Sido im OMR Podcast: Nie wieder ein eigenes Album und stattdessen große Twitch-Karriere?

Torben Lux10.2.2021

Der Rapper über seinen Wert als Marke, das Verhältnis zu Streamer Knossi und seine Präsenz auf Social-Media-Plattformen

Sido OMR Podcast Sven Mandel
Sido beim Autokonzert "CARStival" im Sommer 2020 (Foto: Sven Mandel / Wikipedia / CC BY-SA 4.0)

Genau 20 Jahre ist es her, dass Paul Würdig aka Sido seinen ersten Plattenvertrag beim Label Aggro Berlin unterschreibt. Seitdem hat sich einiges getan: Er trägt keine Maske mehr, seine Songs landen statt auf dem Index in den Charts und aus dem jungen Straßenrapper ist einer der etabliertesten und bekanntesten Künstler des Landes geworden. Wie der Berliner mit Kritik umgeht, den Wert der eigenen Marke einschätzt, weshalb es vielleicht nie wieder ein Sido-Album geben wird und was er jetzt auf Twitch vorhat, hört Ihr im aktuellen OMR Podcast.

„Das hier ist ja kein Interview. Ich sitze ja nackt auf der Couch. Du hoffentlich auch?“, fragt Sido Host Philipp Westermeyer während der Aufnahme für den OMR Podcast. Er gebe sonst schließlich keine Telefon-Interviews – typischer Sido-Humor, der erst nach ein paar Minuten und anfänglichem Abtasten immer mal wieder zum Vorschein kommt. Bis dahin spürt man dann aber doch, dass der Künstler ein eher angespanntes Verhältnis zu Medien hat. 

Paul Würdigs kommerziell erfolgreiche Karriere als Rapper Sido beginnt 2001 mit der Unterschrift beim Label Aggro Berlin. In den Folgejahren prägt er gemeinsam mit den anderen Aggro-Berlin-Signings wie Bushido, Fler und B-Tight die deutsche Hip-Hop- und Musik-Kultur. Die Texte sind härter und das Auftreten aggressiver als das, was Rap-Deutschland bis dahin aus Hamburg oder Stuttgart gekannt hat. Sido selber tritt am Anfang ausschließlich mit einer Totenkopf-Maske in der Öffentlichkeit auf – bis die Webseite sido-ohne-maske.de online ging. „Ich gehe davon aus, dass das Mitschüler waren, die Fotos von mir online gestellt haben. Sonst hatte die keiner“, so Sido heute. „Und dann hatte ich das Gefühl, kurz davor zu sein, von der Gesellschaft demaskiert zu werden und habe es eben selber gemacht.“

Spotify-Erfolg dank riesigem Back-Katalog

Etwa zeitgleich stellt auch Aggro Berlin endgültig die Label-Arbeit ein; geschadet hat ihm beides ganz offensichtlich nicht. Es folgen weitere Solo- und Kollabo-Alben, Kinofilme und TV-Auftritte als Jury-Mitglied in den Casting-Formaten „Popstars“, „X Factor“ und „The Voice of Germany“. Und nicht nur durch seine Fernseh-Präsenz nähert sich Sido einem breiteren Publikum an, auch musikalisch liefert er mit Features mit unter anderem Andreas Bourani, Johannes Oerding oder Adel Tawil einen leichteren Zugang. Die Folge sind nicht nur fast sechs Millionen verkaufte Tonträger, sondern auch jetzt noch über 4,2 Millionen Plays auf Spotify im Monat. Zum Vergleich: Chart-Rekordhalter Capital Bra hat knapp weniger, Bonez MC von der 187 Strassenbande steht aktuell bei 4,1 Millionen Plays. Seine früheren Aggro-Berlin-Kollegen Fler und Bushido kommen auf 1,1 und 1,5 Millionen Plays. 

„Mein Back-Katalog ist nach 20 Jahren einfach riesig“, stellt Sido fest. „Und ich habe Hits gemacht, die zeitlos sind.“ Ob sein anhaltender Erfolg nicht auch mit seinen vielen TV-Auftritten, zum Beispiel bei „The Voice of Germany“ 2019, zu tun haben könnte? „Ich habe mir da natürlich eine neue Zuhörerschaft erschlossen. Die Leute, die noch Fernsehen gucken, hatten mich bis dahin gar nicht richtig auf dem Schirm“, so Sido. „Die kennen mich vielleicht von meinen Skandalen aus der Zeitung, aber mit mir befasst haben sie sich nicht. Da konnten sie das.“ Alleine während seiner Zeit als Jury-Mitglied bei „The Voice of Germany“ habe er etwa 250.000 Abos auf Instagram generiert; insgesamt folgen ihm auf der Plattform heute eine Million Fans. 

