Tiktok launcht eine Selbstbuchungs-Plattform für Ads – Das kann sie und so sieht sie aus:

Wir zeigen, wie die Video-App die Werbevermarktung ausbauen will

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Eine Animation aus einem Image-Video von Tiktok (Quelle: maxilla.jp)
Inhalt
  1. Die Anmeldung ist aktuell nur auf Bewerbung möglich
  2. Wie Kampagnen bei Tiktok organisiert sind
  3. 1. Kampagne anlegen und Kampagnenziel auswählen
  4. 2. Budget festlegen
  5. 3. Anzeigengruppe anlegen und Placement festlegen
  6. 4. Targeting
  7. 5. Biet- und Optimierungsmechanik auswählen
  8. 6. Das Creative: Die Anzeige(n) erstellen
  9. 7. Kampagnen über das Dashboard verwalten
  10. Hat Tiktok das Zeug zum Werbeschwergewicht?

Kann sich die Social-Video-App Tiktok als Werbeplattform etablieren? Seit Anfang 2019 experimentiert das chinesische Betreiberunternehmen Bytedance mit der Werbevermarktung von Tiktok; zunächst über ein eigenes Sales-Team und über Agenturen. Nun ist vor wenigen Wochen in einigen Märkten offenbar eine Selbst-Buchungs-Plattform für Tiktok Ads gestartet, nach dem Modell von Google und Facebook. Eigentlich ist das Tool bislang nur auf Einladung nutzbar. OMR zeigt schon jetzt anhand von Screenshots, wie seine Benutzeroberfläche aussieht.

Seit Anfang des Jahres experimentiert Tiktok mit der Werbevermarktung; Ende Januar veröffentlichte der US-Blog Digiday ein Pitchdeck mit dem das Unternehmen bei europäischen Agenturen um Spendings geworben haben soll. Im Februar berichtete dann das Branchenmagazin Adweek über Gerüchte, laut denen Tiktok künftig die Buchung von Werbung mittels Selbstbuchungs-Tool auf Auktionsbasis anbieten will. Im Juni kündigten Bytedance-Mitarbeiter dann gegenüber der Financial Times an, dass das Tool noch in diesem Jahr starten soll. Der Schritt ist wenig erstaunlich: Für die beiden großen Online-Marketing-Giganten Google und Facebook waren vergleichbare Selbstbuchungs-Tools auf Auktionsbasis entscheidend für ihren Aufstieg zu weltweiten Digital-Marketing-Schwergewichten.

Die Anmeldung ist aktuell nur auf Bewerbung möglich

Ein Beispiel für eine Video-App-Install-Ad von Tiktok (Quelle: Tiktok)

Jüngst auf Youtube hochgeladene Videos vermitteln den Eindruck, dass Tiktoks Ad-Plattform mittlerweile in Ländern wie USA, Japan und Indien nutzbar ist. Wer sich aktuell von Deutschland aus auf Ads.Tiktok.com für Tiktoks Selbstbuchungs-Werbe-Tool anmelden möchte, kommt jedoch nicht weit: „Wir akzeptieren aktuell nur Direkt-Werbekunden aus bestimmten Ländern und Regionen. Bitte hinterlassen Sie ihre Kontaktdaten und wir melden uns“, heißt es auf der Seite.

Doch durchstöbert man ein wenig das Netz, stößt man auf Screenshots und Videos, die bereits einen relativ genauen Eindruck davon vermitteln, wie die Nutzungsoberfläche des Tools aussieht, und was mit diesem möglich ist. Alleine im für auch nicht angemeldete Nutzer zugänglichen Hilfebereich der Werbeplattform finden Interessierte viele Informationen über die Funktionsweise der Plattform, inklusive Screenshots. Ein indischer Nutzer hat zudem ein Youtube-Video hochgeladen, indem er einmal den gesamten Kampagnenerstellungensprozess demonstriert. Wir haben alle Informationen zusammengetragen und führen Euch mit Screenshots durch das Tool.

