Stadt-Meme-Seiten auf Instagram erzielen krasse Reichweiten und werden nun zu Werbeträgern

Wir zeigen die erfolgreichsten Accounts und geben Einblicke in Marketing Cases

Lokalpatriotismus trifft Internetkultur: Die Betreiber:innnen von Meme-Seiten wie koelnistkool, Münchner Gesindel und Berlin Ausländer Memes persiflieren lokale Besonderheiten
Lokalpatriotismus trifft Internetkultur: Die Betreiber:innnen von Meme-Seiten wie koelnistkool, Münchner Gesindel und Berlin Ausländer Memes persiflieren lokale Besonderheiten und gewinnen damit teilweise sechsstellige Follower-Zahlen (Montage: OMR)
Inhalt
  1. Die doppelte Reichweite des „Tagesspiegels“
  2. Große lokale Meme-Seiten auf Instagram
  3. Mehr erreichte Accounts als Follower
  4. Einzelkämpfer:innen stechen professionelle Medienkonzerne aus
  5. Fragwürdige Verletzungen von Persönlichkeitsrechten
  6. Mehrere Stunden am Tag fürs Community Building
  7. Can Meme Pages kill the Radiostar?
  8. Flirtseiten und Kneipen-Quartette
  9. „Ich kann nicht jede Scheiße als Werbung posten“
  10. Felyx generiert App Installs für je zwei Euro
  11. Selbst gestaltete Meme-Ads als Kampagnenverlängerung
  12. Aufmerksamkeitsstarke Guerilla-Aktion für Nussmus
  13. Mehr Verkäufe im Supermarkt dank Meme-Werbung
  14. „Die Performance ist nur das Sahnehäubchen“

Sie heißen „Berlin Club Memes“, „koelnistkool“ oder „Münchner Gesindel“ und verzeichnen Reichweiten, die zum Teil größer sind als die von lokalen Tageszeitungen oder Radiosendern – obwohl die Betreiber:innen häufig Einzelpersonen in den Zwanzigern sind: Lokale Meme-Seiten haben sich innerhalb der vergangenen ein bis zwei Jahre vor allem auf Instagram zu einem Phänomen entwickelt. Langsam entdecken Unternehmen die Städte-Meme-Seiten auch als Werbeträger. OMR ist tief in die Welt der lokalen Meme Accounts eingetaucht, listet die größten Seiten auf und hat sowohl von Seitenbetreiber:innen Einblicke in deren Reichweitenzahlen als auch von Werbekund:innen konkrete Angaben zu den Erfolgen ihrer Kampagnen erhalten.

Jede Stadt hat ihre Eigenarten. Früher hätte man von Lokalkolorit gesprochen und damit die besonderen Sehenswürdigkeiten, Feierlichkeiten, Brauchtümer und sprachliche Besonderheiten gemeint, die sich häufig auch in der Kunst und Literatur widerspiegeln, die die jeweilige Metropole hervorbringt. Heute nun sind neue kulturelle Phänomene entstanden, mittels derer sich die Bewohner:innen einer Stadt mit deren Wesen auseinandersetzen – allen voran Memes. Auf Instagram sind in den vergangen zwölf bis 24 Monaten eine deutlich zweistellige Zahl an Meme-Seiten aufgeploppt, deren Betreiber:innen die Eigenheiten ihrer Stadt liebevoll bis teilweise derb auf die Schippe nehmen.

 

Die doppelte Reichweite des „Tagesspiegels“

Häufig greifen sie dafür bereits existierende, gerade viral gehende Memes auf und geben diesen einen lokalen Dreh. So entstehen Posts mit Insider-Witzen über jene Viertel der jeweiligen Stadt, in denen jeder wohnen will, oder eben über jene Viertel, die in Sachen Wohnungsmarkt eher „wenig nachgefragt“ sind, über berühmt-berüchtige Straßen und Plätze, an denen sich an den Wochenenden die feiernde Meute trifft, über die Kneipen und Clubs, die jeder kennt und mit denen jeder etwas assoziiert, oder über Rivalitäten mit anderen Städten.