Sido nie wieder im TV?

Obwohl sich seine TV-Präsenz also gelohnt hat: Weitere TV-Auftritte oder sogar Jury-Rollen wird man in Zukunft wohl kaum mehr sehen. „Ich gehe nicht mehr ins Fernsehen. Ich will es nicht mehr unterstützen“, sagt Sido. „Leute wie ich, wir halten das ja alle am Leben, indem wir da noch hingehen. Von mir aus kann man das langsam aussterben lassen.“ Nur um Freunde und Kollegen zu unterstützen würde er noch Auftritte annehmen. Wie bei Knossi zum Beispiel, den Sido auf Twitch gesehen hatte, interessant fand und dann einfach kontaktiert hat. „Irgendwann war Knossi dann mal bei mir und wir wollten angeln gehen“, so Sido. Knossi, hier im OMR Podcast, habe dann vorgeschlagen, das einfach mal zu Streamen. „Dann haben wir unsere Teams involviert und daraus ist das Angelcamp entstanden. Eigentlich aus einer Schnapsidee.“

Weil die Schnapsidee mit über 300.000 gleichzeitigen Zuschauern dann direkt einen deutschen Twitch-Rekord gebrochen hatte, war es nur logisch, dass mit dem Horrorcamp und dem Weihnachtscamp nicht weniger erfolgreiche Formate folgten. Und das sollen nicht die letzten Twitch-Auftritte gewesen sein. Aktuell plane er ein Talk-Format und einen eigenen Sender auf Amazons Streaming-Plattform, sagt Sido. „Ich möchte einfach ein Pionier sein. Und jetzt ist genau die richtige Zeit.“ 

Ja zu Clubhouse, nein zu Tiktok

Seinen Pioniergeist hat Sido auch abseits der Camps mit Knossi im vergangenen Jahr immer mal wieder aufblitzen lassen. Er war einer der ersten Künstler, die Alternativen zu Live-Auftritten gesucht und umgesetzt haben. „Ich habe Livestream-Konzerte gespielt, Livestream-Sendungen gemacht. Ich war da und habe die Zeit genutzt, gespielt und war präsent“, sagt er. „Das haben viele meiner Kollegen nicht hinbekommen. Und viele wollten das auch gar nicht.“ Auf alle Plattformen lässt sich dieser Pioniergeist offenbar aber nicht übertragen. Wie er zu Tiktok stehe, möchte Philipp Westermeyer wissen. „Gar nicht. Sehe ich gar nicht“, entgegnet Sido. Und schließt seine Bewertung der Plattform nach einer kurzen Kritik am Begriff „Content Creator“ ab mit: „Das ist Quatsch. Ich finds nicht witzig.“

Die zuletzt so gehypte App Clubhouse trifft da offenbar schon eher den Geschmack des Berliner Rappers. „Das ist eine einfache, kleine Idee, aber das ist genial. Wenn man ein bisschen sucht, findet man plötzlich seine Lieblingsrapper, die sich mit ihren Kumpels unterhalten“, sagt er. Er werde sich aber einen neuen Account anlegen müssen. „Ich bin da leider als Sido drin. Und dann wollen mich alle immer direkt nach oben ins Gespräch ziehen. Ich will aber auch einfach nur zuhören können.“

Eigene Musik und die Arbeit als Labelchef

Ob Sido bei all seinen Aktivitäten und Plänen, die er auf digitalen Plattformen oder seit ein paar Wochen als Label-Chef von Def Jam Germany verfolgt, auch noch dazu kommt, Musik zu machen? Auf jeden Fall komme bald wieder was, so der Rapper. Nur ob es noch ein Sido-Album geben wird, daran scheint er aktuell etwas zu zweifeln. „Ich überlege, ob das überhaupt noch sinnvoll ist. Ich gebe mir wirklich Mühe, aber das wird nicht mehr honoriert. Keiner hört mehr ein ganzes Album. Und das ist Perlen vor die Säue. Dann würde ich eher nur noch Singles bringen.“ 

