Tijen Onaran: „Ich kann mir noch keinen Mann als Kanzlerin vorstellen.“

Martin Gardt12.5.2021

Die Autorin und Unternehmerin spricht über Frauen in Führungspositionen, Quote und wie sie aus dem Diversity-Thema ein Business baut

Tijen Onaran
Tijen Onaran (Foto: Urban Zintel)

Kaum jemand hat das Thema Gleichberechtigung von Frauen in Führungspositionen – vor allem in der Digitalwirtschaft – in den vergangenen Jahren so gepusht wie Tijen Onaran. Mit Global Digital Women hat sie ein Unternehmen rund um das Thema gegründet, Bücher geschrieben, sich eine Personal Brand aufgebaut, jetzt eine Doku gedreht. Im OMR Podcast kann sie deshalb viel erzählen über Gegenwind – aber auch darüber, wie sie rund um Diversity ein Business macht.

„Mittlerweile ist ein Teil meiner Arbeit, dass ich Geschäftsführerin bei Global Digital Women bin und ein anderer Teil, dass ich über meine Arbeit spreche“, sagt Tijen Onaran im OMR Podcast zu Philipp Westermeyer. Ihr Unternehmen gründet die 36-Jährige 2018 gemeinsam mit ihrem Mann. „Das war eigentlich ein Frauenstammtisch, den ich vor sieben Jahren in Berlin ins Leben gerufen habe.“ Sie beschreibt Global Digital Women als moderne Beratungsfirma: Auf eigenen Events bietet sie Unternehmen aus allen Branchen eine Plattform, um sich für Diversity stark zu machen. Oder sie hilft den Partnern etwa mit Inhouse-Veranstaltungen dabei, für das Thema zu sensibilisieren. „Gott sei dank ist es nicht mehr nur eine ehrenamtliche Aufgabe. Endlich werden Menschen dafür bezahlt, dass sie sich dafür einsetzen“, sagt Onaran.

40.000 Frauen erreiche sie mit Global Digital Women über die Events, Social Media und Newsletter. So habe das Unternehmen eine Community geschaffen, in der die Leute mitfiebern und zu Botschafter:innen der Brand geworden sind. Deshalb sei es für Partnerfirmen auch aus Marketing-Perspektive spannend, mit ihr zusammenzuarbeiten. Während der Pandemie ist das Event-Business jedoch schwieriger geworden. „Wir haben aus der Krise heraus die Idee für den Film entwickelt“, erzählt sie. Die Doku „Yes She Can – Frauen verändern die Welt“ landet bei Amazon Prime und ist weltweit verfügbar – die Community rund um Global Digital Women könnte also nochmal zulegen.

Brand aufbauen, Vorbilder suchen

Tijen Onaran ist mittlerweile aber auch selbst zur Brand geworden und tritt auch in der selbst produzierten Doku auf. „Für mich war es immer wichtig, dass die Leute wissen, wer hinter einem Unternehmen steckt“, sagt sie im Podcast. „Ich habe mir über Jahre diese Sichtbarkeit und das Netzwerk aufgebaut.“ Sie hat mittlerweile zwei Bücher geschrieben, tritt häufig als Speakerin auch außerhalb des Global-Digital-Women-Kosmos auf, schreibt Kommentare für Magazine. Extrem wichtig sei aber Social Media für den Aufbau der Personal Brand gewesen: „Ich habe mit Twitter angefangen, aber ich verstehe das bis heute nicht“. Ihr fehle die Energie, dort in toxische Diskussionen einzusteigen. Viel wichtiger seien heute daher Linkedin und Instagram. „Ich finde Linkedin super, weil ich da genau meine Zielgruppe erreiche“, so Onaran. Auf der Plattform hat sie mittlerweile über 65.000 Follower.

Gemerkt, dass ihre Strategie funktioniert, habe sie, weil sie sich für Auftritte als Speakerin nicht mehr selbst vorschlagen musste – vorher sei sie davor aber auch nicht zurückgeschreckt: „Wenn du dich nicht selber vorschlägst, wer soll dich vorschlagen und entdecken? Ganz viele Gründerinnen und Gründer sind gegenüber dem Eigenbranding immer noch sehr verhalten.“ Wie entscheidend es im Jobleben ist, selbst zu einer Marke zu werden – darüber hat Onaran auch ihr zweites Buch geschrieben. Ein weiterer wichtiger Faktor seien Vorbilder. Angela Merkel habe zumindest bewiesen, dass Frau Kanzlerin kann. Tijen Onaran blicke derzeit jedoch vor allem zu Melinda Gates oder Bumble-Gründerin Whitney Wolfe Herd auf. „Der Trend geht gerade aber zu den Unentdeckten“, sagt Onaran. Deshalb sei sie derzeit auch Fan von Linda Nübling (Gurlz with Curlz) und KI-Expertin Kenza Ait Si Abbou Lyadini – beide tauchen natürlich in Onarans Doku auf.

