Porno Marketing: Dieser dänische Politiker wirbt dort um Wähler, wo sie sind – auf Pornhub

Joachim B. Olsen folgt anderen "seriösen Advertisern" auf Porno-Plattformen

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Joachim B. Olsen (Foto: Facebook)
Inhalt
  1. Wirkliche Kampagne oder PR-Coup?
  2. Drei Milliarden Impressions pro Tag
  3. „Günstiger als Google und Facebook“
  4. Die Benchmark: Eat24
  5. Diesel folgt den Lieferdienst-Startups
  6. Contest soll weitere Advertiser überzeugen

„Ja, ich bin der, der da auf Pornhub ist“, schreibt Joachim B. Olsen vor wenigen Tagen auf Facebook. Doch der dänische Politiker taucht nicht etwa als Akteur in einem der Videos auf der Plattform auf, sondern wirbt dort mit einem Banner um Wähler. Er ist nicht der erste, der diesen Schritt geht. Andere Politiker und seriöse Marken der Mitte haben in den vergangenen Jahren das Schalten von Werbung auf Erwachsenen-Websites für sich entdeckt. OMR fasst die Entwicklung zusammen, erklärt die Hintergründe und zeigt die originellsten Werbemittel.

Der Banner, mit dem Joachim Olsen auf Pornhub geworben haben soll (Screenshot: BT.dk)

„Wenn Du fertig bist mit rumspielen, stimm für Jokke“, so lautet grob übersetzt der Slogan auf dem Werbemittel, das Joachim B. Olsen auf Pornhub geschaltet haben soll. Der Politiker bestätigte vor einigen Tagen auf seiner Facebook-Seite einen Bericht der dänischen Boulevardzeitung BT. „Jokke“ ist laut der wie üblich wohl informierten New York Times sowohl die dänische Kurzform von Joachim, als auch ein umgangssprachlicher Ausdruck für Onanieren.

Wirkliche Kampagne oder PR-Coup?

Olsen, ein ehemaliger Kugelstoßer, der 2004 bei den Olympischen Spielen in Athen in seiner Sportart die Silbermedaille gewann, ist heute Mitglied der dänischen liberalen Partei und sitzt im dänischen Parlament. Das wird am 6. Juni neu gewählt; entsprechend will der Politiker um Wählerstimmen werben. „Die Hälfte des Internets besteht aus Pornos. Da sind nun einfach mal die Leute, und deswegen dachte ich, es wäre doch lustig, wenn ich eine Anzeige auf Pornhub schalte“, so Olsen gegenüber BT.

Umgerechnet 450 US-Dollar Budget habe er in die Kampagne investiert, erklärte der 41-Jährige gegenüber der New York Times. Wie viele Impressions und Clicks er damit generiert hat, ist unbekannt. Ob Olsen die Medienberichterstattung möglicherweise selbst lanciert hat, und es ihm weniger um die Werbung auf der Plattform selbst als um den daraus resultierenden PR-Effekt ging, ist von außen nicht nachvollziehbar. Auffällig ist, dass unter der URL, die der Politiker auf Facebook als die seiner Website angibt, aktuell keine Seite abrufbar ist. Wo also sollte die Landingpage seiner Kampagne gehostet gewesen sein? Unbestritten ist in jedem Fall, dass Olsens Aktion aktuell weltweit durch die Presse geht.

Ein Banner der österreichischen Piraten auf Youporn im Jahr 2015 (Quelle: Kurier.at)

Drei Milliarden Impressions pro Tag

Ein Werbemittel von „Die Kooperative“ aus dem Jahr 2017 (Quelle: Horizont.de)

Es ist nicht das erste Mal, dass Wahlwerbung auf Porno-Seiten für Wirbel sorgt. Die österreichische Piratenpartei hat einem Bericht von Kurier.at zufolge schon 2015 auf Youporn geworben. Im Jahr 2017 versuchte die Frankfurter Werbeagentur „Die Kooperative“ angeblich, mit Werbung auf Porno-Plattformen Wähler zu mobilisieren, um den Stimmanteil von rechten Parteien wie der AfD zu senken. Und im Jahr 2018 schaltete sogar ein US-Kongresskandidat Werbung auf Pornhub: Benjamin Thomas Wolf warb auf der Plattform mit der Forderung nach der Legalisierung von Marihuana um Wähler. Wenig später wurden jedoch Anschuldigungen gegen ihn wegen sexueller Belästigung und körperlichen Mißbrauchs bekannt und letzten Endes verlor Wolf die Wahl.

Häufig sind die genannten Kampagnen auf Websites aus dem Mindgeek-Imperium gelaufen, zu dem u.a. die Seiten Pornhub, Youporn, Redtube und XHamster gehören. Vermarktet werden die Seiten von dem ebenfalls zu Mindgeek (ehemals Manwin) gehörenden Werbenetzwerk Traffic Junky, das über ein enormes Traffic-Volumen und damit auch Werbe-Inventar verfügt. Laut eigenen Angaben verzeichnet das Netzwerk 150 Millionen Nutzer und drei Milliarden Seitenabrufe – wohlgemerkt täglich.

