Perfect Diary: Ist dieses Beauty-Startup aus China bald größer als L’Oréal?

Gastautor23.7.2021

800 Millionen Dollar Umsatz vier Jahre nach Gründung – das Playbook von Perfect Diary

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Quelle: Perfect Diary / Yatsen
Inhalt
  1. Brands aus China streben nach Europa
  2. Social first, Mobile only
  3. Eine der wertvollsten Kosmetikfirmen
  4. Die Erfolgsfaktoren
  5. Mit DTC zu mehr Daten und höheren Margen
  6. Perfect Diarys Marketing-Strategie
  7. Ausblick: Die Zukunft von Perfect Diary
  8. Das Shein der Beauty-Branche?

David Huang, Gründer der chinesischen Beauty Brand Perfect Diary hat ein unbescheidenes Ziel: Er will nicht weniger als das nächste L’Oréal bauen. Auf dem Weg dorthin ist die Yatsen Holding – sein Kosmetik-Imperium, dessen Flagship-Marke Perfect Diary ist – schon deutlich weiter, als man es von einem Startup erwarten würde, das überhaupt erst 2017 gegründet wurde. In seinem Gastbeitrag für OMR analysiert der Digital-Experte und -Berater Teo Pham die Strategie hinter dem rasanten Wachstum von Perfect Diary, verrät, ob dessen Marketing-Ansatz auf den deutschen Markt übersetzbar ist und gibt seine Einschätzung, ob der chinesische Newcomer tatsächlich die westlichen Platzhirsche vom Beauty-Thron stoßen wird.

Brands aus China streben nach Europa

Chinesische Marken mögen in Europa (bislang) keine dominierende Rolle spielen. Trotzdem macht es aus meiner Sicht immer Sinn, zu analysieren, welche Marketing-Strategien sie anwenden und wie sie (chinesische) Plattformen nutzen. Denn was Social Media, Influencer Marketing und E-Commerce betrifft, sind chinesische Unternehmen westlichen Herstellern oftmals um Jahre voraus.

Längst gibt es zudem erste Beispiele, die zeigen, dass chinesische Brands das Potenzial haben, mit ihren Strategien auch „den Westen“ zu erobern. Bestes Beispiel: der Fast-Fashion-Anbieter Shein (hier im OMR-Porträt). Die Marke ist jetzt schon größer als H&M und wird demnächst wohl Zara überholen. Der Grund: Das Unternehmen hinter Shein ist extrem gut darin, Trends schnell zu erkennen und bei der Generation Z durch exzellentes Influencer Marketing und starken Fokus auf Tiktok zu punkten.

Social first, Mobile only

In China gilt: Mobile first, wenn nicht sogar Mobile only. Darum beherrschen die Unternehmen das Marketing auf Social-Plattformen außergewöhnlich gut – und können dies ebenso gut auf Auslandsmärkte übertragen, wie das Beispiel Shein zeigt. Ein anderes überragendes Beispiel für die wahrscheinlich erfolgreichste Expansion aller Zeiten ist die Firma Bytedance mit Tiktok.

Screenshot der chinesischen Website von Perfect Diary mit Markenbotschafterin Xun Zhuo

Screenshot der chinesischen Website von Perfect Diary mit Markenbotschafterin Xun Zhuo

Schauen wir uns aber nun das Unternehmen an, das den nächsten Case liefern könnte: Die Yatsen Holding mit ihrer wichtigsten Marke Perfect Diary. Obwohl das 2017 vom Harvard-Business-School-Absolventen David Huang gegründete Unternehmen noch sehr jung ist, ist Perfect Diary eine der populärsten Beauty Brands in China. In punkto Beliebtheit rangiert Perfect Diary sogar schon direkt hinter Marken aus dem Universum des Louis-Vuitton-Mutterkonzerns LVMH und denen von L’Oréal.

Eine der wertvollsten Kosmetikfirmen

Der kometenhafte Aufstieg einer so jungen Firma, die bereits mit alteingesessenen Kosmetik-Giganten mithalten kann, zeigt auch einen weiteren Trend in China: Lokale Marken können sich auch deswegen so schnell etablieren, weil sie einerseits die Bedürfnisse der heimischen Konsumenten noch besser erfüllen und diese andererseits aus einem gewissen Patriotismus heraus die nationalen Marken unterstützen.

Der Erfolg auf dem Heimatmarkt schafft die Grundlage für eine internationale Expansion. Yatsen, der Mutterkonzern von Perfect Diary, ging im Herbst 2020 an die Börse und erreichte zwischenzeitlich einen Wert von 16 Milliarden US-Dollar. Momentan hat das Unternehmen ein kleines Tief und ist „nur“ 5 Milliarden wert – trotzdem ist es eines der wertvollsten und am schnellsten wachsenden Kosmetikunternehmen der Welt. Zum Vergleich: Kylie Cosmetics, über das so viel gesprochen wird, ist gerade mal eine Milliarde wert.