Der Kampf um die Quote

Aber so viel Frauen auch in sich selbst investieren und von anderen lernen – strukturelle Probleme bleiben. „Die größte Hürde ist Geschlechterparität in den Unternehmen, gerade im Management“, sagt Tijen Onaran. „Jeder CEO, sobald er seinen Vertrag unterschreibt, sollte auch unterschreiben, dass er das Thema Diversity angeht“, fordert sie. Dafür müsste das Thema aber greifbar und messbar gemacht werden. Und das gehe nur über Quoten. „Dass sich Menschen gegen diese Messbarkeit so verwehren, geht mir einfach nicht in den Kopf.“ Langfristig könne Diversity so zu einer echten Unternehmens-KPI werden. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass Firmen aus freien Stücken zu wenig dafür tun. Und das schlägt direkt wieder auf Vorbilder zurück: „Solange du nur einen Typus von Manager da draußen siehst, wie sollen dann junge Mädchen denken, dass sie das schaffen können?“

Das Problem bestehe nicht nur in Konzernen, sondern starte schon in der Startup- und Investoren-Szene. „Warum sind es eigentlich zu 97 Prozent Männer, die Venture-Capital-Firmen gründen?“, frage sie sich schon länger. Ihr Plan: „Ich bin dabei, einen Fonds über 50 Millionen zu raisen, um dezidiert in Gründerinnen zu investieren. Ich mache das nicht, weil ich denke, das ist eine gute Sache. Ich glaube einfach an den Business Case.“ Aber auch beim Einsammeln des Geldes – vor allem Unternehmen sollen investieren – erlebe sie immer wieder Vorurteile: „Da kommen so Sachen wie: ‚Und was ist für mich drin, außer, dass ich in Frauen investiere?'“. Dabei seien frauengeführte Startups laut Onaran langfristig erfolgreicher. 

Was Tijen Onaran zur Aufregung rund um das DHDL-Startup Pinky Gloves sagt, wie sehr Sprache das Thema Diversity beeinflusst und welche Marketing-Ideen in dem Bereich sie zuletzt gut fand, hört Ihr im OMR Podcast.

Unsere Podcast-Partner im Überblick:

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Vor einigen Jahren war Philipp mal „Party-Betrüger des Jahres“ in der Bild-Zeitung. Hätte er mal vorher das Seminar „Shitstorms & Krisenkommunikation“ der Hamburg Media School besucht. Die nächste Ausgabe steigt Anfang Juni. Hier gibt’s alle Infos.

Alle Themen des Podcasts mit Tijen Onaran im Überblick:

  • Wie würde sich Tijen Onaran selbst beschreiben? (03:54)
  • Was ist das Geschäftsmodell von Onarans Unternehmen Global Digital Women (04:44)
  • Gibt es auch Kritik daran, dass sie mit dem Diversity-Thema Geld verdient? (07:05)
  • Was hat Tijen Onaran vor Global Digital Women gemacht? (09:46)
  • Wie hat sie sich gezielt selbst als Marke aufgebaut? (11:09)
  • Wie sie eine Doku zum Thema bei Amazon Prime platziert hat (16:23)
  • Was ist derzeit die größte Hürde für mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern? (18:37)
  • Welche Vorbilder inspirieren Tijen Onaran selbst? (26:28)
  • Welche Frauen aus dem Netzwerk von Global Digital Women werden am häufigsten angefragt? (28:29)
  • Was erwartet sie von der Bundestagswahl? (33:54)
  • Hat Angela Merkel dem Thema Diversity geholfen? (ab 35:50)
  • Sie baut gerade einen VC-Fonds, um Gründerinnen zu unterstützen (38:24)
  • Welche Rolle spielt Sprache bei dem Thema? Was bringt das Gendern? (43:33)
  • Weil die Diskussion oft so emotional geführt wird: Ist ein offener Austausch zu dem Thema überhaupt noch möglich? (46:43)
  • Ihr Blick auf #pinkygate – die Story rund um das DHDL-Startup Pinky Gloves (51:36)
  • Welche Marketing-Ideen haben ihr zur Thematik Gender-Gerechtigkeit zuletzt gefallen? (53:51)
OMR Podcast
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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