„Günstiger als Google und Facebook“

Werbetreibende, die mit diesem Umfeld leben können, sollen dort angeblich deutlich günstiger Werbeplätze einkaufen können, als bei den großen Marktführern der digitalen Werbung. „Sorry Facebook und Co., aber hier gibt’s tatsächlich für 100 Euro noch knapp 1 Million Impressionen und durchaus auch einige Klicks“, so die Agentur „Die Kooperative“ im Jahr 2017 gegenüber Horizont. Weitere große Player im Bereich Porno Advertising sind beispielsweise Exoclick mit Sitz in Barcelona sowie die Hamburger iVenturegroup.

Ein Banner, den Eat24 im Jahr 2013 im Netzwerk von Traffic Junky hat ausspielen lassen (Quelle: Eat24)

Schon seit einigen Jahren schalten neben politischen Akteuren sowie natürlich kostenpflichtigen Porno-Seiten auch einige Marken Werbung auf Websites aus dem „Erwachsenen-Bereich“. Als erstes Unternehmen bestätigte das Unterwäsche-Startup Me Undies im Juni 2013 eine Kampagne auf der Porno-Seite Paintbottle (letztere ist mittlerweile offline).

Die Benchmark: Eat24

Noch mehr Aufmerksamkeit erhielt wenige Monate später der US-Esslieferdienst Eat24 (im Jahr 2017 von Yelp an Grubhub verkauft), der seine Porno-Kampagnen und deren Ergebnisse in einem Blog-Eintrag liebevoll dokumentiert hat. Das Fazit: Das Startup habe mit der Maßnahme die gleichen Ergebnisse erzielen können „wie bei den großen Jungs“ – zu 90 Prozent niedrigeren Kosten. Die humorvollen Creatives sowie die aufschlußreiche Auswertung und Aufbereitung war auf jeden Fall ein zusätzlicher Content-Marketing-Coup, der in der Online-Marketing-Branche viel Aufmerksamkeit erhielt.

Ein Creative von Eat24 im Umfeld (Quelle: Eat24)

Es folgte eine ganze Welle von Kampagnen mehr oder minder seriöser Advertiser auf Porno-Websites: Für den US-Kinofilm „Don Jon“ (in dem Joseph Gordon-Levitt einen Porno-Süchtigen spielt, der sich in Scarlett Johannson verliebt) schaltete der Vertrieb Relativity Media im Oktober 2013 ebenfalls Anzeigen auf Pornhub. Im Jahr 2014 tat das deutsche Rasierklingen-Startup Mornin‘ Glory es dem US-Vorbild Eat24 gleich und testete mit mehr oder minder humorigen Creatives Werbung auf Porno-Websites.

Ein Werbemittel von Mornin‘ Glory im Umfeld (Screenshot aus dem Jahr 2015)

Diesel folgt den Lieferdienst-Startups

Ebenfalls im Jahr 2015 dokumentierte der indische Lieferdienst Zomato seine Marketingkampagnen auf Porno-Websites in einem Blog-Artikel und zog darin ein positives Fazit: „Es hat sich herausgestellt, dass Werbung auf Pornoseiten eine tolle Idee ist, wenn Dich denn lächerlich niedrige CPCs anmachen.“

Werbemittel, die Zomato angeblich auf Porno-Seiten geschaltet hat (Quelle: Zomato)

Mit Diesel kündigte im Janur 2016 erstmals eine Upscale-Fashionmarke Werbung auf Seiten wie Pornhub und Youporn und innerhalb von Casual-Dating-Apps wie Tinder und Grindr an. Wenige Monate später zog die italienische Modemarke wie die Vorgänger ein positives Fazit und sprach gegenüber dem US-Magazin Dazed davon, „31 Prozent Wachstum“ generiert zu haben – ohne allerdings zu spezifizieren, ob sich diese Angabe auf Impressions, Clicks oder gar Sales bezieht.

Ein Diesel-Banner im Umfeld (Quelle: Haaretz.com)

Contest soll weitere Advertiser überzeugen

Um noch mehr Werbetreibende dazu zu verführen, auf den von Traffic Junky vermarkteten Websites Werbung zu schalten, veranstaltete das Unternehmen im Sommer 2016 einen Wettbewerb, in dessen Rahmen sich Advertiser mit kreativen Kampagnenkonzepten bewerben sollten. Der Gewinn: Mediabudget auf den Seiten Pornhub und Redtube im angeblichen Gegenwert von 100.000 US-Dollar. Wer den Preis davon tragen konnte, ist unbekannt.

Ein „Devour“-Banner auf der mobilen Version von Pornhub (Quelle: WSJ.com)

Im Janar 2019 ist „Porno Advertising“ durch Mainstream-Marken vielleicht endgültig im Mainstream angekommen : Für die TK-Nahrungsmittelmarke Devour („Verschlingen“) buchte der Konzern Kraft Heinz Co. laut Wall Street Journal im Vorfeld des Super Bowls großformatige Werbeflächen auf Pornhub. „See hot food porn now“, so einer der Slogans, die im Rahmen der eintägigen Aktivierung verwendet worden seien.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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