Yolo, Hoop & Co.: Wie Snapchat neue Apps an die App-Store-Spitze katapultiert

Martin Gardt20.2.2020

Clevere App-Entwickler nutzen Snaps Entwicklerplattform Snap Kit, um virale Apps mit Millionen Downloads zu bauen

Snap Kit
Snap Kit

Eigentlich wollte Snap mit seiner Entwickler-Plattform „Snap Kit“ neue Nutzer begeistern – indem beliebte Snapchat-Elemente wie Bitmoji oder Stories auch in anderen Apps auftauchen. Jetzt nutzen findige Entwickler die Tools, um Millionen Downloads für ihre wenig aufwendig produzierten Apps zu generieren. Dabei helfen Viral-Mechanismen von Snapchat. Wir erklären das Phänomen und zeigen Beispiele.

Mitte 2018 startet Snap die Entwicklerplattform Snap Kit. App-Entwickler können seitdem einen Login mit Snapchat-Daten anbieten (ähnlich wie der Facebook-Login), Bitmojis einbinden (die Comic-Avatare), Snapchat-Stories in die eigene App einbetten und Werbung über das Snap Audience Network schalten. Zum Start waren direkt Tinder (Bitmoji in Chats), Patreon (Stories von Creatorn in der Patreon-App), die Second-Hand-App Poshmark (Sticker mit Poshmark-Angeboten des Nutzers in Snapchat) und andere Apps dabei. 

Snap Kit Funktionen

Die Snapchat-Funktionen, die Entwickler mit Snap Kit in ihre Apps einbauen können

Das Ziel von Snap: Nutzern dieser Apps Lust auf Snapchat-Funktionen machen und sie so für die eigene Plattform gewinnen. App-Entwickler können seit der Einführung von Snap Kit ohne großen Aufwand Apps auf Grundlage von Snapchat-Funktionen bauen – und die Kraft der über 200 Millionen täglich aktiven Nutzer der Plattform, um Downloads für die eigene App zu generieren.

Yolo: Eine App ohne viele Funktionen springt an die App-Store-Spitze

Die erste App, die mit der Strategie für Aufsehen gesorgt hat, ist Yolo. Wir hatten die App schon Ende Oktober 2019 kurz vorgestellt. Mit Yolo können Nutzer ihre Freunde und Follower in Snapchat Stories mit einem Sticker auffordern, ihnen anonym Fragen zu schicken. Durch Hochwischen landen die Nutzer in Yolo und können dort die Fragen stellen. Wer Fragen bekommt, kann aus seinen Antworten daraus wiederum Sticker erstellen und diese dann auf Snapchat teilen. 

Yolo Screenshot

Die Funktionen von Yolo – von Frage-Sticker bis Bitmoji-Chat

Laut Analyse-Tool-Anbieter App Annie gehörte Yolo in Ländern wie Großbritannien, den USA und Kanada im vergangenen Jahr zu den wachstumsstärksten Social-Apps. Global wurde die App auf iOS laut Analyse-Tool Priori Data fast 20 Millionen Mal heruntergeladen, auf Android sind es 5,2 Millionen Downloads. Kurzzeitig landete Yolo im Mai 2019 in den USA auf Platz 1 der App-Store-Charts. Seitdem hat sich die App in den Top 5 der Social-Kategorie eingenistet und liegt im US-App-Store derzeit auf Rang 36 aller Gratis-Apps. 

Auf der Reichweitenwelle von Snapchat

Woher kommt der steile Aufstieg der simplen App? Yolo hängt sich komplett an die Reichweite von Snapchat. Wer den Sticker zur Fragen-Aufforderung erstellen will, braucht Yolo. Der Nutzer meldet sich dort mit seinem Snapchat-Login-Daten an, Name und Bitmoji werden automatisch übertragen. Snap betont, dass keine persönlichen Daten mit den App-Entwicklern geteilt werden. Genau diesen Weg gehen dann auch alle Nutzer, die auf Snapchat den Yolo-Fragen-Sticker sehen und eine Frage stellen wollen. Sie wischen hoch, landen bei der Yolo-Installation, loggen sich mit Snapchat ein und legen los. So vervielfacht sich die Aufmerksamkeit ganz automatisch durch Snapchat Stories.  

„Der Erfolg war nicht geplant. Wir wollten einfach daraus lernen“, sagt Yolo-Gründer Gregoire Henrion gegenüber Techcrunch. „Einfach mal in den App Store packen und sehen, was passiert. Es ist 100 Prozent viral gegangen, total verrückt. Wir haben es nicht glauben können, dass die App auf Platz 1 im App Store gelandet ist.“ Das Wachstum funktioniere komplett organisch, so der Gründer: „Ich glaube nicht mehr an gefaktes Wachstum. Wir haben die App in den Store gepackt, die Leute haben nach Yolo gesucht und dann ist es losgegangen.“ Henrion führt die Reichweiten-Explosion also zum Teil auf die Einfachheit des Namens zurück. Viel stärker dürfte jedoch der Viral-Effekt durch Snapchat geholfen haben.

