Prosieben-Aufsichtsratschef zweifelt an Erfolg von Stefan Raab hinter der Paywall
Früher war er Top-Manager bei Axel Springer, heute investiert Andreas Wiele in Startups und führt den Aufsichtsrat bei ProsiebenSat.1.
Rund zwei Jahrzehnte lang war Andreas Wiele einer der wichtigsten Manager bei Axel Springer. Doch als 2019 der Private-Equity-Investor KKR einsteigt, steigt er aus. Im OMR Podcast erzählt Andreas Wiele, warum er sich mit 57 Jahren entschieden hat, beruflich noch einmal komplett neu zu starten. Denn heute ist er Investor, hat ein Energie-Startup gegründet und muss als Aufsichtsratschef den taumelnden Fernsehkonzern ProsiebenSat.1 fit machen fürs Streaming-Zeitalter. Eine Sache sieht er dabei komplett anders als Konkurrent RTL.
Letzte Station Golfplatz? Das ist Andreas Wiele zu wenig. 20 Jahre lang hat er bei Axel Springer die Transformation vom Print-Verlag zum Digitalkonzern vorangetrieben, in Startups investiert und das Rubrikengeschäfte rund um die Jobbörse Stepstone verantwortet. Es gibt wohl kaum ein Medienunternehmen in Deutschland, das in den vergangenen Jahrzehnten so einen rasanten Wandel durchgemacht hat – und nun kommt mit KKR auch noch ein Private-Equity-Investor, der den Konzern 2020 von der Börse nehmen und auf das nächste Level heben will. Klingt doch spannend, oder?
Als die Pläne von Axel Springer und KKR 2019 publik werden, ist Andreas Wiele 57 Jahre alt. Für ihn ist die Rechnung damals ganz einfach: Die Reise mit einem Private-Equity-Investor dauere im Schnitt acht Jahre. Würde er sie mitmachen, wäre er am Ende dem Rentenalter sehr nahe. "Ich habe damals gesagt: Ok, wenn ich das jetzt mache, dann kann ich danach nur noch auf den Golfplatz gehen", erinnert sich Wiele im OMR Podcast an diese Zeit: "Und gleichzeitig war ich zunehmend begeistert von den vielen Gründer*innen, die ich kennengelernt habe." Er würde gerne noch stärker in diese Startup-Welt eintauchen, vielleicht sogar selbst etwas gründen. "Und dann habe ich gesagt: Das ist jetzt der perfekte Moment". Der KKR-Einstieg wird nicht nur für Axel Springer eine Zäsur. Es ist auch der Wendepunkt im Leben von Andreas Wiele.
Oaktree Power zahlt Geld fürs Energie sparen
Heute ist Andreas Wiele, ja was eigentlich? Investor wäre ein passender Begriff. Giano Capital heißt die Wagniskapitalfirma, mit der er gerade versucht, das Geld für einen 50 Millionen Euro großen Fonds einzusammeln. Damit wollen er und seine Geschäftspartner Secondaries aufkaufen, also Anteile an Startups, die andere Investoren oder auch Mitarbeitende loswerden wollen oder müssen. An der Reiseerlebnis-Plattform Getyourguide ist Giano Capital bereits beteiligt, genauso beim Autoabo-Anbieter Finn (dessen CEO hier zu Gast im Podcast war).
Gründer wäre allerdings auch eine treffende Berufsbezeichnung. Denn mit Partner*innen hat Andreas Wiele Oaktree Power aufgebaut – im Energiebereich. Das Startup, das inzwischen von Chantel Scheepers als CEO geführt wird, will den Energiebereich optimieren, indem es Anreize für Unternehmen schafft, temporär den Verbrauch zu senken. Andreas Wiele vergleicht die Idee mit einer Praxis von Airlines bei überbuchten Flügen: "Die bieten dann oft Geld, damit du den Flug nicht nimmst. Das heißt, sie reduzieren mit Geld die Nachfrage. Genau das Gleiche haben wir auf den Energiemarkt übertragen." Rund 3,5 Millionen Dollar Umsatz macht das Startup in diesem Jahr. Zu den Kunden zählen die Financial Times und die Deutsche Bank.
"Der Börsenkurs ist beschissen"
Und dann ist da noch der dritte Job, der auf den ersten Blick die größte Nähe zu Wieles altem Leben hat. Seit 2022 ist er Aufsichtsratschef bei ProsiebenSat.1. Genau wie Axel Springer steht auch der Medienkonzern aus dem Süden Deutschlands vor der Herausforderung, sein Kerngeschäft zu transformieren. Jüngere Zielgruppen wenden sich zunehmend vom klassischen Fernsehen ab, Werbeumsätze verlagern sich ins Digitale. ProsiebenSat.1 hat in der Vergangenheit genau wie Springer versucht, neben dem Medien- ein Digitalgeschäft aufzubauen – mit wechselhaftem Erfolg.
Mit Joyn versucht der Konzern nun, einen eigenen Streamingdienst auf dem Markt zu etablieren. Doch der goutiert die Versuche noch nicht so, wie sich Andreas Wiele das bei seinem Dienstantritt erhofft haben dürfte. 2022 stand der Aktienkurs von ProsiebenSat.1 bei knapp 14 Euro, jetzt sind es noch rund fünf Euro. "Der Börsenkurs ist beschissen", sagt Andreas Wiele. Das Unternehmen will jetzt wieder stärker in Inhalte investieren, sich "radikal aufs Kerngeschäft fokussieren" (O-Ton Wiele). Digitalunternehmen wie die Online-Parfümerie Flaconi oder das Vergleichsportal Verivox sollen dafür verkauft werden.
Raab bei RTL+? "Glaube nicht, dass es erfolgreich wird"
Anders als Konkurrent RTL mit seinem Streamingangebot RTL+ wollen die Prosieben-Verantwortlichen rund um Wiele nicht primär auf ein Abo-Modell setzen. "Ich glaube nicht daran, dass es erfolgreich sein wird, Stefan Raab hinter die Bezahlschranke zu stellen", sagt Andreas Wiele. Das solle kein Tritt gegen die Konkurrenz sein, sagt er. Aber: "Das wird wirtschaftlich langfristig nicht funktionieren, warum sollen die Leute plötzlich für etwas bezahlen, was es seit Ewigkeiten umsonst gibt?"
Im OMR Podcast verrät Andreas Wiele außerdem, was sich hinter der Bezeichnung "Friedes Boyband" verbirgt, warum er irgendwann bei Axel Springer keinen Dienstwagen mehr wollte und warum Werbung bei Joyn lukrativer ist als bei Youtube.
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