Waterdrop – Wie ein Wiener Startup Millionenumsätze mit Aromawasser macht

Florian Heide12.8.2021

80 Millionen Dollar Umsatz dank Review-Marketing und einer Community

Waterdrop
Inhalt
  1. Die Zukunft des Getränkehandels ist online
  2. Nach Feedback das ganze Produkt verändert
  3. Der Shop bringt Umsätze – und die Daten
  4. Influencer:innen erobern neue Märkte
  5. Feedback von der Community
  6. Die Konkurrenz wird einverleibt

Mit wasserlöslichen Aromawürfeln sagt Waterdrop der Mineralwasser- und Softdrink-Branche seit 2015 den Kampf an. Heute ist das Startup in 13 Ländern vertreten und plant 80 bis 100 Millionen Dollar Umsatz für dieses Jahr. OMR hat mit Waterdrop-Gründer Martin Murray über die Anfänge als Pop-Up-Store gesprochen, die Vorteile des D2C-Business’ und den Nutzen einer starken Community.

Im Jahr 2015 trank jeder und jede Deutsche noch rund 149 Liter Trinkwasser im Jahr. Das entspricht der Menge, die in ein mittelgroßes Aquarium passt. 2020, also fünf Jahre später, sind es schon 15 Liter weniger. Gleichzeitig ist der Konsum von Softdrinks, also zuckerhaltigen Süßgetränken wie Limonaden und Säften, auf einem Höchststand: Rund 250 Euro im Jahr gibt jeder von uns durchschnittlich für die kühle Erfrischung zwischendurch aus.

Waterdrop, ein österreichische Startup, das durch einen Auftritt bei „Die Höhle der Löwen“ bekannt geworden ist, will zweierlei: Den Verbrauch von Plastikflaschen reduzieren. Und unnötige lange Transportwege vermeiden. „Es macht keinen Sinn, abgefülltes Wasser tausende Kilometer in LKWs über die Autobahn zu transportieren“, sagt der Gründer Martin Murray. Deshalb produziert und vertreibt es wasserlösliche Würfel aus zuckerfreiem Frucht- und Pflanzenextrakt. Die verleihen gewöhnlichem Leitungswasser Aroma, Kund:innen sollen dadurch auf abgefülltes Wasser und zuckerhaltige Softdrinks verzichten.

Die Zukunft des Getränkehandels ist online

Gegründet hat Murray Waterdrop 2015. Er war ursprünglich Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group, doch während sich die meisten seiner Kolleg:innen mit aufstrebenden Tech-Unternehmen und Krypto-Währungen auseinandersetzen, ist Murray von einer nicht gerade für Innovationsfreude bekannten Branche fasziniert: der Getränkeindustrie. Die habe sich seit der Einführung der Normflasche mit Schraubverschluss vor rund 50 Jahren nicht mehr merklich verändert, so Murray. Noch immer würde ein Großteil der Getränke im Supermarkt oder dem Kiosk um die Ecke verkauft.

Grund genug für Murray, seinen persönlichen Versuch zu wagen. Er will ein Online-Business aufbauen, Direct to Customer, ohne teure Zwischenhändler. Beides unüblich für die Getränkebranche: Niemand kaufe seinen Sprudel online. Zumal die herkömmlichen Glas- und Plastikflaschen, die die meisten großen Hersteller verwenden, einer aufwendigen Logisitik bedürfen. Bei Aromawürfeln allerdings, die sich in normalem Leitungswasser auflösen und es so mit Geschmack versetzen, ist das anders. „Aromawürfel sind perfekt für den Online-Handel: Sie sind klein, einfach zu transportieren und haben hohe Margen“, sagt er.

Nach Feedback das ganze Produkt verändert

Ende 2016 eröffnet Murray einen ersten Pop-Up-Store in der größten Einkaufsstraße Österreichs, der Mariahilfer Straße in Wien. In den Regalen stehen bunte Verpackungen mit Würfeln in verschiedenen Geschmacksrichtungen und große Probierpakete. Hunderte von Menschen betreten den Laden täglich. Für Murray das erste Kundenfeedback und extrem wichtig.

Waterdrop

Das Waterdrop-Probierpaket ist ein Bestseller. 13,90 Euro kostet die Packung. Quelle: Waterdrop.de

„Nach den ersten zwei Monaten haben wir das ganze Produkt noch einmal verändert“, sagt er. Die Verpackung habe nicht in die Postfächer gepasst, der Geschmack sei zu süß gewesen, die Stückzahlen in den Sammelboxen viel zu hoch. Als der Pop-Up-Store zum zweiten Mal öffnet, sind statt 48 nur noch zwölf Würfel in einer Box enthalten. Außerdem ergänz Waterdrop sein Portfolio um eine erste zusätzliche Produktkategorie: Glastrinkflaschen, deren Größe zum perfekten Mischverhältnis mit den Aromawürfeln passt.

Der Shop bringt Umsätze – und die Daten

Der Waterdrop-Online-Shop geht Anfang 2017 an den Start. Bis heute ist er der stärkste Vertriebskanal: Von den für 2021 angestrebten 80 bis 100 Millionen Dollar Umsatz würden 90 Prozent allein darüber generiert. 150.000 Kund:innen würden monatlich dort einkaufen und jeweils rund 35 Euro ausgeben. Neben den Aromawürfeln und Trinkflaschen gibt es mittlerweile auch Teepulver zu kaufen. Bestseller seien vor allem die Probierpakete. Unter zehn Aroma-Würfeln hätten die meisten Kund:innen zwei bis drei Favoriten, die sie immer wieder kaufen würden. Ungefähr die Hälfte aller Käufer:innen kehre deshalb laut Murray wieder.