Wie Kampagnen bei Tiktok organisiert sind

Vorweg: Die Architektur der Kampagnen, die Nutzer mit Tiktoks Selbstbuchungs-Tool erstellen können, ist identisch mit der beim Konkurrenten Facebook: Eine Kampagne ist in Anzeigengruppen unterteilt, zu denen sich wiederum jeweils mehrere Anzeigen gehören können. Sowieso erinnert Tiktoks Ad-Plattform in Vielem an Facebook. Beispielsweise zeigt wie bei Facebook auch bei Tiktok während der Kampagnen- und Anzeigenerstellung eine Kompass-artige Grafik immer, ob die aktuell ausgewählte Zielgruppe zu groß, zu klein oder genau richtig ist.

1. Kampagne anlegen und Kampagnenziel auswählen

Wer zum ersten Mal über Tiktoks Tool Werbung schalten möchte, muss natürlich zunächst einmal eine neue Kampagne erstellen. Dabei können die Nutzer aus drei Zielvorgaben auswählen: Traffic für eine App oder eine Website generieren, App Installs generieren, oder Conversions (also Transaktionen). Damit die Conversions messbar werden, müssen die Werbetreibenden zuvor (so wie es Standard im Online Marketing ist) einen Tracking-Pixel von Tiktok auf der eigenen Seite oder in der eigenen App einbinden.

Das ist die Oberfläche des Tiktok Selbstbuchungs-Tools. In der Hauptnavigation des Tools (am oberen Bildschirmrand) können sich die Nutzer durch ihr Dashboard, die Kampagnen, die „Library“ (hier können sie Bilder, Video und Texte speichern und verwalten, die sie bei der Anzeigenerstellungen nutzen wollen) und die Reporting-Optionen klicken. In der Unternavigation (links) können sie sich im Kampagnenreiter durch die drei verschiedenen Kampagnenebenen (Kampagne, Anzeigengruppe, Anzeigen) sowie ihre Bezahlinformationen klicken (Quelle: Dinesh Jangid auf Youtube)

2. Budget festlegen

Nachdem die Nutzer das Kampagnenziel festgelegt haben, müssen sie (immer noch auf Kampagnenebene) das Budget der Kampagne festlegen. Sie können dabei entweder ein Gesamtkampagnenbudget oder ein Tagesbudget angeben. Laut den Angaben im Hilfebereich des Tools muss das Kampagnenbudget bei mindestens 500 US-Dollar pro Tag liegen.

Die Auswahlmöglichkeiten bei der Budgetierung der Kampagne, hier in der Währung indische Rupien (Quelle: Dinesh Jangid)

3. Anzeigengruppe anlegen und Placement festlegen

Im nächsten Schritt müssen die Nutzer auf die Ebene der Anzeigengruppen wechseln und festlegen, in welchem Teil von Bytedances Inventar die Anzeigen laufen sollen. Das Unternehmen bietet hier mehrere Placements an:

  • Tiktok selbst
  • „Newsfeed Apps“: Dazu gehören die sich ebenfalls im Besitz von Bytedance befindenden Topbuzz, Buzzvideo, News Republic und Babe – Viral-Seiten und -Apps in teilweise eher trashiger Anmutung
  • Vigo (ehemals Flipagram): Eine indische App, mit der die Nutzer Montagen aus Fotos und Videos erstellen können und die Anfang 2017 von Bytedance übernommen wurde
  • das Tiktok Audience Network: Vergleichbar mit Facebooks Audience Network will Bytedance hier anderen App-Entwicklern dabei helfen, ihre Apps zu monetarisieren, indem sie von Tiktok verkaufte Werbung in ihre App einbinden. Bytedance erhöht so gleichzeitig die eigene Reichweite. Ende August hatte Adweek erstmals über Tiktoks Audience Network berichtet, nachdem zuvor eine zugehörige Entwicklerdokumentation auf der Website der israelischen App-Monetarisierungs-Plattform Ironsource im Netz aufgetaucht war

