Gratis-Aktien als Marketinghebel: Wie der Neo-Broker Bux Zehntausende Kunden gewonnen hat

So nutzt die Trading-App aus den Niederlanden ein Referral-System als Growth Hack

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Inhalt
  1. Wer steht hinter der App Bux Zero?
  2. Mittels FOMO und Gratisaktien zu sechsstelligen Downloads
  3. Was kostet Bux ein neuer Kunde?
  4. Die Zielgruppe von Neo-Brokern

Neo-Broker, also Apps, mit denen jedermann teilweise ohne Extrakosten mit Aktien handeln kann, erleben einen regelrechten Hype. Angebote wie Robinhood, Scalable Capital und Trade Republic scheinen dabei von der Corona-Krise zu profitieren. Erst seit Juni in Deutschland verfügbar ist die niederländische App Bux Zero. Dank eines aggressiven Referral-Systems, das Gratis-Aktien verspricht, will das Unternehmen innerhalb von zwei Monaten mehrere Tausend Kunden gewonnen haben. Finance Forward und OMR haben mit einem der Bux-Gründer gesprochen – und festgestellt, dass das Startup Kunden deutlich günstiger einzukaufen scheint, als der Wettbewerb.

Für ein Gratis-Produkt tun Menschen Vieles. Wenn sie sich zum Beispiel entscheiden müssen, ob sie einen Amazon-Gutschein im Wert von zehn US-Dollar geschenkt bekommen oder aber für sieben Dollar einen 20-Dollar-Gutschein kaufen, wählen sie oft die Gratis-Variante. Zu dem Schluss kam unter anderem der Verhaltensökonom Dan Ariely. Menschen nehmen eher die Schokolade, die sie nicht so gerne mögen oder stellen sich in einer langen Schlange an, um eine Kugel Eis umsonst zu bekommen. Alles, weil sie nichts bezahlen müssen.

Genau an diesem menschlichen Verhalten setzt auch eine Marketing-Kampagne von Bux an, mit der das Unternehmen in den vergangenen Monaten aggressiv am deutschen Markt gestartet ist. Mit der App aus Amsterdam können die hauptsächlich jungen Nutzer mit Aktien, ETFs & Co. handeln. Der Marketing-Trick zum Deutschland-Launch vor einigen Wochen: Empfiehlt ein Nutzer die App weiter, erhalten der neue Bux-Kunde und der Werbende selber eine zufällig ausgewählte Aktie geschenkt. Im Wert von „bis zu 200 Euro“, so das Werbeversprechen des Startups. Klassische Referral-Marketing-Funktionsweisen also. Nur, dass in diesem Fall der Faktor Zufall und ein Glücksspiel-Mechanismus hinzukommen. Welche Aktien können User gewinnen? Und kann sich eine solche Aktion für das Unternehmen rechnen?

Wer steht hinter der App Bux Zero?

Schon seit einigen Jahren ist das 2014 in den Niederlanden gegründete Unternehmen Bux mit einer Trading-App auch in Deutschland aktiv. Die richtig steile Wachstumskurve blieb allerdings erst einmal aus, wie Schätzungen des App-Analyse-Tools Priori Data zeigen. Anfang des Jahres drängte das Fintech, das unter anderem vom prominenten Wagniskapitalgeber Holtzbrinck Ventures finanziert wird und in sieben Runden bisher rund 35 Millionen US-Dollar eingesammelt hat, dann mit einem neuen Produkt in den Markt. Mit Bux Zero kann man ohne hohe Gebühren Aktien handeln. Für einen Trade zahlen die Nutzer einen Euro, wenn er sofort ausgeführt werden soll. Bux tritt damit in Konkurrenz zu den neuen, sogenannten Neo-Brokern wie Trade Republic und Scalable Capital (kürzlich war der Gründer Erik Podzuweit im OMR Podcast zu Gast).

Während es zu den anderen Playern viele Schlagzeilen gab, ging eine Nachricht zu Bux fast unter: Zwei Monate nach dem Deutschland-Start vermeldete das Startup 100.000 deutsche Kunden für seine verschiedenen Apps. Die Marketing-Aktion trieb das Kundenwachstum massiv. Zwei Drittel der neuen Kunden seien direkt oder über das Empfehlungsprogramm gekommen, sagt Bux-Gründer Nick Bortot im Gespräch mit Finance Forward und OMR.

Mittels FOMO und Gratisaktien zu sechsstelligen Downloads

Vor allem die Glücksspiel-artige Komponente in Kombination mit der Angst, etwas zu verpassen (FOMO: Fear of missing out), dürfte viele für die Werbeaktion begeistert haben. Zwischenzeitlich warb Bux auch damit, Apple-Aktien mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu 20 zu verschenken – noch vor dem Aktiensplit des Unternehmens aus Cupertino, als dessen Aktienpreis noch bei über 400 Euro lag. Häufig lautete das Werbeversprechen dann, eine Aktie im Wert von bis zu 200 Euro geschenkt zu bekommen. Entsprechende Deals lassen sich noch heute auf Portalen wie Mydealz und Dealdoktor finden; inklusive tausenden Kommentaren, in der Nutzer darum bitten, geworben zu werden. Eine gezielte Promo-Aktion sei das Einstellen auf solchen Deal-Plattformen laut Gründer Bortot aber nicht gewesen. Im Gegenteil: Bux hätte sogar darum gebeten, die Angebote zu entfernen; man sei nicht auf diese Zielgruppe aus.

