Betrug mit Fake-Shops: China-Händler kopiert deutsche Dirndl-Shops fast Eins-zu-eins

Sechsstelliger Umsatz durch Social Ads und mit schlechten Produktkopien?

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(GIF-Quelle: Bayerischer Rundfunk)
Inhalt
  1. „Die .net-Domain hatten wir nicht gesichert“
  2. Facebook-Anzeigen mit über 1.000 Reactions
  3. Kundinnen erhalten Pakete aus China
  4. Fließen täglich 5.000 Euro in Anzeigen für den Fake-Shop?
  5. „Das ist wie eine Hydra“
  6. Andere Fake-Shops nutzen denselben Tracking-Pixel
  7. Hamburger Dirndl-Label ist ebenfalls betroffen
  8. Auf mehr als 16.000 Domains wird betrogen

Es dürfte der Albtraum eines jeden Online-Händlers sein: Von einem Tag auf den anderen ist plötzlich eine Nahezu-Kopie des eigenen Online-Shops im Netz, unter der gleichen Domain, nur mit einer anderen Länderkennung. Die Copycat wirbt mit Social Media Ads und enormen Rabatten für (wie sich später herausstellt) minderwertige Produkte und kassiert auf diese Weise 300.000 Euro ein. Passiert ist das dem Münchner Dirndl-Händler Ludwig & Therese; zwei weitere deutsche Dirndl-Marken wurden Opfer derselben Masche.

„Wir sind sehr traurig bekannt zu geben, dass wir unsere Kollektion an diesem Wochenende schließen“, heißt es in etwas holprigem Deutsch in einer Anzeige, die offenbar über Wochen vielen Nutzern auf Instagram und Facebook von einem Account namens Ludwig-therese.net ausgespielt wurde. „Bevor wir schließen, wollen wir alle EINE LETZTE CHANCE geben, bis zu 75% Rabatt in unserem Geschäft einzukaufen.“ [sic!]

„Die .net-Domain hatten wir nicht gesichert“

Eine Anzeige des Fake-Shops Ludwig-therese.net auf Facebook (Screenshot zur Verfügung gestellt von Daniel Straub)

„Wir haben die Anzeigen sogar auch ausgeliefert bekommen“, erzählt Daniel Straub, Mitgründer von Ludwig & Therese, im Gespräch mit OMR. „Ich war nicht geschockt, weil ich ähnliche Geschichten schon vorher einmal gehört hatte. Aber schön ist das natürlich nicht.“

Denn die Anzeigen stammen nicht von Ludwig & Therese – sondern einem Trittbrettfahrer. Ende März ist die Domain Ludwig-therese.net registriert worden. Der Original-Shop des Münchner Mode-Labels findet sich unter de Domain Ludwig-therese.de. „Wir haben zwar alle Varianten der .de- und .com-Domains gesichert, mit Bindestrichen und ohne, aber blöderweise die .net-Domain nicht“, so Straub.

Facebook-Anzeigen mit über 1.000 Reactions

Nun wird unter der .net-Adresse ein Shop betrieben, der dem Original-Shop von Ludwig & Therese stark ähnelt: dasselbe Logo, teilweise dieselben grafischen Elemente – selbst das Impressum ist geklaut. Nur, dass im Fake-Shop die Dirndl zwischen 62 und 80 Euro kosten, und nicht zwischen 200 und 400 Euro, wie beim Original.

Original-Shop von Ludwig & Therese (links) und die Kopie

Auch wegen dieser günstigen Preise scheinen die Anzeigen des Fake-Shops bei vielen Kundinnen offenbar voll einzuschlagen. Screenshots auf der Website Watchliste-Internet.at zeigen eine FB-Anzeige mit über 1.000 Likes und 150 Kommentaren. Mit dazu beitragen dürfte natürlich ganz klar die Nutzung des Markennamen, der bei den Usern für Vertrauen sorgt. Das Original-Label Ludwig & Therese verzeichnet auf Facebook  83.000 Abonnenten, bei Instagram sind es 60.000 Follower. „Wir sind da sehr präsent“, sagt Daniel Straub. „Wenn man in München auf der Straße Mädels zwischen 16 und 35 Jahren fragt, kennen die alle Ludwig & Therese.“

Kundinnen erhalten Pakete aus China

Kundinnen, die hoffen, auf Ludwig-Therese.net ein Schnäppchen machen zu können, erleben eine Enttäuschung: „Manche bekommen gar keine Ware. Teilweise wird wirklich Ware verschickt, manchmal auch nur ein Teil der jeweiligen Bestellung“, berichtet Daniel Straub. „Uns haben auch Leute geschrieben, dass sie ein rotes Dirndl bestellt und ein blaues bekommen haben.“ Eine ähnliche Beschwerde postete beispielsweise eine französische Kundin auf Facebook. „Einige Kundinnen haben uns Fotos geschickt: Die Qualität ist wirklich schlimm.“ Die Pakete seien aus China verschickt worden, so Straub.

„Wenn die Paypal-Adresse, an die man bezahlt, merkwürdig klingt und aus China oder Afghanistan stammt, sollte man eigentlich misstrauisch werden – spätestens wenn die Bestellbestätigung englischsprachig ist“, sagt der Dirnd-Händler. „Aber offenbar setzt bei solchen Preisen dann bei einigen doch der gesunde Menschenverstand aus.“

Fließen täglich 5.000 Euro in Anzeigen für den Fake-Shop?

