Nach diesem Hip-Hop-Gossenblog wird in den USA häufiger gegooglet als nach Buzzfeed
Wie WorldStarHipHop zum Erfolg wurde – und eine Übernahme durch Puff Daddy ausgeschlagen hat
- WorldStarHipHop.com – Eine Mischung aus Viral-Seite und Rap-Community
- WorldStarHipHop.com gilt als wichtiger Gatekeeper in der Szene
- Sean „P. Diddy“ Combs will investieren – Lee O’Denat lehnt ab
In Deutschland ist WorldStarHipHop kaum bekannt, in den USA ist die Seite ein popkulturelles Phänomen: Dort wird nach WorldStarHipHop häufiger gegooglet als nach Buzzfeed; große NBA-Stars sollen die Seite im Browser als Startseite eingerichtet haben. Wir erklären, wie die Seite mit einer kruden Mischung aus Hip-Hop-, Softcore- und Schlägerei-Videos groß geworden ist.
Auf den ersten Blick ist es eine krude Video-Mischung, die aktuell unter „Trending Now“ auf der Startseite von WorldStarHipHop.com gelistet wird. Da wäre Maila, die Tochter von US-Präsident Barack Obama, die beim Tanzen auf dem Lollapalooza-Festival vielleicht etwas zu viel Haut zeigt. Und ein Clip, bei dem die Headline suggeriert, Nord-Korea hätte der USA den Krieg erklärt. Abgerundet wird diese Mischung durch ein Video einer angeblichen UFO-Sichtung. Eine ganz normale Viral-Seite also. Wären da nicht die Elemente, die dem Namen der Website dann doch einen Sinn geben: ein großes Banner zum neuen Album von Dj Khaled beispielsweise, oder „Featured Videos“, ein unübersehbarer Video-Block, in dem Rapper ihre neuen Musik-Clips exklusiv veröffentlichen.
WorldStarHipHop.com – Eine Mischung aus Viral-Seite und Rap-Community
Diese Mischung aus Hip Hop, Rap und viralen, häufig auch brutalen, gewalttätigen Clips (Schlägereien unter Jugendlichen, Polizeigewalt und Schlimmeres) ist der fragwürdige Markenkern von der Mitte 2005 gegründeten Seite WorldStarHipHop.com. Macher Lee „Q“ O’Denat sagte kürzlich gegenüber der New York Times, dass nicht nur der Mix aus Entertainment und News entscheidend sei, sondern die Strategie, mit den von Usern hochgeladenen, unzensierten Videos die Realität so zu zeigen, wie sie ist.
Dass das nicht nur auf Gegenliebe stößt, mitunter stark kritisiert wird und auch immer mal wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führt, verwundert kaum. Trotzdem besteht „WSHH“, wie sich WorldStarHipHop.com kurz nennt, jetzt schon seit über elf Jahren. Und auch wenn es auf Grund von zahlreichen Konkurrenten (Plattformen wie Facebook, Youtube und Snapchat an sich, aber auch Publisher wie Buzzfeed, Vice, Gawker und Liveleak) nicht einfacher geworden ist, langfristig zu überleben, scheint die WSHH-Zielgruppe eine treue und große Community zu sein.
WorldStarHipHop.com gilt als wichtiger Gatekeeper in der Szene
Gründer Lee O’Denat kommt ursprünglich aus Haiti, wird von seiner Mutter aber im New Yorker Stadtteil Queens großgezogen. Schon früh kommt er mit der Hip-Hop-Kultur in Berührung, hört LL Cool J und Run DMC. DJ Whoo Kid, der später noch der DJ von weltweit erfolgreichen Rappern wie 50 Cent und dem Duo Mopp Deep werden sollte, zählt zu seinen Jugendfreunden. Nach dem Abbruch der High School und einem ersten gescheiterten Projekt im Internet (eine Pornoseite, die „Q“ 1999 wieder einstellt) beginnt er, Mixtapes seines Kumpels Whoo Kid im Netz zu verkaufen. Schon kurz nach dem Launch wird die Seite gehackt.