Dazu kommen in der Regel Videos von kuriosen Ereignissen, die die Follower:innen der Accounts den Betreibern zuschicken, sowie Posts zu übergreifenden (aber lokal heruntergebrochenen) Themen, die in der Regel viele Städter betreffen: die Schwierigkeit, bezahlbaren Wohnraum zu finden beispielsweise, aber auch die Unzuverlässigkeit von regionalen Nahverkehrsverbünden. Mit dieser inhaltlichen Mischung ist es einigen von ihnen gelungen, Reichweiten aufzubauen, die sich kaum hinter jener von etablierten Lokalmedien verstecken müssen. „BerlinClubMemes“, die laut OMR-Recherchen Follower-stärkste deutsche lokale Meme-Seite, hat bislang 227.000 Abonnenten angesammelt. Damit beträgt die Brutto-Reichweite der Seite das zweieinhalbfache aller in Berlin verkauften Exemplare des „Tagesspiegels“, der 2018 mit knapp 87.000 Exemplaren die meistverkaufte Tageszeitung der Hauptstadt gewesen sein soll (jüngere Zahlen sind aktuell öffentlich nicht verfügbar).

Große lokale Meme-Seiten auf Instagram

(auf dem Handy nach links wischen, um die gesamte Tabelle zu sehen)

Platz

Name

Engagement-Rate*

Abonnenten

1

BerlinClubMemes

5,45 Prozent

228.000

2

koelnistkool

6,71 Prozent

192.000

3

Berlin Ausländer Memes

10,81 Prozent

172.000

4

Frankfurt am Memes

6,93 Prozent

101.000

5

munchner.gesindel

10,16 Prozent

98.800

6

duesselmeme

8,64  Prozent

75.200

7

memesmunich

10,02 Prozent

43.600

8

generation_hamburg

23,83 Prozent

39.700

9

hamburgwerbersupport

7,91 Prozent

38.100

10

Stuttgarter Memes

9,87 Prozent

37.600

11

acbushofmemes

(Aachen)

10,91 Prozent

34.200

12

Dortmunder Memes

13,17 Prozent

33.000

13

Bremer Memes

17,56 Prozent

27.500

14

Karlsruher Memes

12,03 Prozent

27.400

15

essendiese

unbekannt

25.800

16

Kassel Memes

unbekannt

22.300

17

mannheimerdings

4,63 Prozent

21.700

18

Mr. Saarlandwide

5,1 Prozent

20.600

19

Aachen City Vibes 🚬

unbekannt

20.300

20

justhauptstadtthings

6,58 Prozent

18.100

Stand: 4. November 2021 / Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit Quelle: eigene Recherche, Not Just Analytics *Die Engagement Rate ergibt sich aus dem Durchschnitt der Likes und Kommentare bei den zwölf jüngsten Posts (außer dem neuesten), geteilt durch die Zahl der Abonnent:innen

Nun ist es kein Geheimnis, dass Instagram Accounts, bedingt durch den algorithmisch erstellten Feed, mit ihren Inhalten schon lange nicht mehr alle ihre Follower erreichen. Aber vieles deutet darauf hin, dass lokale Meme-Seiten auch eine weit überdurchschnittliche organische Reichweite erzielen. Ein mögliches Indiz dafür sind bereits die ebenfalls überdurchschnittlichen Engagement-Raten (für deren Erhebung die Zahl der Interaktionen auf einem Account ins Verhältnis zur Zahl der Gesamt-Follower gesetzt wird). Mehreren Studien zufolge liegt die durchschnittliche Engagement-Rate auf Instagram je nach Größe des Accounts und Themas im einstelligen Bereich – und zwar eher am unteren Ende der Skala. Viele lokale Meme-Seiten verzeichnen jedoch Engagement Rates im zweistelligen Prozentbereich.