Über viele Dinge scheint sich Sido ernste Gedanken zu machen. Über Fehltritte und Fehler beispielsweise, sein angespanntes Verhältnis zu Medien und seinen Wert als Personal Brand, den bisher offenbar keine Marke bereit war, zu zahlen. Gleichzeitig scheint ihm vieles auch egal zu sein und er macht dann einfach, worauf er Lust hat. Zur Zeit laufe sein Scheidungsverfahren mit seiner Noch-Ehefrau Charlotte Würdig, es gebe keinen Ehevertrag. Was er machen würde, wenn er auf einen Schlag all sein Geld verliert? „Wenn man morgen alles nimmt von mir, bin ich nächste Woche wieder Millionär. Nicht mein Konto macht mich reich, sondern der Name.“ Am Ende beschreibt ein Satz vielleicht am besten, wie Sido über Dinge denkt: „Ich kann mich nach hinten lehnen mit einer Hand an den Eiern und dit läuft alles schon.“

Was ein geklautes Auto und eine Wahrsagerin in Bulgarien mit seiner Karriere zu tun haben, was es mit seinem Investment in das Startup „Easy Meal“ auf sich hat, für welche Schlagersängerin er schon Texte geschrieben hat und wie viel eine Marke ihm für eine Kooperation zahlen müsste, hört Ihr im aktuellen OMR Podcast. 

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Alle Themen des Podcasts mit Sido im Überblick:

  • Über Sidos Legenden-Status, 20 Jahre im Rap-Game und die Frage, wer eigentlich genau seine Zielgruppe ist (ab 02:20)
  • Wie hat es Sido geschafft, als Künstler zwei Jahrzehnte lang relevant zu bleiben? Und wie lange will er diesen Status noch aufrecht erhalten? (ab 04:50)
  • Woran liegt es, dass Sido auch heute noch mehr monatliche Spotify-Plays hat als beispielsweise Capital Bra und Bonez MC (ab 05:25)
  • Deshalb ist Sido seit der Corona-Pandemie deutlich präsenter als viele andere Künstler (ab 04:45)
  • Wie viel Strategie steckt hinter seinen Entscheidungen, beispielsweise Features mit Pop-Künstlern zu veröffentlichen? (ab 08:05)
  • Warum hat Sido seine öffentliche Karriere mit einer Maske begonnen? Und weshalb trägt er sie heute nicht mehr? (ab 09:25)
  • Was ist laut Sido sein Erfolgsgeheimnis? (ab 12:20)
  • Während Capital Bra Millionen Pizzen verkauft und Bonez MC und RAF Camora selbsternannte Vodka-Millionäre sind, hält sich Sido sich mit Promo für eigene Produkte sehr zurück. Warum? (ab 13:40)
  • In diese Startups hat Sido investiert und deshalb spricht er nicht viel darüber (ab 16:30)
  • So kam es zu den verschiedenen Live-Stream-Camps mit Knossi & Co. (ab 21:25)
  • Wie haben sich Knossi und Sido kennengelernt? (ab 22:50)
  • Deshalb will Sido schon bald einen eigenen Twitch-Kanal starten (ab 24:40)
  • Auf welchen Plattformen ist Sido als Konsument am meisten unterwegs? (ab 27:40)
  • Wie steht Sido zu Knossis jetzt in Erfüllung gegangenem Traum einer eigenen TV-Show? Und wie steht er insgesamt zum Fernsehen? (ab 29:00)
  • So denkt Sido heute über seinen Jury-Platz bei der Casting-Show „The Voice of Germany“ (ab 30:30)
  • Was hält Sido vom aktuellen Clubhouse-Hype? (ab 32:20)
  • So denkt er über Youtube und Tiktok (ab 34:40)
  • Sagt Sido viele Anfragen von Marken ab? (ab 37:30)
  • Deshalb wird es vielleicht nie wieder ein Sido-Album geben (ab 39:00)
  • Das steckt hinter dem erneuten Start von Def Jam Germany (ab 40:00)
  • Wie Sido einmal zum Songwriter für einen Schlager-Star wurde (ab 42:45)
  • So wurde der Hamburger Rapper Bozza zum ersten Signing von Def Jam Germany (ab 44:00)
  • „Das ist deutscher Hip Hop“ – So beschreibt Sido die Branche (ab 45:20)
  • Sido und sein schwieriges Verhältnis zu klassischen Medien (ab 46:30)
  • Wie sieht Sidos persönlicher Fünfjahresplan aus? (ab 48:55)
  • Hat Sido Vorbilder? (ab 52:15)
  • Sind verkaufte Tour-Tickets als Erfolgs-Währung heute wichtiger als Chart-Platzierungen? (ab 54:30)
  • Wie geht Sido mit Kritik um? (58:00)

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Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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