Im Schnitt liege der Wert der Gratis-Aktien zwischen fünf und zehn Euro, sagt Bortot. In Deutschland wähle das Startup Aktien aus dem eigenen Land sowie US-Aktien aus; an beispielsweise französischen Unternehmen hätten die Nutzer kein Interesse. Mit einem für Testzwecke erstellten Account bekamen wir eine Aktie des Kamera-Herstellers Gopro geschenkt. Der aktuelle Kurs liegt bei 3,36 Euro.

Was kostet Bux ein neuer Kunde?

Durchschnittlich ist eine Gratis-Aktie also 7,50 Euro wert. Da sowohl der neue Kunde, also auch der Werbende jeweils eine erhält, belaufen sich die Customer Acquisition Costs (CAC) auf 15 Euro. Durch Word-of-Mouth-Marketing, das sich recht schnell automatisch durch ein solches Referral-System einstellt, dürfte das Fintech die Marketingausgaben, die es sonst in Paid Advertising auf Plattformen wie Facebook oder Instagram stecken müsste, einsparen.

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Unter anderem mit einer solchen E-Mail will Bux Nutzer motivieren, weitere Nutzer zu werben.

Der Konkurrent Trade Republic wirbt derzeit mit einer ähnlichen Aktion. Für eine erfolgreiche Empfehlung erhalten Neukunde und der Werbende jeweils 15 Euro. Damit zahlt das Unternehmen doppelt so viel für einen neuen Nutzer, wie Bux. Und obwohl das für Kunden im Großteil aller Fälle der bessere, weil lukrativere Deal sein wird, dürfte die Aufmerksamkeit, die Bux durch das spielerische Element der Gratis-Aktie generiert, deutlich größer sein.

Vertrauliche interne Unterlagen eines konkurrierenden Neo-Brokers vom Anfang des Jahres, die Finance Forward und OMR vorliegen, zeigen, dass die Marketingkosten pro Kunde teilweise bei bis zu 88 Euro lagen. Damals gab es noch keinen so starken Run auf die Startups. Dieser Trend hat sich vor allem seit Beginn der Coronakrise verstärkt Millionen neue Trader wollen von den Aufs und Abs an den Börsen profitieren. In den USA steht die App Robinhood stellvertretend für diese Entwicklung.

Bei dem bekannten US-Startup dürfte sich Bux auch für die Werbeaktion mit den Gratis-Aktien inspiriert haben lassen. Sie galt für das Fintech aus dem Silicon Valley als großer Wachstumstreiber. Gleichzeitig ist sie aber auch ein Grund für Kritik, denn sie gehört zu einer Reihe von spielerischen Elementen in der App. Bei abgeschlossenen Trades regnet es etwa Konfetti, auch sonst erinnere die User Experience stark an ein Video-Spiel, berichten Nutzer.

Die Zielgruppe von Neo-Brokern

Nick Bortot von Bux sagt: „Konfetti ist vielleicht ein bisschen zu viel“, ansonsten versuche auch Bux eine App zu entwickeln, die Nutzer gerne verwenden. „Wir wollen den Nutzern zeigen, dass Investieren Spaß machen kann“, so der Gründer. Im Gegensatz zu Robinhood hat es das niederländische Unternehmen allerdings nicht auf die Zocker abgesehen, es gibt zum Beispiel keinen Optionshandel. Das sei so, als würde man jemandem „Dynamit“ geben, sagt er. Bux wolle die Neuinvestoren „an die Hand nehmen“. Für die Einsteiger versuche das Unternehmen, die Auswahl der Produkte klein zu halten. Und sein Unternehmen ziele eher auf die langfristigen Investoren ab. In verschiedenen Erklärstücken will Bux die jungen Nutzer an den Aktienhandel heranführen.

Da es sich bei den Bux-Nutzern um Anfänger handelt, seien Anlagebeträge auch niedriger als bei klassischen Brokern. Wie hoch der durchschnittliche Anlagebetrag ist, will Bortot aber nicht verraten. Es dürfte sich im Schnitt um einen Betrag in der 1.000-Euro-Region handeln – es wird damit auch dauern, bis ein Kunde Gewinn für Bux abwirft. Nicht wenige Nutzer werden das Konto mit ihrer geschenkten Aktie nicht weiter verwenden; vor allem Schnäppchenjänger dürften es häufig nur auf die Gratis-Aktie abgesehen haben. Der Bux-Gründer nennt keine konkreten Zahlen, aber sagt: „Wir sind keine karitative Organisation“, die Werbeaktion lohne sich – und sei auch nicht nur dazu da, die Zahlen auf dem Papier künstlich nach oben zu treiben, wie es viele Fintechs machen würden.

Es läuft für das Unternehmen wohl so gut, dass Bux überlege, ein Büro in Deutschland zu eröffnen. Bislang gebe es 2,5 Millionen Nutzer in neun Ländern. Ob Bux für die kostspielige Expansion weitere Investorengelder aufnehmen will, verrät Bortot nicht. Ein günstiger Zeitpunkt wäre es: Das Interesse am Aktienhandel ist gestiegen – und das große US-Vorbild Robinhood hat kürzlich zwar noch einmal viele Millionen zu einer Bewertung von elf Milliarden US-Dollar eingesammelt, die geplante Expansion nach Europa aber vorerst gestoppt.

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Autor*In
Caspar Schlenk & Torben Lux
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