Die Nutzer können eigenständig aus verschiedenen Inventaren auswählen, oder es den Tiktok-Betreibern überlassen, wo diese ihre Werbung platzieren (Quelle: Dinesh Jangid)

4. Targeting

Damit die Nutzer ihre Werbung möglichst genau in der richtigen Zielgruppe ausspielen lassen können, bietet Tiktok verschiedene Targeting-Möglichkeiten an.

Eine Übersicht über alle Targeting-Optionen in Tiktoks Selbstbuchungs-Tool (Quelle: Tiktok)

Zu den Optionen gehört zum einen demografisches Targeting nach Land und Region, Geschlecht, Alter (selektierbar in sechs Altersstufen) und Sprache. Hinzu kommt die Möglichkeit des Targetings nach Interessen. Die Nutzer würden, so Tiktok,

abhängig davon, wie sie mit der App und dem Content interagieren (dabei würden Views und Clicks berücksichtigt), in Interessensgruppen wie Eltern, „Beauty & Körperpflege, Reise, Haustiere, Games, Reisen, Sport, Essen & Trinken sowie News & Entertainment eingeteilt. Die Qualität dieser Daten wird wohl für den Erfolg von Tiktoks Werbeplattform entscheidend sein. Facebook ist es über die Jahre gelungen, sehr tiefe Nutzerprofile zu erstellen; die Nutzer von Google sind bereits durch ihre Sucheingaben teilweise sehr genau nach ihrem aktuellen Interesse vorqualifiziert.

Auch bei der Auswahl der Targeting-Optionen erinnert die Nutzeroberfläche von Tiktoks Self-Service-Tool an jene von Facebook (Quelle: Dinesh Jangid)

Außerdem ist es möglich, die Werbeauslieferung abhängig vom Smartphone-Betriebssystem, Verbindungstyp (Wlan, 2G, 3G oder 4G Mobilfunknetze) und dem Netzbetreiber einzuschränken. Hinzu kommt ebenfalls wie bei Facebook die Möglichkeit, verschiedene „Custom Audiences“ zu erstellen, also eigene Kunden- oder Website-Nutzungs-Daten auf Tiktoks Werbeplattform hochzuladen und so diese Kunden innerhalb von Tiktok wiederfinden und ansprechen zu können.

5. Biet- und Optimierungsmechanik auswählen

Im nächsten Schritt müssen die Tiktok-Werbekunden auswählen, auf Basis welcher Metrik sie auf das Werbeinventar bieten und optimieren möchten. Zur Auswahl stehen laut Tiktok-Website CPC (Cost-per-Click), CPM (Cost-per-Mille, entspricht dem deutschen Tausender-Kontakt-Preis, steht jedoch offenbar nicht für Tiktok selbst zur Verfügung) sowie „oCPC“. Hinter letzterem soll nach Unternehmensangaben eine intelligente Optimierungsmethode stehen, bei der die Kunden pro Klick zahlen, aber auf Conversions optimiert und das Gebot entsprechend angepasst wird.

Die Tiktok-Nutzer können auswählen, ob sie ihr Budget so schnell als möglich ausgeben wollen, oder ob sie das Budget über den gesamten voreingestellten Kampagnenzeitraum streuen möchten (Quelle: Tiktok)

6. Das Creative: Die Anzeige(n) erstellen

In Sachen Anzeigenformate bietet Tiktok zwei grundsätzliche Optionen: Bilder-Anzeigen und Video-Anzeigen. Da auf Tiktok und im Tiktok Audience Network jedoch nur Video-Anzeigen auslieferbar sind, dürfte die erste Option für europäische Werbekunden auf absehbare irrelevant bleiben. Auf der Hauptplattform Tiktok werden die Video-Anzeigen im „Für Dich“-Feed auf dem gesamten Bildschirm abgespielt. Sie können fünf bis 60 Sekunden lang sein; Tiktok empfiehlt jedoch eine Länge zwischen 9 und 15 Sekunden.

