Dieses Startup optimiert die Youtube-Kanäle der 187 Straßenbande, Team Kuku, Ufo & Bushido
Aimo Brookmann weiß genau, wie man Musik zeitgemäß und digital vermarktet
- Schon früh das riesige Potenzial von Youtube für Hip Hop erkannt
- Vom aufstrebenden Rapper zum erfolgreichen Unternehmer
- Deutschrap als Kernzielgruppe
- Musikindustrie im Wandel: Streaming und Fan-Nähe durch neue Plattformen
Für eingefleischte Fans zählt er noch heute zum Besten, was deutscher Hip Hop je hervorgebracht hat. Der Rest hingegen kennt wahrscheinlich nicht einmal seinen Namen. Aimo Brookmann alias „Taichi“ veröffentlichte alleine von 2004 bis 2008 fünf Soloalben, ist seit einigen Jahren aber nahezu inaktiv. Hinter den Kulissen ist er allerdings so einflussreich wie nie: Mit dem MCN Faktory betreut und optimiert er die größten Youtube-Rap-Kanäle des Landes und damit rund 400 Millionen Views pro Monat. OMR hat mit ihm gesprochen und zeichnet die Geschichte des Hidden Champions nach.
Die Liste der Youtube-Kanäle, für die das kleine Berliner Unternehmen Faktory.tv GmbH das Channel-Management und Lizenzgeschäft macht, liest sich wie das Who’s who der deutschen Rapszene: Bushido (1,85 Millionen Abonnenten, 860 Millionen Views), CrhymeTV von der Hamburger Crew 187 Straßenbande (1,4 Millionen Abonnenten, 800 Millionen Views), Team Kuku (1 Million Abonnenten, 221 Millionen Views) und Ufo361 (690.000 Abonnenten, 180 Millionen Views), um nur vier der namhaftesten und reichweitenstärksten Player zu nennen.
Während der Channel von Bushido vor allem durch länger zurückliegende Erfolge eine solche Größe erreicht hat, konnten insbesondere die drei anderen genannten Kanäle in den vergangenen Wochen und Monaten mit zahlreichen Klick-Hits teilweise mehrfach in den Trends landen. Weitere von Faktory betreute Channel sind unter anderem die von RAF Camora, Fard, SXTN, Kool Savas, Fler und Alpa Gun. Insgesamt sollen die in Summe über 200 Kanäle rund 400 Millionen Aufrufe und eine Watchtime von 100 Millionen Minuten generieren – pro Monat.
Schon früh das riesige Potenzial von Youtube für Hip Hop erkannt
Die Idee, ein auf Youtube-Kanälen von deutschen Rappern basierendes Geschäftsmodell aufzubauen, hat Faktory-Gründer Aimo Brookmann schon 2013 – offenbar als erster. Zu dem Zeitpunkt hat Deutschrap noch lange nicht den Stellenwert, die Reichweite und den Erfolg, wie heute. „Es gab damals noch keine deutschen Hip Hop-Kanäle, die die Millionen Abos geknackt haben“, erinnert sich Brookmann im Gespräch mit OMR. „Man konnte aber trotzdem schon erkennen, dass da was passiert. Die ersten Kanäle, der von Bushido zum Beispiel, sind richtig durchgestartet.“
Auch wenn für Aimo Brookmann selber die wirklich großen eigenen Erfolge als Rapper ausbleiben, kann er sich in der Szene unter seinem Alter Ego Taichi einen Namen machen und einige Achtungserfolge erzielen. Schon 1999, mit gerade einmal 15 Jahren, gründet er seine erste Hip Hop-Formation „Klangkrieg“. Aus der gehen zwar keine Veröffentlichungen hervor, die folgen dann aber zuhauf in den kommenden Jahren. Er gründet sein eigenes Label „mein Label“, veröffentlicht bis 2010 sechs Alben sowie zwei Mixtapes und arbeitet unter anderem mit Namen wie Mok, Kid Cobra und Ercandize zusammen.
Vom aufstrebenden Rapper zum erfolgreichen Unternehmer
Nach einem weiteren, letzten Album 2015 wird es dann still um Aimo „Taichi“ Brookmann. Das liegt zum einen daran, dass er ein wenig das „Interesse am Rappen“ verloren habe. Außerdem hätten andere Projekte seine Zeit in Anspruch genommen: Er baut am SAE Institute Berlin einen Studiengang auf und leitet seitdem als Head Instructor den Fachbereich Music Business. Und er konzentriert sich auf die Weiterentwicklung der mein Label UG. Hier hatte er in den Jahren zuvor schon eigene Tracks veröffentlicht und angefangen, eine Dienstleistungsagentur für Künstler aufzubauen.
