Asozial: lügen, klauen, Traffic machen – neue Abzocke bei Youtube gesichtet
- Unter dem Vorwand, Werbeeinnahmen einem Kinderdorf in Brasilien zu spenden, wird mit fremden Inhalten und Affiliatelinks Geld gemacht
- Verstoß gegen Urheberrecht und Youtubes Richtlinien
Unter dem Vorwand, Werbeeinnahmen einem Kinderdorf in Brasilien zu spenden, wird mit fremden Inhalten und Affiliatelinks Geld gemacht
„Wenn Sie den armen Kindern in Brasilien helfen wollen, die Krebs und diverse andere Krankheiten haben, würden wir uns übrigens freuen, wenn Sie auf die Werbung klicken.“ Mit dieser makaberen Masche versucht ein Channel-Betreiber auf Youtube, Klicks zu generieren und Geld zu verdienen. Und das nicht etwa mit eigens erstellten Videos, sondern mit Dokumentationen und anderen Inhalten von verschiedenen Fernsehsendern. Der erst am 8. Mai erstellte Kanal Dokuboss hat bis heute insgesamt über 108 Videos nach diesem Schema hochgeladen. Die Bandbreite reicht von einer Adolf-Hitler-Dokumentation (3sat), über Folgen der Pseudo-Reality „We are Family“ (Pro7) bis hin zu aufwendigen Produktionen von National Geographics. Die Titel der Videos sind durchweg extrem reißerisch und haben meistens nur grob mit dem eigentlichen Inhalt zu tun. Der Zusatz „Dokumentation Full HD 2014“ ist, zwecks Auffindbarkeit im Videoportal, immer enthalten. Zusätzlich findet sich bei jeder Videobeschreibung eine fast unendliche Liste von Keywords in den verschiedensten Kombinationen.
Der noch junge Kanal hat zwar bisher nur knapp 150.000 Video Views, setzt jedoch alles daran, um möglichst viel Geld zu verdienen. Jedes Video enthält In-Stream-Anzeigen, also Werbeclips, die vor dem eigentlichen Inhalt automatisch im Player abgespielt werden. Teilweise werden auch TrueView-In-Stream-Anzeigen verwendet, die nach fünf Sekunden weggeklickt werden können. Damit ist es natürlich noch nicht getan. Während des Videos werden etwa alle zehn Minuten Google Overlay-In-Video-Anzeigen eingeblendet. Bei einem zweistündigem Clip macht das insgesamt zehn Anzeigen. Um das gesamte Angebot von Youtube auszuschöpfen, erscheint auch auf jeder Videoseite klassische Displaywerbung (Banner.)
Zusätzlich finden sich in jeder Videobeschreibung sowie unter Kanalinfo einige, teils mit bitly erstellte Affiliatelinks. Diese leiten mit hohen Rabattversprechen zu Amazon und zu gk4.me, einem Shop, der Keys und Seriencodes von Videospielen anbietet. Dass der Kanal tatsächlich, wie im Impressum angegeben, vom Online-Video-Netzwerk zoomin.tv betrieben wird, darf bezweifelt werden.
Verstoß gegen Urheberrecht und Youtubes Richtlinien
Offenbar ist der Channel „Dokuboss“ bereits der zweite dieser Art des Betreibers. Bei „Top Movies – Die besten Dokumentationen“ findet man eine identische Kanalinfo, dieselben Affiliate-Links und die dreiste Erklärung, alle Einnahmen würden an Kinderprojekte in Brasilien gespendet werden. Allerdings besteht dieser Channel bereits seit Mai 2012 und hat, trotz nur 60 hochgeladener Videos, über 10.000 Abonnenten und über 3,6 Millionen Video-Views. Beide Kanäle empfehlen sich gegenseitig unter dem Reiter „Angesagte Kanäle“.
Dass ein solches Vorgehen gleich mehrfach gegen Youtubes AGB verstößt, ist kein Wunder. Schon allein die Aufforderung, man möge doch bitte auf Werbebanner klicken, widerspricht den AdSense-Programmrichtlinien. Und auch das Sammeln von Spenden, in diesem Fall zwar nur als Vorwand, ist nur „staatlich registrierten, wohltätigen Einrichtungen gestattet“.
Was können die Fernsehsender jetzt gegen solche Urheberrechtsverletzungen auf Youtube tun? Finden sich die Original-Inhalte nicht auf dem eigenen Youtube-Channel wieder, hilft das Content ID System nicht weiter. Mit dieser Funktion wird das Videoportal nach identischen Inhalten abgesucht, die dann gelöscht werden können. Und hier liegt auch das Problem: Der Großteil der Fernsehsender betreibt eigene Plattformen, auf denen Sendungen nachträglich online zur Verfügung stehen. Und auch auf eigenen Youtube-Kanälen, zum Beispiel von der ARD, werden keine langen und teuren Dokumentationen hochgeladen. Am Ende bleibt den Sendern bei Bedarf wohl nichts anderes übrig, als nach entsprechenden Kanälen zu suchen und Urheberrechtsverletzungen händisch zu melden.
Vielen Dank an Andre Alpar für den Hinweis!