Auf der untersten Ebene der Kampagnenerstellung können die Nutzer die Anzeige erstellen und dabei zwischen Bild- und Video-Ad wählen (Quelle: Tiktok)

Um es den Werbetreibenden zu erleichtern, Video-Ads zu erstellen, bietet Tiktok laut Unternehmens-Website zwei zusätzliche Funktionen an. Aktiviert der Nutzer die „Automated Creative Optimization“, erstellt das Tool aus dem vorhandenen Material (Videos, Bilder und Texte), das der Nutzer hochlädt, automatisch mehrere Anzeigen-Kombinationen und testet, welche am besten für das jeweilige Kampagnenziel funktioniert. Außerdem gibt es ein „Video Creation Kit“, das für verschiedene Kampagnenziele unterschiedliche Vorlagen bereithält, die von den Nutzern nur noch befüllt werden müssen.

So sehen die Vorlagen in Tiktoks Video Creation Kit aus (Quelle: Tiktok)

7. Kampagnen über das Dashboard verwalten

Haben die Nutzer dann mehrere Kampagnen angelegt, erhalten sie über das Dashboard den Überblick über Ihre Kampagnen: Wie viel Geld haben sie heute bereits ausgegeben? Wie viele Kampagnen, Anzeigengruppen und Anzeigen sind gerade aktiv? Und wie viele Conversions und Impressions haben sie zuletzt generiert?

Das Dashboard von Tiktoks Buchungs-Tool (Quelle: Tiktok)

Hat Tiktok das Zeug zum Werbeschwergewicht?

Welche Chancen hat Tiktok, den weltweiten Werbemarkt für sich zu gewinnen? Die App dürfte über eine große und damit hochrelevante Reichweite verfügen. Offizielle Angaben zur Zahl der monatlich aktiven Nutzer sind bislang keine nach außen gedrungen. Das App-Analyse-Tool Sensor Tower schätzt, dass die App bislang mehr als eine Milliarde mal heruntergeladen worden ist und im vergangenen Jahr mehr Downloads als Instagram verzeichnete. Allerdings ist diese Entwicklung auch von hohen Marketingspendings befeuert. Gerüchten zufolge soll Bytedance im vergangenen Jahr eine Milliarde US-Dollar in Werbung für Tiktok investiert haben.

Ob Tiktoks eigene Werbeplattform erfolgreich sein wird, dürfte von mehreren Faktoren abhängen – zum einen der Zielgruppe. Die ist bei Tiktok relativ jung. Zwar mag es für viele Werbetreibende attraktiv sein, die so schwer erreichbaren Teenager der „Gen Z“ ansprechen zu können. Andererseits sind diese nicht ähnlich wohlhabend wie ältere Nutzer. Hinzu kommt das Umfeld: Kleine bis mittlere Advertiser dürften sich schwer damit tun, Inhalte zu erstellen, mit denen sie im Umfeld der auf Tiktok üblichen Viralvideos bei Nutzern punkten können. Große Marken können dies möglicherweise leisten. Google und Facebook sind jedoch mit dem „Longtail“ groß geworden: den Abertausenden kleiner Werbetreibenden, die über die Selbstbuchungs-Tools bei ihnen Anzeigen kaufen. Letzter entscheidender Faktor ist die Datenqualität: Auch in diesem Punkt ist es (zumindest aktuell) noch schwer vorstellbar, dass Tiktok mit der Datenqualität von Google und Facebook mithalten kann.

Ihr habt bereits Zugriff auf Tiktoks Selbstbuchungs-Tool und möchtet uns von Euren Erfahrungen berichten? Schreibt uns eine Nachricht!

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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