Ja, die FaceApp geht wieder viral. Aber warum? Und wie viele Downloads entstehen daraus?
Nach 2017 gibt es aktuell den zweiten großen Hype um die FaceApp – doch er ist dieses Mal noch viel größer
- Warum ist FaceApp plötzlich wieder so erfolgreich?
- Auf Twitter ging der Trend in Japan los
- Prominente Nutzer und eine Challenge verstärken den viralen Effekt
- Im Schnitt über eine Million Downloads pro Tag
- Das Betreiber-Unternehmen aus Russland und Datenschutzprobleme
Ein stark ergrauter Drake, Lil Nas X als Opa, Ski-Legende Lindsey Vonn 40 Jahre nach Karriereende – seit einigen Tagen sind die Timelines sozialer Netzwerke und weltweiter Medien voll mit Fotos stark gealteter Prominenter. Grund dafür ist der virale Erfolg der App FaceApp, die dank des Altern-Filters nach 2017 gerade ihren zweiten Frühling erlebt. Während sich der Großteil der Berichterstattung um Datenschutzbedenken dreht, haben wir uns vor allem folgende Fragen gestellt: Wo hapriot der plötzliche Erfolg seinen Ursprung? Wie viele App-Downloads wurden bereits generiert? Und was verdient der Betreiber wohl am Hype?
Die Funktionsweise der App FaceApp ist recht schnell erklärt: Nach dem Download der Anwendung in Apples App Store oder Googles Play Store muss der Nutzer erst einmal ein paar Zugriffsrechte gewähren, ohne die die App im Prinzip nutzlos ist. Nach erteilter Freigabe für gespeicherte Fotos und auf die Kamera können User dann entweder ein neues Foto aufnehmen oder aus bereits gemachten Fotos wählen. Hier trifft die App bereits eine Vorauswahl und zeigt nur Fotos an, auf denen mindestens ein Gesicht zu sehen ist.
Auf das ausgewählte Foto können User dann verschiedene Filter anwenden, es in Collagen verwenden oder Hintergründe hinzufügen. Im Editor stehen unter anderem Optionen wie „Lächeln“, „Bärte“, „Haarfarben“ und „Frisuren“ zur Auswahl. Alles nette Spielereien, aber keine herausragenden, einmaligen Funktionen. Die Option, die dafür gesorgt hat, dass FaceApp seit einigen Tagen nicht mehr aus sozialen Medien und den News wegzudenken ist, heißt „Alter“: ein Filter, der die Person auf dem Foto deutlich altern lässt.
Warum ist FaceApp plötzlich wieder so erfolgreich?
Die App ist nicht neu: Den ersten großen Auftritt hatte sie bereits 2017. Zwei Wochen nach dem Launch im April nur für Apples Betriebssystem iOS soll die Anwendung bereits eine Million mal heruntergeladen worden sein. Damals seien anfangs vor allem Japan, Niederlande, Hong Kong, Norwegen, Russland und Argentinien Erfolgstreiber gewesen. In einer mit der Wayback Machine einsehbaren älteren Version der Webseite faceapp.com vom März 2019 heißt es sinngemäß: „Nummer 1 gratis iPhone-App in 95 Ländern im Jahr 2017. Nummer 1 gratis Android-App in 83 Ländern im Jahr 2017.“ In der aktuellen Version fehlt die Angabe für die Android-Version.
Nach dem fulminanten Erfolg im Jahr 2017, inklusive globaler Berichterstattung vom Guardian über Washington Post bis BBC und gleichzeitig massiver Kritik an ethnischen Filtern, war es 2018 deutlich ruhiger um die App FaceApp. Google Trends visualisiert sehr gut, wie sich das weltweite Interesse seit wenigen Tagen wieder massiv gesteigert hat. Den weltweiten Höhepunkt, also ein relatives Suchinteresse von 100, erreicht das Thema demnach am 17. Juli um 22 Uhr. Seit dem Hype im April 2017 (relatives Suchinteresse: 23) bewegte sich dieser Wert bis vor wenigen Tagen zwischen 1 und maximal 2; seit dem 13. Juli gegen Mittag stieg er explosionsartig an.
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Interessant ist auch ein Blick auf das Interesse in verschiedenen Regionen in den vergangenen sieben Tagen. Die Auflistung liefert zumindest einen ersten Anhaltspunkt, wo der Ursprung des aktuellen FaceApp-Hypes liegen könnte. An erster Stelle steht der Iran (100), gefolgt von Myanmar und Syrien (jeweils 60), Ägypten (49), Bangladesch und Libyen (jeweils 44). Deutschland folgt auf Platz 67 (6), die USA auf Rang 71 (6).
Auf Twitter ging der Trend in Japan los
Im täglichen Meedia-Newsletter „#trending“ schreibt Jens Schröder ebenfalls über den möglichen Ursprung des aktuellen FaceApp-Hypes. Auswertungen des Social-Media-Tools Talkwalker würden zeigen, dass am 11. Juli 88 Prozent aller Tweets mit dem Hashtag „#faceapp“ aus Japan stammten. Am 12. Juli hätte die arabische Sprache mit 70 Prozent den ersten Platz übernommen, am 15. Juli hätten 62 Prozent der Tweets ihren Ursprung im spanischen und portugiesischen Sprachraum gehabt. Erst seit dem 17. Juli wäre englisch die Sprache Nummer 1.
Einen weiteren Ansatz liefert das Anaylse-Tool Similarweb. Den Daten zufolge habe sich der Traffic der Webseite faceapp.com schon ab dem 5. Juli deutlich gesteigert. Während die durchschnittliche Anzahl der Visits pro Tag im Vorfeld bei rund 19.000 lag, wuchs dieser Wert dann auf über 40.000. Am 15. Juli lag er dann bei über 550.000. Die für den Traffic auf der Homepage relevantesten Länder waren in den vergangen 28 Tagen Similarweb zufolge Brasilien (16,28 Prozent), Ägypten (14 Prozent), USA (7,94 Prozent), Marokko (4,16 Prozent) und Russland (4,07 Prozent).
