Da steht Facebook heute: Die Adserver-Wunderwaffe Atlas im Test

Martin Gardt28.7.2015
Facebooks Adserver-Wunderwaffe ist auf dem Vormarsch. (Montage: Online Marketing Rockstars)

Die Performance-Marketing-Agentur Performance Media testet Facebook Atlas intensiv. Mit uns teilt Geschäftsführer Nico Shenawai exklusiv Ergebnisse – und die sind vielversprechend

Facebooks Adserver-Wunderwaffe ist auf dem Vormarsch. (Montage: Online Marketing Rockstars)

Facebooks Adserver-Wunderwaffe ist auf dem Vormarsch. (Montage: Online Marketing Rockstars)

Vor ziemlich genau drei Monaten berichteten wir das erste Mal über Facebooks Adserver Atlas. Dieser soll das neue Herzstück der Ad-Infrastruktur des sozialen Netzwerks werden. Facebook will über Atlas in Zukunft Anzeigen auf allen Webseiten im Desktop- und Mobile-Bereich ausspielen und deren Erfolg messen. Doch anders als bei Googles Konkurrenzprodukt DoubleClick misst Facebook die Nutzeraktivität nicht mit Hilfe von Cookies sondern anhand der Facebook ID. Dadurch sollen die größten Probleme digitaler Werbung gelöst werden: geräteübergreifende Nutzererfassung und Auswirkungen auf Offline-Verkäufe. Die Mediaagentur Performance Media aus Hamburg gehörte zu den ersten deutschen Agenturen, die Atlas live testet und offen mit uns über die Ergebnisse spricht. Kann Facebook seine großen Versprechen halten? Sind Uplifts zu erkennen? Was bedeuten die Ergebnisse für die Zukunft auf dem Werbemarkt?

Nico Shenawai, Geschäftsführer von Performance Media. (Foto: Performance Technologies)

Nico Shenawai, Geschäftsführer von Performance Media. (Foto: Performance Technologies)

Schon bei der Recherche zum ersten Artikel haben wir mit Performance Media-Geschäftsführer Nico Shenawai über erste Ergebnisse gesprochen. Seine Prognose damals: „Atlas hat das Potenzial Marktführer unter den Adservern zu werden.“ Allerdings schwankten die Ergebnisse noch zu stark für solide Aussagen. Das ist jetzt anders. Seit Anfang des Jahres testet Performance Media und hat Atlas fest in das eigene Adserving-System integriert, das mehrere Adserver mit Kampagnen-Informationen speisen kann. Mittlerweile können Kunden Atlas mit einem einfachen Klick dazuschalten. Die Ads werden aber weiter über die etablierten Adserver wie ADITION bei den Publishern platziert. Dabei dient Atlas als Analyse- und Tracking-Tool vor allem bei Cross-Device-Messungen. „Der Service ist noch zu rudimentär und noch nicht so weit“, sagt Shenawai. „Facebook legt seinen Fokus derzeit auf Funktionen, die andere noch nicht bieten und lässt dafür noch Eigenschaften der etablierten Adserver weg“. 

Je nach Branche signifikante Uplifts durch Atlas

Uplifts durch Atlas nach Branche. (Quelle: Performance Media)

Uplifts durch Atlas nach Branche. (Quelle: Performance Media)

Trotzdem: Die Analyse mit Atlas funktioniert und kann Marketern wichtige Einblicke in den geräteübergreifenden Erfolg der Ads liefern. Performance Media schaute sich dazu beispielhaft Kampagnen von Unternehmen aus fünf Branchen an. Dabei stehen die Uplifts im Mittelpunkt. Der Wert bemisst die zusätzlichen Conversions, die durch Atlas festgestellt werden konnten. Weist klassisches Tracking mit Cookies z.B. 100 Käufe einer Kampagne aus und Atlas registriert 110, so liegt der Uplift bei zehn Prozent. Performance Media stellte fest: Die Uplifts durch Atlas sind signifikant. Besonders in der Kategorie Festnetz (also z.B. DSL-Verträge) ist sowohl Post-Klick als auch Post-View ein Uplift von über 30 Prozent zu erkennen. Auch die Consumer Electronics-Branche sieht durch Atlas deutliche Uplifts. Insgesamt sind die Schwankungen im Post-Click-Bereich stärker gestreut (etwa 10 bis 30 Prozent) als bei Post-View-Messungen (25 bis 40 Prozent). Etwas nach unten bricht der Non-Profit-Bereich (Spenden) aus. Hier scheint die Bereitschaft sehr impulsiv zu sein.

