Warum digitales Marketing die Welt, wie wir sie kennen, zerstören wird

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Wie neue Werbetechnologien eine Hebelwirkung weit über ihre Branche hinaus ausüben

digitale_welt Digitales Marketing verändert die Welt, indem es viele der bestehenden Strukturen unseres Alltags zerstört. Klingt ein bisschen dick aufgetragen? Abwarten. Ich werde versuchen zu zeigen, wie Entwicklungen und Prozesse aus dem Online Marketing in naher Zukunft andere Branche grundlegend verändern werden.

Philipp Westermeyer

Online Marketing Rockstars Gründer Philipp Westermeyer

Wie immer, wenn es um digitales Marketing geht, könnte man mit Google anfangen. Das wäre nicht neu. Fangen wir stattdessen mit dem Ursprung von digitalem Marketing an: dem Werbe-Banner, wie es noch heute auf fast allen Webseiten erscheint. Banner-Werbung gab es lange vor den Suchmaschinen und Banner sind bis heute die größte Erlösquelle fast aller journalistischen Angebote im Netz. Der Preis für Werbung in Bannern ist selbst auf hochwertigsten Webseiten gering geworden. Tausend-Einblendungen kosten häufig von wenigen Euro bis zu ein paar Cent. Der Preis ist im freien Fall, denn das Angebot an Werbeflächen wächst jeden Tag. Getrieben wird der Angebotszuwachs erstens von Unternehmen die entweder ursprünglich gar nicht beabsichtigt haben Werbeerlöse zu erzielen (eBay, Amazon, Web.de). Oder zweitens von Plattformen, die es mühelos schaffen deutlich höhere Reichweiten zu viel geringeren Kosten aufzubauen als es klassische Medienprodukte je schaffen können (facebook, Twitter, Youtube). Hohe Reichweite zu geringen Kosten ist der erste Schritt zur Marktdominanz.

Aktuell hilft vielen Medienkonzernen im Gespräch mit ihren Anzeigenkunden noch das Argument, dass die Passgenauigkeit des Umfelds und die Abstrahleffekte der journalistischen Marke doch auch etwas wert sein. Das stimmt auch noch. Spätestens aber mit der gerade heranwachsenden Schicht an Unternehmen, die sich über die reine Reichweite legen und diese veredeln, ohne die Reichweite selber zu „besitzen“, werden derartige Argumente problematisch.

Der Wettbewerb um das komplette „Technology Stack“

Alle großen Reichweiten-Beherrscher kaufen sich gerade eine zweite Schicht zu, um ihre Reichweiten über Targeting, Tracking und zusätzliche Daten aufzuwerten. Twitter alleine kaufte MoPub, AdGrok, Trendr, Gnip, TapCommerce und Namo. Apple übernahm Quattro und Topsy. Facebook kaufte Atlas. Google selber erweitert sein sogenanntes „Technology stack“ schon seit vielen Jahren sehr weitsichtig: Doubleclick, Admeld, Admob, Teracent, Adometry und viele andere. Wie effektiv diese zweite Schicht arbeitet lässt sich auch schon erkennen. Hinweise geben z.B. das enorme Umsatzwachstum bei Facebook, die IPOs von Adtech-Firmen wie Criteo, AppNexus, Rubicon Project, TubeMogul und Rocket Fuel oder die Ankündigung von Amazon auch noch schnell mit eigener Technologie ins Werbegeschäft einsteigen zu wollen.

Werbebudgets, die in Richtung dieser international-agierenden Firmen entschwinden, werden letztlich fehlen, um journalistische Medienprodukte, wie wir sie heute in Deutschland kennen, zu finanzieren. Statt Verlagen oder TV-Sendern werden Giganten den Werbemarkt betreten, die im Augenblick eher am Rande stehen. So ist Adobe bereits über passende Akquisitionen (Efficient Frontier, Omniture) ins Marketing eingestiegen und hat begonnen sein „adtech-stack“, also sein Technologie-Puzzle zusammenzubauen. Genauso Salesforce (Buddy Media, Exact Target), Oracle (BlueKai, Responsys, Eloqua) oder IBM (coremetrics, silverpop).

Marketing-Technologien dringen in neue Sphären ein

Branchenvertraute könnten nun einwenden, dass die Börsen-Entwicklung vieler „adtech-Firmen“ derzeit nicht positiv verläuft, doch dies ist eine Momentaufnahme. Der Markt hat die langfristige Perspektive dieser Firmen noch nicht verstanden. Außerdem kommt es sicherlich für viele Beobachter überraschend, dass nun ausgerechnet das nervige Banner bzw. die dahinterliegenden Technologien so zukunftsträchtig sein sollen. Es hilft an dieser Stelle, das Banner einmal als kleinste webtechnologische Einheit zu betrachten, die in der Lage ist Daten aufzusammeln, Resultate auszuspielen und die in der Struktur des Internet seinen Platz auf nahezu allen größeren Websites gefunden hat. Beim „normalen“ Banner wird es nicht bleiben. Die dahinterliegenden Technologien sind heute schon in der Lage in Millisekunden Werbeflächen zu bewerten, Gebotspreise zu errechnen, eine Vielzahl von Daten einzubeziehen, Auktionen abzuwickeln und Werbemotive individualisiert auszuspielen. Fähigkeiten, die sich schon bald in anderen Bereichen als hilfreich erweisen dürften.

Finanz- und Automobil-Strategen: Schaut auf das Banner!

Man kann davon ausgehen, dass Akquisitionen wie die von „nest” durch Google helfen werden, Online Marketing-Technologien in neue Sphären fernab von Bannern zu exportieren. Selbst Startups vor unserer Haustür wie das Hamburger-Unternehmen Kreditech, das auf Basis der ‚digitalen Spuren’ eines Menschen seine Kreditwürdigkeit berechnet, deuten an, dass mit „Marketing-Plattform-Wissen“ der Weg in die Finanzindustrie gut vorstellbar ist. Ähnliche Beispiele gibt es für die Automobilindustrie. In diesen Branchen haben die etablierten Player im Gegensatz zu den allermeisten Medienkonzernen ihre Position der Stärke in der neuen Welt noch nicht verloren. Sie sollten sich aber schleunigst mit den Entwicklungen im Online Marketing beschäftigen. Ansonsten wird es Ihnen bald ähnlich ergehen, wie vielen Verlegern oder Händlern, die Marktstrukturen und Hebelwirkungen im Online Marketing erst jetzt langsam erkennen – zu spät.

Dieser Text erschien zuerst in leicht abgeänderter Fassung beim Themenportal „Xing Spielraum”.

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