„Ende 2013 habe ich dann das Business neu ausgerichtet und den Schwerpunkt auf Youtube gelegt“, so Aimo Brookmann gegenüber OMR. Mit seinen eigenen Inhalten hatte er schon früh selber auf Youtube gesetzt und so wertvolle Erfahrungen gesammelt. „Der erste Parner war das Label Wolfpack Entertainment mit Künstlern wie PA Sports, Freunde von Niemand und Nazar. Der zweite Partner war Bushido. Wir sind seit dem stetig und sehr gewählt gewachsen.“
Deutschrap als Kernzielgruppe
Fünf feste Mitarbeiter sind heute für das 2017 zur Faktory.tv GmbH umfirmierte Unternehmen tätig. Zu Umsätzen und weiteren Finanzkennzahlen möchte sich Brookmann zwar nicht äußern, verrät aber: „Wir sind theoretisch profitabel. Ich zahle mir aber zum Beispiel selber kein Gehalt aus und reinvestiere lieber in neue Tools für unsere Partner.“
Neben der technischen Optimierung der Youtube-Kanäle (SEO) und dem Rights-Management seien Brookmann und sein Team außerdem auch in die Entwicklung neuer Formate für die einzelnen Künstler involviert. „Wir sind eigentlich mit fast allen Künstlern im direkten Kontakt. Die finalen Entscheidungen, vor allem zum Timing der Veröffentlichungen, trifft aber meist das jeweilige Management“, sagt Aimo Brookmann. Bis auf einzelne Ausnahmen, wie beispielsweise der Youtube-Kanal „Glücksdetektiv“ (Persönlichkeitsentwicklung und Psychologie), stammen nahezu alle Kunden aus dem Musik- und Rap-Bereich.
Kanäle können sich zwar auch direkt über die Seite bei Faktory.tv bewerben, der Großteil neuer Partnerschaften komme laut Brookmann aber über Word-of-Mouth zustande: „Partner stellen immer mal wieder interessante Themen bei uns vor. Wir scouten aber auch selber nach bisher noch unbekannten Künstlern, bei denen wir Potenzial sehen.“
Welche Optimierungen er und sein Team im Detail an den Videos vornehmen, verrät er nicht. Brookmann sagt: „Nur so viel: Wir nehmen jeden einzelnen Upload in die Hand und nutzen alles, was Youtube zur Verfügung stellt und erlaubt.“ Was von außen festzustellen ist: Jeder Kanal verlinkt auf weitere Profile im Netz, Mitglieder, falls es sich um eine Crew handelt, Merch- und Ticket-Shops und aktuelle Veröffentlichungen. Auch unter den einzelnen Videos der Kanäle sieht es ähnlich aus – inklusive durchweg prominent platzierten Hinweisen, den jeweiligen Channel zu abonnieren.
Musikindustrie im Wandel: Streaming und Fan-Nähe durch neue Plattformen
Als Aimo Brookmann als Taichi seine ersten Tracks herausbringt, geschieht das noch auf Tapes. Heute hat jeder Künstler theoretisch einen direkten Zugang zu seiner Zielgruppe, kann auf eigene Faust auf verschiedensten Plattformen Alben veröffentlichen. „Youtube, Spotify und Instagram waren sicher die gravierendsten Einschnitte in der Musikindustrie“, so Brookmann. „Früher war ein Bravo-Poster das Maximum, heute bist Du in den Instagram Storys so nah im Alltag der Rapper, wie noch nie.“ Die Chance, die sich so biete, müsse heute jeder sehen – und auf jeden Fall nutzen, falls man der Typ dafür ist.
Welche gigantischen Reichweiten entstehen können, wenn ein aktuell populärer Rapper das Instagram-Story-Game beherrscht, beweist wohl keiner besser als Bonez MC von der Hamburger 187 Straßenbande. Er ist nicht nur extrem aktiv und nimmt seine Follower in nahezu jede Situation mit, er gewährt hin und wieder auch Einblicke in die Statistiken seines Accounts. Mitte April generierten seine Storys knapp 120 Millionen Impressions in sieben Tagen; in der Vorwoche waren es noch einmal 46 Millionen mehr. Schon 2016 bewies er gemeinsam mit RAF Camora, wie gut Hip Hop funktioniert – und belegte direkt drei Plätze in der Rangliste der hierzulande meistgeschauten Videos des Jahres.
Weitere extrem spannende und neue Kanäle, die man als Künstler genau beobachten sollte, sind laut Brookmann Spotify-Playlisten und React-To-Videos. Vor allem letzteres sei ein extrem interessantes Phänomen. „Das ist bisher alles organisch und liefert krasse Reichweiten“, sagt er. In React-To-Videos filmen sich Youtuber, während sie ein aktuell beliebtes Videos angeblich zum ersten Mal schauen – und reagieren je nach Geschmack entsprechend. Bei Gzuz habe es beispielsweise nach der Veröffentlichung der Single „Was hast Du gedacht“ auf dem internationalen Youtube-Kanal WorldStarHipHop.com begonnen. „Da spürt man direkt Auswirkungen in der Zielgruppe des eigenen Kanals. Die wird sofort internationaler“, so Brookmann.
Auch wenn Aimo „Taichi“ Brookmann heute vor allem hinter den Kulissen mit dem Hip-Hop-Business zu tun hat – so ganz kommt er offenbar nicht davon los, selber zu rappen: Seit fünf Monaten veröffentlicht er jeden Freitag einen Song auf seinem eigenen Youtube-Kanal. Den Inhalt des Tracks bestimmen im Vorfeld seine Fans.