Tool Veescore an. Demnach werden täglich rund 350 neue Clips im Zusammenhang mit ASMR auf Googles Video-Portal hochgeladen. Das Thema generiert zwischen fünf und sieben Millionen Video Views pro Tag. Channel, die sich ausschließlich ASMR widmen, kommen teilweise auf Hunderttausende Subscriber.
Der weltweit erfolgreichste reine ASMR-Kanal dürfte mit fast 800.000 Abonnenten und über 240 Millionen Video Views „GentleWhispering“ sein. Die heute 30-jährige Maria startete das Projekt Anfang 2011, nachdem andere „ASMRtists“ – wie die flüsternden Youtube-Stars innerhalb der Community genannt werden – ihr dabei geholfen hätten, eine Depression zu überstehen. Mit Videos wie „*_* Oh such a good 3D-sound ASMR video *_*“ (16,5 Millionen Views) und „=}}(~_~){{=Steamy Dreamy SPAtenious ASMR (binaural)“ (7,1 Millionen Views) möchte sie ihren Fans eine „geheime Insel der Entspannung und des Friedens“ bieten, wie es in der Beschreibung heißt. Dafür schlüpft sie teilweise auch in Rollen, beispielsweise in die einer Verkäuferin für Herrenanzüge, die einen Kunden berät, oder in die einer Kosmetikerin. Den international erfolgreichen DJ Deadmau5 hat das alles offenbar überzeugt – 2014 veröffentlichte er mit „Terrors in My Head“ einen Track, der Ausschnitte aus einem von Marias Videos enthält.
Dove, Pepsi, Kentucky Fried Chicken und Hornbach werben mit ASMR-Videos
Einen komplett anderen, hier und da ein wenig verstörenden Stil, findet man auf dem Kanal „Kluna Tik“. Zwar hat der erst im April 2014 gestartete Channel im direkten Vergleich zu Maria und „GentleWhispering“ noch etwas niedrigere Abonnenten- und Abrufzahlen (300.000 und 188 Millionen), er holt aber auf: Laut Veescore hat „Kluna Tik“ mit über 1,7 Millionen Views innerhalb der letzten 24 Stunden die meisten aller ASMR-Kanäle. Der große Unterschied zu anderen ASMR-Videos: Kluna zeigt sich nie vor der Kamera und spricht kein Wort. Bei ihm (zumindest deuten die Hände auf einen männlichen Betreiber hin) geht es ausschließlich um Geräusche – und die stammen vom Essen absurder Mahlzeiten wie einem Burger aus Knete, glühender Grillkohle oder Zement. Auf dem Esstisch steht dabei immer ein kleiner Blumentopf mit einer fleischfressenden Pflanze namens Charlie. Wie gesagt: ein wenig verstörend…
Bei länger andauernden Trends und Hypes dauert es nie sehr lange, bis Marken auf den Zug aufspringen, um von der Reichweite und dem Interesse zu profitieren – auch ASMR ist hier keine Ausnahme. Im November 2015 machte die Schokoladen-Marke Dove in China vor, wie mit ein paar Geräuschen und geflüsterten Sätzen geworben werden kann. Pepsi versuchte sich einige Wochen später auf dem eigenen Instagram-Account mit einem kurzen Video, in dem man lediglich eine Flasche Pepsi sieht und Kohlensäure-Bläschen platzen hört. Am Hashtah #ASMR (über 145.000 Beiträge insgesamt in Facebooks Fotonetzwerk) wird deutlich, dass das Unternehmen bewusst vom Phänomen profitieren wollte. Der Clip wurde bisher knapp 22.000 Mal angeschaut.
Wann erobert ASMR-Content neben Youtube weitere Plattformen und Formate?
Den jüngsten Beitrag liefert die amerikanische Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken: In einem über zwei Minuten langen Video flüstert die als Colonel Sanders (Gründer von KFC) verkleidete Schauspiel-Legende George Hamilton Tipps für sein rotes Einstecktuch – und beißt hin und wieder in das natürlich extrem knusprige Hähnchen des Restaurants. Der Clip kommt aktuell auf rund 40.000 Views.
Auch hierzulande hat sich eine Marke schon an das Thema ASMR gewagt. Im März dieses Jahres veröffentlichte die Baumarktkette Hornbach im Zuge der Frühjahrskampagne mehrere ASMR-Videos auf dem eigenen Youtube-Kanal. Der Aufbau der Clips ist dabei immer gleich: Ein paar Hände fasst aus der Ego-Perspektive verschiedene Baustoffe und andere Materialien wie Kies, Nägel und Efeu an – passende Landingpage inklusive. Einige der Videos wurden über 300.000 Mal angeschaut.
Da ASMR-Content aktuell vor allem auf Youtube stattfindet und konsumiert wird, hat Google selber den Trend natürlich auch längst erkannt. In einem kürzlich erschienenen Artikel auf thinkwithgoogle.com wird „the biggest Youtube trend you’ve never heard of“ beschrieben. Dieser dürfte aber, wenn die Begeisterung der Community anhält, bald auch neue Formate und Plattformen erobern. Erste Podcasts, Apps und Facebook-Seiten (diese hat immerhin schon knapp 40.000 Fans) stehen schon in den Startlöchern.