Der Gründer wolle jetzt neue Funktionen bauen, um die Nutzer langfristig bei der Stange zu halten. Seit dem Start ist ein Chat-Feature dazugekommen, mit dem Nutzer Gruppenchats mit ihren Snapchat-Kontakten starten können. Das Besondere: In den Chat-Verläufen sind nur Bitmojis, aber keine Namen sichtbar. Auch zu diesen Chats können die Nutzer ihre Bekannten per Snapchat-Story-Sticker einladen. Noch ist nicht erkennbar, wie die Macher von Yolo die Millionen-Reichweite monetarisieren wollen. Noch gäbe es die Chance. Eine Million Downloads verzeichnet die App immer noch pro Monat – allein auf iOS.  

Hoop: Tinder für die Snap-Generation

Das neueste Beispiel für die Viral-Kraft von Snapchat ist Hoop. Innerhalb einer Woche Ende Januar sei die App laut dem kleinen französischen Entwicklerteam über 2,5 Millionen Mal heruntergeladen worden. Das katapultierte Hoop auf Platz 2 des US-App-Stores. Auch Hoop ist eng mit Snapchat verzahnt und auf Snap Kit aufgebaut. Nutzer können Bilder anderer Snapchat-User sehen und im Tinder-Stil entweder weitertippen oder den Snap-Kontakt anfragen. Auch bei Hoop geht es extrem schnell, loszulegen. Einfach mit Snap einloggen und schon kommen die ersten Beispiel-Bilder. Vor dem richtigen Start erfragt die App aber noch Alter, Geschlecht, Sexualität und will mit weiteren Fotos gefüttert werden. 

Hoop Screenshots

Hoop ist Tinder im Snapchat-Stil

Die Hoop-Macher scheinen in Sachen Monetarisierung deutlich planvoller vorzugehen als Yolo. Sie setzen auf Diamanten als In-App-Währung. Und die wird ständig fällig. Jedes Anschreiben eines anderen Nutzers kostet Diamanten, sodass nach etwa zehn Anfragen schon Ebbe in der digitalen Geldbörse herrscht. Neue Diamanten lassen sich durch das Teilen eines Download-Links mit Freunden, aber auch mit dem Ansehen eines Werbevideos, der Beantwortung von Umfragen oder dem Abschluss eines Amazon-Prime-Probeabos verdienen. Auch eine Bewertung im App-Store verspricht Diamanten-Nachschub, obwohl Apple solche Taktiken eigentlich unterbinden will. Die Strategie rund um die In-App-Währung bringt zweierlei: Auf der einen Seite verdienen die Hoop-Macher jetzt schon Geld mit ihrer simplen App. Auf der anderen Seite pushen sie mit klassischen Growth-Hacking-Kniffen die Reichweite und die Downloads der Anwendung.

Die Einfachheit fördert Goldgräberstimmung

Wie Yolo kommt auch Hoop aus Frankreich. Und beide Apps haben noch eines gemeinsam: ein winziges Team. Dank Snap Kit können junge Entwickler ohne großen Aufwand auf Snaps Rücken Anwendungen bauen und experimentieren – bis dann eine Idee einschlägt. Die Hoop-Macher hätten 2018 die App „Dazz“ über Snap Kit entwickelt, die es Nutzern erlaubt, Umfragen auf Snapchat zu erstellen. „Unsere 250.000 Nutzer befreundeten sich eigentlich immer auf Snapchat. Also haben wir entschieden, mit Hoop eine App für neue Snap-Freunde zu bauen“, sagt der Hoop-Gründer Lucas Gervais gegenüber Techcrunch. Am Ende solle die App ihren Nutzern vor allem dabei helfen, die eigene Snap-Community zu vergrößern – sicherlich nicht der schlechteste Werbespruch in Zeiten von Influencer-Träumereien vieler Teenager. 

Die große Gefahr für so einfache Apps wie Yolo und Hoop ist wohl die Plattform selbst, auf der sie ihre Anwendungen gebaut haben. Sollte Snap in Facebook-Manier entscheiden, die Funktionalitäten einfach selbst zu bauen, würde das wohl das Ende der Apps bedeuten. Besonders im Fall von Yolo ist fast rätselhaft, warum das noch nicht passiert ist. Schließlich gibt es auf Instagram schon seit längerem Fragen-Sticker in Stories. Doch Snap scheint die Apps lieber zu fördern, als zu kopieren. Je mehr hippe Apps auf Grundlage von Snapchat funktionieren, desto wichtiger wird es für Nutzer, auch einen Snap-Account zu haben. Diese Win-Win-Situation für Plattform und Entwickler könnte weiter dafür sorgen, dass in Zukunft viele Viral-Apps durch Snap Kit entstehen – vor allem, wenn Erfolgsfunktionen wie AR-Filter integriert werden.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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