Auch wenn die von Similarweb ausgewiesenen Werte nur Näherungswerte sind, gibt das Tool unter dem Punkt „Referring Websites“ einen interessanten Hinweis, von welchen Seiten faceapp.com Traffic erhält – also eventuell Werbung in Form von Sponsored Posts schaltet. Mittels des Suchbefehls „faceapp site:DomainXY“ stößt man so auf einige Viralseiten, auf denen FaceApp offenbar zahlreiche bezahlte Artikel geschaltet hat. Darunter befinden sich unter anderem nametests.com (hier ein detailliertes Porträt des Betreibers aus Mainz, der social sweethearts GmbH), viralemon.com und das russische Portal opossumsauce.com.
Prominente Nutzer und eine Challenge verstärken den viralen Effekt
Sponsored Posts alleine machen natürlich noch kein virales Phänomen. Und da die Verbreitung der App in diesem Fall unglaublich international ist und ihren Ursprung ganz offenbar nicht in westlichen Ländern hat, ist es nahezu unmöglich, den einen Auslöser auszumachen. Alleine auf Instagram gibt es aktuell zum Hashtag #faceapp rund 750.000 Beiträge, für den Hashtag #faceappchallenge sind es noch knapp über 120.000. Die Influencer-Datenbank InfluencerDB weist über 6.100 Influencer aus, die einen der beiden Hashtags genutzt haben. Der jüngste, sehr reichweitenstarke Post stammt vom Produzenten und DJ Marshmello, der Anfang des Jahres mit einem Konzert innerhalb vom Hype-Spiel Fortnite von sich Reden gemacht hatte. Sein Post hat schon nach zwei Stunden über 180.000 Likes.
Die Reichweite von Beiträgen wie dem von Rapper Drake (siehe oben) sind in diesen Zahlen noch gar nicht enthalten – viele Promis und Influencer teilen ihre Fotos ohne die entsprechenden Hashtags. Trotzdem dürfte jeder Abonnent und Fan recht schnell den Rückschluss ziehen können, um welche App es geht; zumal häufig auch noch das Wasserzeichen „FaceApp“ in den Fotos enthalten ist.
Im Schnitt über eine Million Downloads pro Tag
Was aber bringt diese enorme Aufmerksamkeit am Ende? Wie viele Downloads konnte die App bisher erzielen? Und was generiert die Anwendung an Umsatz? Ein Blick in das Berliner App-Analyse-Tool Priori Data, das vergangenes Jahr für rund 15 Millionen Euro von Appscatter aufgekauft wurde, liefert hier beeindruckende Zahlen. Demnach wurde FaceApp in den vergangenen sieben Tagen 7,6 Millionen Mal heruntergeladen (Android: 4,3 Mio., Apple: 3,3 Mio.), den erwirtschafteten Umsatz – die kostenlose Version lässt sich mittels bezahlpflichtigen Abos um Filter und Funktionen erweitern – schätzt das Tool auf 807.400 US-Dollar (Android: 112.900 US-Dollar, Apple: 694.500 US-Dollar). Noch beeindruckender fallen die Zahlen natürlich aus, wenn man den Zeitraum seit dem ersten Launch im April 2017 betrachtet. Demnach wurde die App ingesamt 81,3 Millionen Mal heruntergeladen (Android: 55,4 Mio., Apple: 25,9 Mio.) und hat 8,4 Millionen US-Dollar umgesetzt (Android: 3,1 Mio. US-Dollar, Apple: 5,3 Mio. US-Dollar).
Die Herkunft der Downloads weist Priori Data für den Monat Juni aus, also noch vor dem aktuellen Hype. Für die Apple-Version stammen demnach 16 Prozent aus den USA, 13 Prozent aus Südkorea, elf Prozent aus Russland, neun Prozent aus Japan und sechs Prozent aus der Türkei. Deutlich anders sieht es bei Android aus: 16 Prozent aus Indien, neun Prozent aus Russland, sieben Prozent aus Brasilien, sechs Prozent aus Mexiko und sechs Prozent aus den USA.
Das Betreiber-Unternehmen aus Russland und Datenschutzprobleme
Hinter der App und dem in den App Stores angegebenem Entwicklerstudio FaceApp Inc steckt das Unternehmen Wireless Lab OOO aus St. Petersburg in Russland. Seit dem erneuten großen Erfolg der App äußern Medien und Experten immer wieder Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und des Datenschutzes. Die Fotos würden nicht lokal auf den Smartphones der User gespeichert, sondern online in der Cloud des Unternehmens in Russland. Yaroslav Goncharov, der CEO des Unternehmens, hat auf Nachfrage zahlreicher News-Seiten bereits auf die Fragen und Vorwürfe reagiert. So würden ausschließlich vom Nutzer zur Bearbeitung ausgewählte Fotos in die Cloud hochgeladen und meistens nach 48 Stunden wieder gelöscht. Er weist außerdem darauf hin, dass man sich mit keinerlei Daten einloggen müsse, um die App zu nutzen – und jeder Nutzer könne mit einer Mail an das Unternehmen alle Daten löschen lassen (das komplette Statement gibt es bei Techcrunch).
Insgesamt scheinen diese Bedenken auch nicht wirklich viele Nutzer zu stören. Die App befindet sich weiterhin auf Platz eins der Gratis-Apps in den App Stores. In Apples App Store folgen auf Platz zwei und drei mit „AgingBooth“ und „Facelab – Face & Body Editor“ alternative Anwendungen.