Ein wichtiger Vorteil, den Murray durch das D2C-Business gegenüber den alteingesessenen Traditionsunternehmen seiner Branche hat: „Wir haben wichtige Daten, die es nur im direkten Kundenkontakt gibt“, sagt Murray. Zum Beispiel was die bevorzugten Geschmacksrichtungen oder die tägliche Wassermenge einzelner Customer angeht. „Wir tracken das gesamte Kaufverhalten“, sagt er. So könnte Waterdrop auch Unterschiede im Kaufverhalten zwischen Ländern ausmachen: „Ein Bestseller-Produkt in den USA kann in Deutschland total floppen“, sagt er.

Ausschließlich D2C funktioniert das Waterdrop-Businessmodell dann aber doch nicht: Rund zehn Prozent des Umsatzes entstehen über die 8.000 Drogeriemärkte, in denen die Produkte gelistet sind. Dazu kämen Lieferungen an Unternehmenskunden. Und ein kleiner Teil entfiele auch auf die eigenen Waterdrop-Stores, von denen es mittlerweile 15 Stück weltweit gibt.

Influencer:innen erobern neue Märkte

Aber wo genau kommen die Kund:innen von Waterdrop her? Zwar setzt das Unternehmen mittlerweile auf eine breite Klaviatur aus TV-Werbung, Social Media und Influencer Marketing. Aber die Hauptkanäle für die Neukundenakquise seien ganz klar Instagram und Facebook, so Murray. Rund 400.000 Abonnenten folgen Waterdrop auf Instagram. Bei Facebook kommt die Unternehmensseite auf rund 350.000 Likes.

Der große Reichweitenhebel seien bezahlte Kooperationen mit Influencer:innen, so Murray. Dort sei „von ganz klein bis ganz groß alles dabei.“ Insbesondere bei der Erschließung neuer Märkte, wo die Produkte von Waterdrop noch komplett unbekannt sind, würde Influencer Marketing die entscheidende Rolle spielen. Im Jahr gäbe Waterdrop einen hohen sechsstelligen Betrag für Kooperationen aus.

Feedback von der Community

Waterdrop hat aus der Zeit im Pop-Up-Store gelernt  – und setzt mittlerweile stark auf ein umfassendes Feedback-System. Zu diesem Zweck haben die Österreicher eine rund 150.000 Menschen umfassende Community aufgebaut, die über lokale Facebook-Gruppen organisiert sind. Dort erhalten Mitglieder für ihre Aktivitäten Punkte, beispielsweise bei jedem Kauf oder wenn sie bei Umfragen mitmachen. Im Gegenzug dürfen die Clubmember neue Produkte testen und werden bei begehrten Limited Editions bevorzugt. „Die Community ist das perfekte Auschtausch-Tool“, sagt Murray. Und lohnt sich auch finanziell: Wer Clubmember ist, der kaufe im Schnitt drei bis vier Mal häufiger ein als normale Kund:innen.

Auch Nicht-Mitglieder können die Waterdrop-Produkte bewerten Dafür ist das Kundenbewertungs-Tool Reviews.io im Shop integriert. Dort werden Produktbewertungen in Echtzeit gesammelt und veröffentlicht. Bislang sind über 300.000 Bewertungen zusammengekommen. Daraus, so Murray, hätte sich beispielsweise die Erkenntnis gegeben, dass sich viele Kund:innen eine App wünschen. Also launchte Waterdrop im vergangenen Juli die Waterdrop-Hydration-App, wo User:innen ihr Trinkverhalten reporten können. Laut Analyse-Tool Airnow Data kommt die App aktuell auf 24.600 Downloads.

Die Konkurrenz wird einverleibt

Im Gegensatz zu den USA, wo Pulvergetränke längst im Mainstream angekommen sind, sei die Produktkategorie der „Microdrinks“, wie sich Waterdrop selbst bezeichnet, in Europa noch eine „grüne Wiese“, sagt Murray. Auch deshalb hätten sie vor sechs Monaten einen Flagship-Store in Miami eröffnet. Hierzulande würde Murray sich sogar über mehr Konkurrenz freuen. „Dann wäre die Produktkategorie bekannter und es würden mehr Werbegelder fließen“, sagt er.

Dennoch hat sich Waterdrop eines der potenziellen Konkurrenzunternehmen gerade erst einverleibt, den jungen Wiener Filterhersteller Purgaty. Mit deren Filter-Technik lässt sich verschmutztes Wasser in einer Trinkflasche desinfizieren und wieder trinkbar machen. Die Aromawürfel von Waterdrop sollen zusätzlich für den guten Geschmack sorgen. Schon jetzt sei Waterdrop bereits einer der größten Verkäufer Europas für wiederverwendbare Trinkflaschen, mit der neuen Technologie werden nun aber auch Kund:innen außerhalb der ansonsten jungen, eher weiblichen Zielgruppe angesprochen: Sportler:innen und Outdoor-Fans. Ein cleverer Schritt, um den Platzhirschen der Branche weiter langsam das Wasser abzugraben.

D2CInfluencer MarketingStartup
Florian Heide
Autor*In
Florian Heide

Florian arbeitet seit fast zehn Jahren als Print-Journalist. Angefangen beim Lokalblatt, später als Praktikant und Freelancer für DIE ZEIT und GEO. Seit 2020 ist er Redakteur bei OMR, wo er über Startups, Viraltrends, den Wandel von Social Media Plattformen und neue Technologien berichtet. Er hat nie Bargeld dabei und verbringt die Wochenenden am liebsten weit weg von Technologie in der Natur.

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