Mehr erreichte Accounts als Follower

Ein Einblick in die Instagram Insights des Accounts „Frankfurt am Meme“ zeigt, dass die Seite im August 2021 innerhalb von zwei Wochen mit ihren Inhalten mehr als doppelt so viele Accounts erreicht hat, wie ihr eigentlich folgen (der Screenshot wurde zur Verfügung gestellt vom Account-Inhaber; Hervorhebung durch OMR)

Sieht man sich die Beiträge und Stories der erfolgreichsten lokalen Meme-Seiten an, ist das nicht weiter erstaunlich: Die Inhalte haben durch den klaren lokalen Fokus für die Abonnenten aus den jeweiligen Städten eine hohe Relevanz, und Humor kann auf sozialen Plattformen hervorragend als Engagement-Treiber funktionieren. Das wiederum kann für einen algorithmischen Push sorgen, der sich positiv darauf auswirkt, wie weit oben bzw. vorne in den Feeds der Follower die Inhalte ausgespielt, und wie häufig diese von den Nutzer:innen aktiv abgerufen werden. „Unsere Instagram Stories erreichen je nach Wochentag zwischen 50 und 70 Prozent unserer Follower“, erklärt beispielsweise Julius Kahleis, einer von drei Betreibern von koelnistkool im Gespräch mit OMR – ein Wert weit über dem Durchschnitt.

Noch beachtlicher: Einige der lokalen Meme-Seiten scheinen regelmäßig oder zumindest zeitweise mehr Instagram-Nutzer:innen zu erreichen als ihnen folgen. Screenshots aus den Instagram Insights der lokalen Meme-Accounts „Frankfurt am Meme“ und „duesselmeme“, die deren Betreiber an OMR übermittelt haben, zeigen beispielweise, dass diese im jeweiligen Zeitraum 232 Prozent bzw. 189 Prozent der Zahl ihrer Follower erreicht haben. Das ist nur dadurch erklärbar, dass andere Nutzer:innen die Inhalte der Meme-Seiten in ihren Instagram Stories teilen und diese so auch von Account-Inhaber:innen gesehen werden, die den eigentlichen Seiten gar nicht folgen. Er sei mit einzelnen Aktionen immer mal wieder viral gegangen, so der 26-jährige Betreiber von „Frankfurt am Meme“, der ebenfalls anonym bleiben möchte. Vor der Bundestagswahl sei beispielsweise das satirische Parteiprogramm der fiktiven ffm.meme-Partei viel geteilt worden.

Auch dem Betreiber von duesselmeme gelingt es offenbar zumindest zeitweise, mehr Accounts zu erreichen als ihm eigentlich folgen (Screenshot zur Verfügung gestellt vom Account-Betreiber, Hervorhebung durch OMR)

Einzelkämpfer:innen stechen professionelle Medienkonzerne aus

Diese Mechanismen tragen entscheidend dazu bei, dass lokale Meme-Seiten Reichweiten generieren können, mit denen sie zum Teil auf Augenhöhe (oder sogar darüber) mit relevanten Lokalzeitungen liegen. Das Medienhaus Axel Springer beziffert beispielsweise (unter Berufung auf die IVW) die „Gesamt-Reichweite“ der Rhein-Main-Ausgabe der „Bild“-Zeitung  laut Mediadaten auf 620.000 Leser:innen. Die „harte Auflage“ aber beläuft sich auf 80.858 verkaufte Exemplare. Die Meme-Seite „Frankfurt am Meme“ verzeichnet demgegenüber mittlerweile 101.000 Follower und erreicht zeitweise wie gezeigt mehr als das doppelte der Abonnent:innenschaft. Darüber hinaus scheint die Nutzungsintensität relativ hoch zu sein: Innerhalb von zwei Wochen im August verzeichnete der Account 1,5 Million Impressions.

Die von Axel Springer Media Impact für die Rhein-Main-Ausgabe von Bild ausgewiesenen Reichweitenzahlen

Die von Axel Springer Media Impact für die Rhein-Main-Ausgabe von Bild ausgewiesenen Reichweitenzahlen (Screenshot)

Diese Zahlen sind auch deshalb beachtlich, weil hinter den Seiten sehr häufig junge Einzelpersonen stehen (meist in den Zwanzigern oder frühen Dreißigern), die ihre Accounts nebenher betreiben. Mehrere der Account-Betreiber:innen, mit denen OMR gesprochen hat, wollen ihre Namen nicht enthüllen; zu den Gründen machen sie nicht immer Angaben. Der Betreiber von „duesselmeme“ erklärt im Gespräch mit OMR, unangenehmen Rummel vermeiden zu wollen. „Wenn ich mich zu erkennen gebe, weiß ich, dass die Leute mich nerven werden. Das tun sie ja schon jetzt teilweise. Wenn die in einem Post, den ich gerade abgesetzt habe, eine bestimmte Straße wieder erkennen, kommen die dahin“, so der 24-Jährige. Der Betreiber der Seite „BerlinClubMemes“, die die Berliner Club-Szene persifliert, hat in einem Interview erklärt, er organisiere selbst Partys und könne es sich nicht leisten, sich unter seiner wirklichen Identität über Ikonen der Szene lustig zu machen.