Mit dem sich anbahnenden Durchbruch von Video-Content im Netz Anfang und Mitte der 2000er entsteht dann die Idee zur Seite WorldStarHipHop.com als Video-Aggregator, wie sie heute existiert. Nach der Gründung Mitte 2005 wächst WSHH schnell, weil es keine vergleichbaren Portale gibt, die Hip Hop und viralen Content miteinander kombinieren. Die Seite etabliert sich mit Clips zu brutalen Schlägereien bzw. allgemein Gewalt zum „CNN of the Ghetto“. Immer häufiger kommt es vor, dass bei sich anbahnenden Schlägereien „Worldstar“-Rufe ertönen. Seitdem hat sich nicht viel am Konzept geändert. Es gibt immer noch von Usern hochgeladene Videos, auch wenn Lee O’Denat längst nicht alle freigibt, weil viele „einfach zu brutal und verrückt“ seien. Und immer noch gilt WorldStarHipHop.com als eine Art Gatekeeper für junge Rapper. Viele veröffentlichen ihre neuen Videos exklusiv dort, „Q“ selbst sagt, er habe nicht unwesentlich zum Erfolg zahlreicher heute international bekannter Künstler beigetragen, unter anderem von Rick Ross.
Laut dem Web-Statistik-Dienst SimilarWeb kommt WSHH zuletzt noch auf fast 24 Millionen Visits im Monat (im August 2014 sollen es noch über 43 Millionen gewesen sein), fast 70 Prozent soll davon Direct Traffic sein. Die rückläufige Reichweite dürfte zum Teil auch den erfolgreichen WSHH-Profilen in sozialen Netzwerken geschuldet sein: Auf Youtube folgen WorldStarHipHop.com über 2,8 Millionen Abonnenten, der Kanal kann beeindruckende 1,5 Milliarden Video Views seit der Gründung Ende 2008 vorweisen – die Video-Aufrufe der Website fließen hier übrigens nicht mit ein; WSHH nutzt dort einen eigenen Player. Bei Facebook hat das Portal 5,8 Millionen Fans, bei Instagram sind es 2,7 Millionen Abonnenten und bei Twitter 1,64 Millionen Follower. Die kostenfreie App wurde Daten des Analyse-Tools Priori Data zufolge im Jahr 2015 immerhin knapp über eine Million mal aus Apples Appstore heruntergeladen. Ein Blick zu Google Trends bestätigt die enorme Popularität von WorldStarHipHop.com – bis Ende letzten Jahres lag die Seite hier noch vor Buzzfeed.
Sean „P. Diddy“ Combs will investieren – Lee O’Denat lehnt ab
15 Mitarbeiter habe WSHH aktuell, davon kümmern sich fünf Leute ausschließlich um das Sichten und Freigeben der von Usern hochgeladenen Videos. Ein Büro gibt es nicht, alle arbeiten von zu Hause oder unterwegs. Er kenne viele „seiner Jungs“ schon seit Jahren, erzählt Lee „Q“ O’Denat im Interview mit der New York Times. Da brauche es keine Kontrolle durch einen Chef.
Trotz des teilweise brutalen Contents trauen sich zunehmend Unternehmen, in diesem Umfeld aus Schlägerei-Clips und Hip-Hop-Videos zu werben; Comedy Central und die Fast-Food-Kette Subway sollen laut „Q“ Beispiele für regelmäßig buchende Advertiser sein. Eine weitere, vermutlich nicht unwesentliche Monetarisierungs-Quelle sind Google Adsense-Anzeigen und die enorme Reichweite auf Youtube. Seit Anfang 2014 gibt es zudem ein eigenes Klamottenlabel. O’Denat sagt zwar, dass WSHH profitabel ist, betont aber auch, dass er sich mehr Wachstum und Kooperationen mit großen Brands wünsche.
„Wir wollen expandieren und wachsen. Und dafür brauchen wir Geld“, sagt Lee O’Denat der New York Times unverblümt. Dabei soll es nicht nur einmal durchaus lukrative Angebote gegeben haben. Das verlockendste habe die Hip-Hop-Legende Sean „P. Diddy“ Combs gemacht, ein weiterer Interessent habe 40 Millionen US-Dollar für 40 Prozent der Anteile geboten. „Q“ lehnte beides ab, genaue Details zum Angebot von P. Diddy sind nicht bekannt. Er habe Angst vor dem Verlust der Kontrolle über seine Seite gehabt. Und schließlich gesteht er, der sich lange gerne mit Bodyguards im Nachtleben gezeigt hat und mit Stars wie Drake per du ist, doch ein wenig eitel zu sein. Er sei immer das Gesicht der Seite gewesen und das wolle er auch bleiben: „I want to be that guy, you know?“.