Die Erfolgsfaktoren

Was ist das Erfolgsgeheimnis von Perfect Diary? Zum einen ein klarer Fokus auf die Generation Z – und da gezielt auf Frauen zwischen 18 und 25 Jahren. Das bedeutet einerseits, dass es eine ganz klare, auf diese Zielgruppe zugeschnittene Produktpalette gibt. Zudem sind die Produkte – wie bei Shein – relativ günstig. Auch beim Branding, Packaging und Marketing geht Perfect Diary fokussiert auf diese Gruppe ein.

Perfect Diary greift sehr schnell neue Produkt-Trends auf und hat monatlich neue Produkt-Launches. Hintergrund ist hier – ähnlich wie bei Shein – eine weitgehende Automatisierung der Prozesse zur Identifikation von Kundenbedürfnissen und kommenden Trends. Neulich verriet Firmengründer David Huang in einem Interview, dass sein IT-Team zwischen 300 und 400 Leute umfasse, und dass bei Yatsen zwischen 1,2 und 1,3 Milliarden Datenpunkte täglich erfasst und ausgewertet würden. 

Mit DTC zu mehr Daten und höheren Margen

Das Unternehmen arbeitet mit verschiedenen Lieferanten zusammen, darunter auch die, die die großen Brands L’Oréal und Co. beliefern. So kann Perfect Diary seinen eigenen Stil entwickeln, aber die gleiche Produktionsinfrastruktur wie die großen Player nutzen. Da die Chinesen jedoch schneller sind, neue Trends aus Social Media zu analysieren und in neue Kollektionen umzusetzen – und zudem auch noch näher an den Produktionsstätten – haben sie einen Wettbewerbsvorteil.

Weiterhin legt Perfect Diary den Fokus auf Direct-to-Consumer (DTC). Das heißt, die Brand verkauft primär über ihre Webseite direkt an den Endkunden, ähnlich wie auch die US-Beautymarke Glossier. Obwohl es mittlerweile mehr als 200 Stores gibt, erwirtschaftet Perfect Diary 90 Prozent des Umsatzes digital.

Auch wenn der physische Retail beim Umsatz von Perfect Diary bislang nur eine geringe Rolle spielt, ist das Tempo der Expansion der Marke auch hier beeindruckend: Von der Eröffnung des ersten Geschäfts bis zum 200. Store vergingen gerade einmal 20 Monate

Auch wenn der physische Retail beim Umsatz von Perfect Diary bislang nur eine geringe Rolle spielt, ist das Tempo der Expansion der Marke auch hier beeindruckend: Von der Eröffnung des ersten Geschäfts bis zum 200. Store vergingen gerade einmal 20 Monate. Quelle: Yatsun

Das hat verschiedene Vorteile: wertvolle Kundendaten und höhere Margen, da es keine Mittelsmänner wie Kosmetikhändler oder Drogeriemärkte gibt. Durch diese DTC-Strategie, die für Kosmetikprodukte eher untypisch ist, weil zumindest die westliche Kundschaft das Kaufen von Kosmetika in Drogerien gewohnt ist, kann Perfect Diary am Markt günstigere Endpreise für den Kunden anbieten. Das ist natürlich vor allem für die jüngere Zielgruppe besonders attraktiv.

Perfect Diarys Marketing-Strategie

Eine entscheidende Rolle im DTC-Playbook von Perfect Diary spielen soziale Medien sowie Social-Shopping-Plattformen. Die Brand setzt auf Douyin, das chinesische TikTok, sowie RED (Xiaohongshu), eine Mischung aus Pinterest und Instagram, wo es ganz normal ist, dass User Produkte reviewen und verlinken. Wir sprechen hier weder von Influencer Marketing noch von Schleichwerbung – die Plattform ist originär dazu gedacht, dass User Produkte empfehlen. Außerdem animiert Perfect Diary seine Kund:innen dazu, geschlossenen Wechat-Gruppen mit maximal 500 Teilnehmern beizutreten. Dort tauschen sich die User über die Produkte aus und bilden eine starke Community. Allerdings bedeutet das, dass Perfect Diary hunderte solcher Gruppen moderieren muss.

Zusätzlich ist Perfect Diary – genau so wie Shein – extrem gut darin, mit Influencern (in China bekannt als KOLs = Key Opinion Leaders) zusammenzuarbeiten. Auf der einen Seite arbeitet die Brand mit bei der Gen-Z extrem populären Schauspieler:innen und Sänger:innen zusammen wie dem 20-jährigen Liu Yu oder der 22-jährigen Zhao Lusi, die Perfect Diary als „Jugend-Markenbotschafterin“ bezeichnet. Zugleich spielen aber auch kleine Micro-oder sogar Nano-Influencer:innen eine wichtige Rolle.