Ein Screenshot aus den Instagram Insights von „Frankfurt am Meme“ zeigt, dass die Seite im August innerhalb von zwei Wochen 1,5 Millionen Sichtkontakte generiert hat (Screenshot zur Verfügung gestellt vom Account-Betreiber; Hervorhebung durch OMR)

Fragwürdige Verletzungen von Persönlichkeitsrechten

Es mag auch andere Gründe geben, warum einige der Account-Betreiber:innen es vorziehen, anonym zu bleiben. Memes werden zwar dem Vernehmen nach selten abgemahnt, verstoßen aber trotzdem grundsätzlich gegen Urheberrechte. Einige der Accounts dürften auch gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen, weil sie hin und wieder Video-Aufnahmen von im Stadtbild auffälligen Personen teilen. Die können je nach Wahrnehmung eher amüsant sein und Exzentriker zeigen, die beispielsweise wenig bis kaum bekleidet öffentlich tanzen. Andere Video erwecken den Eindruck, dass die gezeigten Personen vielleicht eher hilfebedürftig sind – weil sie stark alkoholisiert oder möglicherweise geistig verwirrt sind.

Der Account „Das ist Berlin, Bitch!“ mit 273.000 Followern beispielsweise postet nur Videos von Berliner „Paradiesvögeln“. Häufig werden den Betreiber:innen der Accounts solche Videos von ihren Follower zugeschickt. „Es gibt auch Leute, die Obdachlose filmen“, berichtet der Betreiber von duesselmeme im Gespräch mit OMR, der solche Videos nach eigener Aussage herausfiltert. „Ich bekomme täglich an die 70 Videos zugeschickt, davon kann ich zehn bis 20 reposten, der Rest geht zu häufig unter die Gürtellinie.“

Mehrere Stunden am Tag fürs Community Building

Einige der Accounts gehen darüber hinaus, „nur“ eine Meme- und Witzeseite zu sein. „Berlin Ausländer Memes“ beispielsweise versteht sich als Community für in Berlin zugezogene Ausländer; die Seite wird betrieben von Danni aus Südafrika. Auf dem Instagram Account werden zwar auch Meme-Gags über Freuden und Herausforderungen des Berliner Lebens gepsotet, wie etwa die „Berliner Schnauze“ und die Undurchschaubarkeit des deutschen Verwaltungswesens. In den Instagram Stories thematisiert der Account aber auch gesellschaftliche Themen wie Rassismus in Deutschland im Allgemeinen und in deutschen Behörden im Speziellen oder die kritischen Punkte im deutschen Gesundheitssystem.

Vor allem aber versteht sich Danni selbst auch als Anlaufstelle und Informationsquelle für all jene, die mit dem Ankommen in Berlin überfordert sind und sich zum Beispiel sorgen, weil sie einen Brief einer Behörde bekommen haben, den sich nicht richtig verstehen. Mit vor solchen Herausforderungen stehenden Personen schreibt Danni Direktnachrichten, versucht mit dem eigenen Wissen zu helfen oder den Austausch der Community-Mitglieder untereinander zu fördern. „Den Content für die Seite zu kreieren, nimmt den geringsten Teil der Zeit ein. Den größten Aufwand macht das Community Management und Audience Engagement“, so Danni im Gespräch mit OMR. An manchen Tagen könne man schon einmal sechs bis sieben Stunden Zeit in die Seite stecken. Die Hälfte der Follower des Accounts seien zugezogene Ausländer.

Can Meme Pages kill the Radiostar?