Umso komplexer die Kaufentscheidung, desto höher der Order-Uplift durch Atlas. (Quelle: Performance Media)

Umso komplexer die Kaufentscheidung, desto höher der Order-Uplift durch Atlas. (Quelle: Performance Media)

Was bedeuten diese Ergebnisse? Atlas erfasst durch die Facebook ID über mehrere Geräte hinweg (vor allem auch mobil) das Nutzerverhalten und kann so die „Customer Journey“ viel besser nachvollziehen. Das erhöht die zugeschriebene Werbewirkung vor allem bei komplexen Produkten und langwierigen Kaufentscheidungsprozessen. Umso höher die „Time-to-Conversion“ (Dauer zwischen Werbemittelkontakt und Kaufzeitpunkt), desto eher zeigt Atlas andere Messergebnisse, als cookiebasiertes Tracking. Dauert der Entscheidungsprozess länger, ist die Wahrscheinlichkeit des Gerätewechsels deutlich größer. Oftmals kommt der Kunde mobil mit Werbung in Kontakt und schaut sich dort auch Angebote an. Aber z.B. Reisen buchen die meisten dann lieber am PC oder Notebook. Mit Cookies ließ sich dieser Gerätewechsel nur schwer tracken, mit Atlas ist das nun möglich – das erklärt die Uplifts. Marketer dürften durch das „Multi-Device-Tracking“ bei Atlas die Werbe-Kanäle viel besser verstehen. Es liegt nahe, dass bisher die Power mobiler Werbung unterschätzt wurde, weil viele Conversions erst nach vielen Tagen und Gerätewechseln passieren. Da bleiben Touchpoints wie das Smartphone auf der Strecke. Die Analyse von Atlas zeigt, dass sich das jetzt ändern sollte.

Atlas steht noch ganz am Anfang – und hat Riesen-Potenzial

Die Messergebnisse von Performance Media zeigen auch: Umso jünger die Zielgruppe, desto höher der Anteil an Mobile-Käufern – in allen Branchen. Besonders Frauen zwischen 18 und 25 führen fast die Hälfte ihrer Orders bereits mit mobilen Endgeräten durch. Da Cookies mobil nicht gut funktionieren, sind solche Erkenntnisse für die Marketingstrategie äußerst wichtig. Wer mobile Conversions nicht beobachten und genau tracken kann, verliert genau diese junge Zielgruppe aus den Augen. Atlas ist hier offenbar ein extrem wichtiges Tool. Überraschend ist auch die hohe mobile Abschlussquote von Männern bei Consumer Electronics. 15-20 Prozent kaufen elektronische Geräte bereits direkt mit dem Smartphone. Diese Erkenntnisse beruhen – wie bereits beschrieben – nur auf dem Analyse-Einsatz von Atlas. Performance Media-Kunden konnten die Leistung ihrer Kampagnen bereits besser verstehen. 

Nico Shenawai sagt Atlas aber eine große Zukunft voraus. Was für den nächsten großen Schritt fehle, sei die DSP-Funktion (Demand Side Platform). Dann könnten Brands auf Basis von Facebook-Daten (Alter, Geschlecht, Ort) bei Publishern Traffic einkaufen. „Das wäre der absolute Game-Changer“, sagt Shenawai. Ein Beispiel: Ein Unternehmen will auch außerhalb von Facebook Frauen aus Deutschland zwischen 30 und 40 ansprechen. Statt beispielsweise Traffic bei Brigitte einzukaufen, könnte man mittels einer Atlas DSP anhand der verknüpften Facebook Daten die tatsächlichen Nutzer einkaufen, die dem Geschlecht und Alter entsprechen. „Das minimiert die Streuverluste“, sagt Shenawai und somit steigt auch die Zahlungsbereitschaft der Werbetreibenden und der TKP (Tausend-Kontakt-Preis) den Publisher verlangen können.

Kampagnen-Auswertung in der Software von Performance Media: Das obere Beispiel zeigt gut, wie  die Orders mit Atlas steigen und gleichzeitig der CPO singt. (Quelle: Performance Media)

Kampagnen-Auswertung in der Software von Performance Media: Das obere Beispiel zeigt gut, wie die Orders mit Atlas steigen und gleichzeitig der CPO singt. (Quelle: Performance Media)

Machen die Unternehmen schon mit?

„Die Nachfrage zum Thema Atlas ist sehr groß“, sagt Nico Shenawai. Performance Media werde das Analysetool jetzt großflächig ausrollen und sei gespannt, wie es weiter geht. Atlas sei über eine API-Schnittstelle fest in das eigene System integriert und der Austausch mit deutschen und internationalen Atlas-Ansprechpartnern sehr eng. Nach einem exklusiven Start Ende 2014 mit wenigen Partnern geht Facebook mittlerweile auch international auf viele Agenturen zu. So langsam muss sich Google überlegen, wie man das eigene Tracking geräteübergreifend besser einsetzen kann, sonst überrollt Facebook bald den Markt.

MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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