Wenn wir in Deutschland an Influencer-Kooperationen denken, denken wir an die Zusammenarbeit mit einer Handvoll eher größerer Creator. Perfect Diary hingegen kooperiert mit mehr als 10.000 Influencer:innen. Ein solches Influencer-Netzwerk zu managen, ist eine große Herausforderung. Die meisten westlichen Companies sind schon damit überfordert, eine Handvoll Influencer-Kooperationen auf die Beine zu stellen. Die Zusammenarbeit mit 10.000 Influencer:innen erfolgreich zu skalieren ist erheblich komplexer. Gelingt dies jedoch, kann eine Firma sehr günstig eine enorme Reichweite aufbauen.

Wie in China setzt Perfect Diary auch in weiteren asiatischen Märkten auf Influencer-Marketing

Für den Abverkauf wichtig sind außerdem Live-Shopping-Streams, bei denen bekannte KOLs die Produkte präsentieren, sowie Promotions im Rahmen der großen Shopping-Festivals auf Plattformen wie JD und TMall.

Ausblick: Die Zukunft von Perfect Diary

Perfect Diary expandiert mittlerweile ins Ausland – der erste Schritt geht nach Südostasien. Aber ich habe gesehen, dass es neben der chinesischen Seite mittlerweile auch internationale Websites und Stores mit einer Benutzeroberfläche auf Englisch, Deutsch, Französisch und Italienisch gibt. Noch besteht dort allerdings keine Möglichkeit, die in den Warenkorb gelegten Produkte auch nach Europa schicken zu lassen.

Screenshot der internationalen Website von Perfect Diary. Deren Text wird offenbar automatisch übersetzt. In den Warenkorb gelegte Artikel können bislang allerdings nur in ausgewählte asiatische Länder verschickt werden.

Screenshot der internationalen Website von Perfect Diary. Deren Text wird offenbar automatisch übersetzt. In den Warenkorb gelegte Artikel können bislang allerdings nur in ausgewählte asiatische Länder verschickt werden.

Mein Fazit und meine Prediction: Wir haben bei Shein bereits gesehen, dass ein chinesisches Playbook extrem gut auf den Westen übertragen werden kann. Shein ist jetzt schon in den USA und Europa eine der beliebtesten Brands bei der Generation Z. Die Frage ist: Kann Perfect Diary das Shein für Beauty werden? Ich glaube die Chancen dafür stehen gar nicht so schlecht.

Denn wie der Fashion-Retailer Shein macht auch die Beauty Brand einiges sehr gut: klarer Fokus auf die Generation Z, schnelles Aufgreifen von Produkt-Trends, schnelles Sourcing und schnelle Produktion, extrem gutes Marketing über Instagram und TikTok und vor allem Tausende von Influencer-Kooperationen.

Ob es am Ende reichen wird, an L’Oréal vorbeizuziehen? Der französische Konzern ist ist immerhin fast 200 Milliarden Dollar wert, also noch deutlich wertvoller als das chinesische Startup. Andererseits macht das mittlerweile 800 Millionen US-Dollar Umsatz und wächst scheinbar unaufhaltsam. Im jüngsten Quartalsbericht wies Yatsen ein Umsatzswachstum von 47 Prozent im Jahresvergleich aus.  

Das Shein der Beauty-Branche?

Die Zeichen stehen bei Perfect Diary und dem Mutterkonzern klar auf Expansion. Die Chinesen sind sehr umtriebig, launchen ständig neue Produktlinien und Brands wie die preiswerte Marke Pink Bear. Zudem kauft Yatsen westliche Luxus-Brands wie Galénic und Eve Lom auf. Mit Blick auf die Flagship-Marke Perfect Diary dürfte die Verlockung groß sein, mittelfristig den Sprung Richtung Westen zu wagen. Shein hat es erfolgreich im Fashion-Sektor vorgemacht. 

Dass die spezifischen Besonderheiten der Kosmetikbranche – so müssen Produkte etwa an andere Hauttöne angepasst werden – kein Hinderungsgrund sind, hat Perfect Diary bereits beweisen. Die Marke ist auch in Malaysia, Vietnam und auf den Philippinen sehr erfolgreich. Für ein an extreme Skalierung gewöhntes Unternehmen wie Yatsen liegt es also nahe, beständig neue Märkte in den Blick zu nehmen. Warum also nicht Europa und die USA? Und das entsprechende Playbook haben sie bei Perfekt Diary auf jeden Fall schon in der Schublade. 

Dr. Teo Pham ist Experte und Keynotespeaker für Digitale Geschäftsmodelle, E-Commerce, Online Marketing und Social Media. Dabei interessiert er sich vor allem für die Generation Z, China und das Silicon Valley. Er ist Gründer der Delta School, einer Online Business School für digitales Marketing, Host des „Trends“-Podcasts und wurde als „Linkedin Top Voice“ als eine der wichtigsten Stimmen auf der Plattform ausgezeichnet.

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