Der duesselmeme-Account informiert über Blitzer…

Andere Seitenbetreiber:innen sind mit ihren Accounts quasi zu lokalen Nachrichtenmedien geworden. Dem Betreiber von „duesselmeme“ ist es beispielsweise gelungen, eine solche Bekanntheit aufzubauen, dass viele Düsseldorfer Instagrammer:innen eigenständig ihre Stories und Posts mit dem Hashtag #duesselmeme versehen und/oder den Account in ihren Inhalten gleich markieren. Etwa, wenn sie ein kurioses Erlebnis haben oder eine Information mit anderen Follower des duesselmeme-Accounts teilen wollen. Der Account-Betreiber kann diese Inhalte dann reposten und setzt täglich häufig auch Instagram Stories im zweistelligen Bereich ab, die ihm alleine von seinen Abonnent:innen zugespielt wurden.

Auf diese Weise teilt die duesselmeme-Community die für sie relevanten Informationen miteinander: Wo steht gerade ein Blitzer? Wo findet eine Demo statt, die für Verkehrsprobleme sorgt? Wo ist eine Straßenbahn stehengeblieben, die Verspätungen im Nahverkehr auslöst? Im Grunde hat die Instagram-Seite damit eine Funktion übernommen, die bisher Lokalradios ausgeübt haben.

…sowie über Probleme im öffentlichen Nahverkehr der Stadt.

Flirtseiten und Kneipen-Quartette

Viele der Meme-Seiten-Macher:innen betreiben ihre Seite nebenher, wenn auch manche von ihnen gegenüber OMR erklären, theoretisch bereits von ihren Seiten leben zu können. Einige der Betreiber:innen versuchen gerade, ein Unternehmen rund um ihre Seiten aufzubauen. Der Macher von duesselmeme betreibt etwa zwei weitere Seiten: „Spotted by @DUESSELMEME“, eine Flirt- und Kontaktvermittlungsplattform („Habe Dich gesehen…“) mit 12.700 Followern, sowie den (aktuell jedoch auf Eis liegenden) lokalen Restaurant- und Imbißbewertungs-Account „Food Detectives Düsseldorf“ („duesseltaster“) mit 5.000 Followern. Es wirkt wie die Anfänge eines digitalen und lokalen Medienhauses; der duesselmeme-Schöpfer beschäftigt auch schon erste Mitarbeiter.

Die koelnistkool-Seite wird von den drei Studenten Julius Kahleis, Firat Mercan und Tim Schmitz betrieben, die aus der von ihnen geschaffenen Marke ebenfalls ein Business machen wollen. Erstmals Geld mit ihrer Reichweite haben sie durch den Verkauf von Merchandise verdient. „Wir haben mit einer Cap angefangen; mittlerweile bieten wir rund 20 Produkte an“, so Julius Kahleis im Gespräch mit OMR. Im Shop-Bereich der Website finden sich außer den typischen Kleidungsstücken auch Kölsch-Gläser und ein Kölner-Kneipen-Quartett. Denkbar sei es, dass unter der Marken irgendwann auch eigenes Bier oder eigener Wein verkauft werde, so der Mittzwanziger. Gerade haben die drei Gründer außerdem erstmals eine eigene Party veranstaltet, aus der eine Event-Reihe werden soll.

Ein Blick auf das aktuelle Merchandise-Portfolio von koelnistkool

Ein Blick auf das aktuelle Merchandise-Portfolio von koelnistkool

 

„Ich kann nicht jede Scheiße als Werbung posten“

Die Instagram Insights von duesselmeme zeigen, dass deutlich mehr als die Hälfte der Follower der Seite aus Düsseldorf oder Umgebung stammen (Screenshot zur Verfügung gestellt vom Account-Betreiber)

Darüber hinaus posten die drei koelnistkool-Macher auf ihrem Account auch vereinzelt Werbung. „Es gibt kaum woanders eine solche Chance, so lokale Zielgruppen abzugreifen wie über uns“, so das Argument, mit dem Julius Kahleis bei potenziellen Kunden punkten will. Laut den Instagram Insights des Accounts stammten 65 Prozent der Follower des Accounts aus Köln, der Großteil der restlichen Abonnenten seien aus dem Umfeld von Köln oder fortgezogene Kölner. Vergleichbare Zahlen nennen auch andere Account-Betreiber:innen, mit den wir sprechen. Die lokalen Meme-Seiten bieten also eine hochrelevante lokale Reichweite, die äußerst attraktiv sein dürfte für lokale Unternehmen, Händler und Marken – wie Lieferdienste, Mobilitäts-Services, Restaurants oder Event-Locations. Viele solcher Unternehmen sind bereits mit Werbung auf lokalen Meme-Seiten unterwegs.