Immer wieder erreichen Daniel Straub und seine Mitgründerin Stefanie Flügler von da an Kundenbeschwerden. Für die Ludwig-und-Therese-Gründer eine unangenehme Situation. Beide haben 2012 angefangen, Dirndl über das Netz zu verkaufen. Um nicht mehr mit Amazon und Zalando konkurrieren zu müssen, stellen sie vor drei Jahren komplett auf Eigenkollektionen um. Zuletzt erwirtschaften sie damit einen mittleren siebenstelligen Jahresumsatz. Doch in diesem Jahr treffen sie die Absagen des Oktoberfests und anderer Volksfeste sehr hart. Nun kommt noch „Online-Shop-Piraterie“ hinzu.

Die Müncher Agentur Mawave betreut Ludwig & Therese im Social Advertising. Deren Gründer Jason Modemann versucht über sein Netzwerk gegen die dreiste Copycat seines Kunden vorzugehen – mit Erfolg: über einen Kontakt bei Facebook können Modemann und Straub erreichen, dass das Werbekonto von Ludwig-Therese.net geschlossen wird. „Es gibt Hinweise darauf, dass am Tag 5.000 Euro Budget in diese Anzeigen geflossen sind“, sagt Modemann. Er schätzt, dass der Fake-Shop eine vierstellige Zahl an Bestellungen generiert hat; Daniel Straub schätzt den Umsatz das Fake-Shops auf 300.000 Euro ein.

„Das ist wie eine Hydra“

Über einen Kontakt zu Shopify erreicht Modemann außerdem, dass der unter Ludwig-therese.net betrieben Shop (der zu diesem Zeitpunkt auf Shopify basiert) innerhalb weniger Stunden offline genommen wird. Doch die Freude währt nicht lange: Mittlerweile ist auf der Seite wieder ein Shop aktiv. „Das ist wie eine Hydra: Schlägt man einen Kopf ab, wächst der nächste nach“, sagt Daniel Straub.

Die Ludwig-und-Therese-Macher warnen ihre Kundinnen und Kunden mittlerweile prominent auf der Startseite ihres Online-Shops vor dem Fake-Shop. Er habe sich ebenfalls bei einem Anwalt erkundigt, ob es möglich wäre, die .net-Domain des Fake-Shops zu sperren, so Straub. „Das kann aber eine langwierige und teure Angelegenheit werden.“

Andere Fake-Shops nutzen denselben Tracking-Pixel

Offenbar hat der Betreiber von Ludwig-therese.net nicht nur den Shop von Ludwig & Therese kopiert. Wer über Google nach „fake dirndl“ sucht, stößt aktuell ebenfalls auf Warnungen zum Online-Shop Kruegerdirndl.net. Krüger betreibt unter Krueger-dirndl.de einen der größten Dirndl-Shops Deutschlands. Krüger-Dirndl kosten zwischen 150 und 220 Euro; auf Facebook verzeichnet das Unternehmen 127.000 Abonnenten, auf Instagram 102.000 Follower.

Der Fake-Shop unter Kruegerdirndl.net verschickt offenbar ebenfalls billige Chinaware. „Nach ewig langer Zeit habe ich gestern von einer chinesischen Firma, Namen unkenntlich, ein absolutes Billigteil eines Dirndls erhalten sowie eine oberhäßliche Dirndlbluse“, warnt beispielsweise eine Kundin auf Facebook. Untrügliches Anzeichen dafür, dass der Betreiber des Krüger-Fake-Shops derselbe ist wie der des Ludwig-und-Therese-Facebook-Shops: Auf beiden Seiten ist der gleiche Facebook-Tracking-Pixel eingebunden.

Hamburger Dirndl-Label ist ebenfalls betroffen

Auch die aus Hamburg stammende Dirndl-Marke Limberry (Gründerin Sibilla Kawalla war 2016 schon im OMR Podcast) ist betroffen. Unter Limberry.net findet sich ebenfalls ein gefakter Dirndl-Shop; der originale Shop wird unter Limberry.de betrieben. Im Limberry-Fake-Shop ist ebenfalls derselbe Facebook-Tracking-Pixel eingebunden wie in den anderen beiden Fake-Shops; zudem findet sich im Quelltext der Seite dieselbe Google-Analytics-ID wie im Ludwig-und-Therese-Fake-Shop.

Betrug mit Fake Shops ist im Netz kein neues Phänomen. Bislang hatten die Betrüger aber vor allem über Google und andere Suchmaschinen Nutzer in ihre Shops gelenkt. Dafür kaufen die Fake-Shop-Betreiber in der Regel ausgelaufene Domains (relativ wahllos, von Vereinen, Unternehmen, Ortsverbänden von Parteien, etc.) auf, die zuvor schon bei Google geringfügige Sichtbarkeit aufgebaut hatten.

Auf mehr als 16.000 Domains wird betrogen

Diese optimieren sie dann auf nischige Keywords rund um Produktsuchen. Wer eine spezielle Reisetasche oder ein ganz konkretes Kindersitzmodell sucht und die Google-Ergebnisse nach dem günstigsten Preis durchforstet, landet dann möglicherweise auf solch einer Fake-Shop-Seite. Auf vielen Seiten dürften die Kunden gar keine Ware erhalten, sondern werden nach Abgabe ihrer Kreditkartendaten möglicherweise noch zusätzlich abgezockt. Einer OMR exklusiv vorliegenden Studie aus dem November 2019, werden unter mehr als 16.000 .de-Domains solche Abzock-Shops beworben.

Update, 12. Juni 2020, 9:40 Uhr

Wir haben den Artikel um Informationen zum kopierten Shop von Limberry ergänzt.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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