Hinzu kommt: Anders als bei vielen anderen Meme Accounts dürfte es bei Stadt-Meme-Seiten leichter sein, Werbung zu produzieren, die die Follower interessiert und nicht verprellt – denn durch den lokalen Fokus ist es bei General-Interest-Themen wie Gastro, Food und Mobilität relativ sicher, dass die für die Abonnent:innen auch grundsätzlich interessant ist. Die Werbekund:innen müssen jedoch dazu bereit sein, sich auf den Humor der Seite einzulassen und mittels Memes beworben zu werden, die die Seitenbetreiber:innen im Idealfall selbst in ihrem typischen Tonfall erstellt haben. „Wenn ein Kunde es zu seriös haben will, können wir nicht zusammenarbeiten“, sagt beispielsweise der Betreiber von duesselmeme. „Wenn ich jede Scheiße poste, nehmen die Leute das nicht ernst. Es muss auch auch ein gutes Produkt für die Community sein.“

Felyx generiert App Installs für je zwei Euro

Wer sich auf diese Besonderheiten einlässt, dem oder der winken hohe Interaktionsraten und eine Reichweite, die von ihren Macher:innen offenbar häufig noch weit unter dem Preisniveau etablierter Lokalmedien verkauft wird. Einer der Seitenbetreiber mit niedriger sechsstelliger Follower-Zahl berichtet uns, er habe einem Sonnenbrillenhändler zehn Beiträge für insgesamt 1.000 Euro verkauft. „Bei mir kostet eine Story 500 Euro, ein Beitrag 750 Euro und Gewinnspiele 1.000 Euro – jeweils netto“, so der duesselmeme-Macher. „Ich lasse die Werbung immer nur 24 Stunden online; wenn sie länger verfügbar sein soll, müssen die Kunden pro Tag noch einmal 100 Euro drauflegen.“

Ein äußerst zufriedener Werbekunde von duesselmeme ist Felyx. Der App-basierte niederländische E-Scooter-Sharing-Dienst ist diesen Sommer in drei deutschen Städten gestartet: Berlin, Hamburg und Düsseldorf. Zum Launch in der Rheinmetropole hat das Unternehmen Werbung bei duesselmeme gebucht und in diesem Zusammenhang 60 Freiminuten für die Follower ausgelobt. Das hat sehr gut funktioniert: „Wir haben mit nur einem Post 575 App-Installationen generiert, zu einem Cost-per-Install von rund zwei Euro – das ist nichts im Vergleich zu anderen Kanälen“, so Christopher Eisermann, Brand, Content & PR Manager bei Felyx, gegenüber OMR.

Ein Werbepost von Felyx auf dem Instagram Account von duesselmeme (der Original-Post ist mittlerweile gelöscht)

Ein Werbepost von Felyx auf dem Instagram Account von duesselmeme (der Original-Post ist mittlerweile gelöscht)

Selbst gestaltete Meme-Ads als Kampagnenverlängerung

Zu einem solchen Preis würde Felyx gerne noch mehr Leute erreichen und Installs generieren – doch die Reichweite der Meme-Seiten hat eine natürliche Grenze. Das deutsche Marketing-Team von Felyx schaltet deswegen typische Meme-Motive auch über die eigenen Accounts als Anzeigen bei Facebook und Instagram. „Das sind unsere am besten performenden Creatives“, so Eisermann. Die mit den Ads generierten Zahlen reichten aber trotzdem nicht an jene aus Kooperationen mit Meme-Seiten heran. „Wenn wirkliche Meme-Seiten die Memes posten, reagieren die Leute immer noch stärker darauf“, sagt Eisermann.

Auch Naughty Nuts hat schon mit Meme-Seiten kooperiert. Das Kölner Startup bietet Nussmus in Bio-Qualität an, von Standardsorten wie „Erdnussmus Crunchy“ bis zu ausgefalleneren Kreationen wie „Mandelmus Cinnamon Roll“. Die verkaufte Naughty Nuts über einen eigenen Online-Shop, „wir gehen aber auch nach und nach in urbanen Zentren in den Einzelhandel“, wie Gründer und Geschäftsführer Benjamin Porten gegenüber OMR erklärt. „Dort versuchen wir dann zum Start unser Produkt in allen Supermärkten gleichzeitig zu platzieren.“

Aufmerksamkeitsstarke Guerilla-Aktion für Nussmus

Zum Start in Köln kooperierte das Naughty-Nuts-Team mit den Machern von koelnistkool. Dabei buchte das Nussmus-Startup nicht einfach nur einen Werbepost, sondern führte auch eine Guerilla-Aktion durch. Für die verkleidete Naughty Nuts einen Mitarbeiter als das aus der Filmreihe Ice Age bekannte Säbelzahn-Eichhörnchen Scrat und einen weiteren, als Nuss kostümierten Kollegen. In einer stark belebten Kölner Straße jagte das Eichhörnchen der Nuss hinterher. Die koelnistkool-Betreiber posteten ein Video der Aktion als Instagram-Story, ergänzt um den Hinweis, dass es Naughty Nuts jetzt im Kölner Einzelhandel bei Rewe, Edeka und der Biomarktkette Denns zu kaufen gibt.

„Das kam ganz gut an“, sagt Porten. Einige koelnistkool-Follower reposteten das Video; „manche Zuschauer hatten die Aktion das sogar selbst gefilmt und an koelnistkool geschickt, die das dann wieder repostet haben“, so der Gründer. Darüber hinaus buchte Naughty Nuts auch einen regulären Werbepost mit einem Video, in dem ein Kind ein anderes mit Erdnussbutter einschmiert.

Mehr Verkäufe im Supermarkt dank Meme-Werbung

Wie wirkungsvoll die Aktion für Naughty Nuts war, ist nicht ganz einfach nachzuvollziehen – weil es ja beim Verkauf bei stationären Handelspartnern keine direkte Mess- und Attributionsmöglichkeit gibt. „Supermärkte sind sehr zurückhaltend mit Zahlen, die sie an Partner herausgeben“, sagt Porten zudem. „Aber vereinzelt bekommen wir Auswertungen, und in denen war zu sehen, dass in Köln die Drehzahlen unserer Produkte nach der Aktion viel höher waren als in anderen Regionen.“ Hinzu kommt, dass der TKP viel günstiger sei als bei anderen Kanälen. „Vor allen Dingen, wenn man das mit Standard-Influencern vergleicht. Die rufen mittlerweile ja manchmal TKPs zwischen 35 und 40 Euro auf.“

Ka Ka Leung, Influencer-Marketing-Managerin bei der Online-Sprachschule Lingoda, zieht ein ähnlich positives Fazit zu ihrer Partnerschaft mit Berlin Ausländer Memes. „Das ist unsere erfolgreichste Kooperation auf Instagram.“ Leung war als Zugezogene in Berlin der Seite sowieso gefolgt; „das ist eine der Seiten, der man folgen muss, wenn man in Berlin lebt“. Mit Danni von Berlin Ausländer Memes ist Lingoda eine langfristige, flexible Partnerschaft eingegangen: „Wir verständigen uns vorab auf eine konkrete Zahl von Content Pieces, in der Regel zwei bis drei Posts im Monat“, so Leung. Manchmal kämen noch Kampagnen hinzu. Alle Posts lassen sich in einem Story Highlight auf dem Account von Berlin Ausländer Memes finden.

„Die Performance ist nur das Sahnehäubchen“

„In Sachen Clicks und Conversions erzielen wir Traum-Ergebnisse, das ist der Wahnsinn“, sagt Leung, ohne konkrete Zahlen zu nennen. „Auch in Sachen Kundenakquisitionskosten erreichen wir voll unser Ziel, aber das ist nur das Sahnehäubchen, wenn man den Branding-Effekt in Betracht zieht“, so die Marketing-Managerin weiter. Es sei vorgekommen, dass Freunde von Leung ihr unwissend Lingoda-Memes geschickt hätten. „Mich haben auch Leute in einem Café angesprochen, weil sie bei mir das Lingoda-Logo gesehen hatten, und weil sie es von Berlin Ausländer Memes kannten. Besser geht es kaum.“

InfluencerInstagramMeme Marketing
Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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