Von der Anleitung bis zur Kurzgeschichte – wie KI-Texte das Marketing verbessern sollen
Automatisch generierte Texte werden immer besser. Davon wollen auch deutsche Startups profitieren
- 1,2 Millionen Euro für Textcortex
- In Amerika entsteht die Super-AI
- Das „Nein“ zu GPT-3 als Geschäftsvorteil
- Initiative fordert Bau von Supercomputern in Deutschland
Die Abkürzung GPT-3 sagt vermutlich nur wenigen etwas – dabei könnte sie die Welt verändern. Denn dahinter verbirgt sich eine der leistungsfähigsten künstlichen Intelligenzen der Welt, die automatisch Texte schreiben kann. Deutsche Startups wie Textcortex und Aleph Alpha setzten dennoch auf eigene Ansätze.
Ein paar Stichpunkte sollen reichen, dann legt die Maschine los. Monatelang haben Dominik Lambersy und Ceyhun Derinbogaz die Algorithmen dafür mit Daten trainiert. Das System sollte lernen, aus Stichworten Texte zu machen – und zwar solche, die Sinn ergeben und im besten Fall sogar so klingen, als habe ein Mensch sie geschrieben. „Unser letztes Investoren-Update haben wir bereits auf diese Weise geschrieben“, sagt Dominik Lambersy: „Ich habe die Grundstruktur im Kopf gehabt und meine Stichpunkte dann von der KI auffüllen lassen.“
2021 haben Lambersy und Derinbogaz ihr Startup Textcortex zusammen in Berlin gegründet. Die beiden haben zusammen eine Art Textgenerator entwickelt, der künftig per Browser-Plugin genutzt werden kann – etwa im Marketing. „Wenn man keine Texte auf der eigenen Website hat, ist man für die Suchmaschinen praktisch unsichtbar“, sagt Lambersy (hier beschreiben wir, welche Möglichkeiten KI im Audio-Bereich bietet). Mit Hilfe von Textcortex sollen die Nutzer:innen deutlich mehr Materialien erstellen können, etwa Informationen in eigener Sache oder Produktbeschreibungen. Dazu müssen sich sich lediglich eine Browser-Erweiterung bei Googles Chrome-Browser installieren. „Wir hatten erst über einen Text-Editor nachgedacht“, sagt Dominik Lambersy: „Aber wieso sollten wir noch einen weiteren Editor einführen? Unser Ziel ist, dort zu sein, wo Menschen arbeiten, kreieren und sich sprachlich verwirklichen.“
1,2 Millionen Euro für Textcortex
Für die Weiterentwicklung ihres Unternehmens haben die Gründer kürzlich 1,2 Millionen Euro Pre-Seed-Finanzierung bekommen. Neben Lambersys altem Arbeitgeber, dem österreichischen Wagniskapitalgeber Speedinvest, beteiligten sich auch Entrepreneur First sowie Btov. Speziell das Investment von Letztgenanntem kann als Signal verstanden werden. Denn Btov hatte in der Vergangenheit auch bereits das Kölner Unternehmen DeepL finanziert, dessen Übersetzungssoftware als leistungsstärker als Google Translate gilt.
Die Formel „mehr Texte gleich mehr Umsatz“ ist natürlich übertrieben. Doch gerade im Online-Marketing haben Produktbeschreibungen beispielsweise großen Einfluss auf die Conversions. Gerade bei großen Mengen an Inventar können automatisch generierte Texte viele Vorteile bringen. Auch Blog-Artikel könnten schneller und einfacher erstellt werden.
Ähnlich verhält es sich bei vielen Nachrichtenseiten: sie können dank des Einsatzes von Technologie Texte automatisch generieren in einer Detailtiefe, die früher nur mit erheblichem personellen Aufwand möglich gewesen wäre. Der WDR hat zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen beispielsweise automatisch Texte zu den Gewinnern in allen Wahlkreisen erstellen lassen. Auch Börsenbewegungen, Wetter- oder Verkehrsmeldungen lassen sich gut automatisiert erstellen. Das Hamburger Unternehmen Sportplatz Media bietet seinen Kunden sogar „Spielberichte auf Knopfdruck“.
In Amerika entsteht die Super-AI
Doch die Möglichkeiten sind heute noch viel weitreichender: Blog-Artikel, Produktbeschreibungen, Chats, Kurzgeschichten – all dies soll sich inzwischen schon von einer künstlichen Intelligenz erstellen lassen. Die wohl bekannteste Technologie in diesem Bereich ist GPT-3 (hier haben wir sie ausprobiert). Das liegt nicht nur an ihren Fähigkeiten, sondern auch an ihren Förderern. Denn GPT-3 wurde von OpenAI entwickelt. Die Organisation wurde 2015 als gemeinnütziges Projekt gestartet, hat seit 2019 aber auch eine Tochterfirma, die sich um die Kommerzialisierung der Technologie kümmert. Das Ziel von OpenAI ist es nach eigenen Angaben, dafür zu sorgen, dass künstliche Intelligenz der gesamten Menschheit zugute kommt. Zu den Investoren gehören unter anderem Tesla-Chef Elon Musk, Paypal-Gründer Peter Thiel oder der Software-Konzern Microsoft.
In der Fachwelt hatte GPT-3 vor einigen Jahren für Aufmerksamkeit (und Begeisterung) gesorgt. Die Abkürzung steht für Generative Pretrained Transformer 3 und meint im Kern ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Sprachprogramm. Dieses berechnet auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten, welches Wort auf ein anderes Folgen könnte. Wer beispielsweise das Wort „Herzlichen“ schreibt, wird wahrscheinlich anschließend „Glückwunsch“ oder „Dank“ schreiben wollen. Das Sprachmodell erkennt solche Muster und lernt auf Basis der Ergebnisse permanent dazu. Textgeneratoren arbeiten nach solchen Mustern schon sehr lange, aber gerade mit Blick auf die Komplexität ist GPT-3 in neue Dimensionen vorgestoßen. Dies liegt an den sogenannten neuronalen Netzen, die bei GPT-3 zum Einsatz kommen. Wie leistungsstark diese sind, zeigen auch andere Beispiele – etwa eine Art „Montagsmaler“, mit dem Google seine Künstliche Intelligenz trainiert.
Das „Nein“ zu GPT-3 als Geschäftsvorteil
Textcortex hat sich gegen den Einsatz von GPT-3 entschieden. Und zwar ganz bewusst. „Die meisten Anbieter nutzen GPT-3 – aber dadurch gibt es natürlich auch weniger Differenzierungsmöglichkeiten und alle sind irgendwie auf dem gleichen Level“, sagt Dominik Lambersy. Ähnlich wie OpenAI setzt das Unternehmen darauf, die Algorithmen selbst zu trainieren. Lambersy setzt darauf, dass das eigene Angebot dadurch langfristig präziser ist als die Open-AI-Lösung, die eher einen generalistischen Ansatz hat. Nach eigenen Angaben ist die Anwendung von Textcortex auch energiesparender, weil nur ein Hundertstel des Rechenaufwands benötigt werden verglichen mit GPT-3.
Auch einige andere gehen den Schritt, ihre Algorithmen selbst zu trainieren, etwa Aleph Alpha aus Heidelberg. Das Unternehmen wird unter anderem finanziert von den Risikokapitalgebern Lakestar und Earlybird und wirbt unter anderem damit, mehrsprachige Übersetzungen zu ermöglichen. So könnte man Bildbeschreibungen nicht nur auf Englisch, sondern beispielsweise auch auf Deutsch oder Spanisch erzeugen. Auch andere Anbieter aus Europa wie AX Semantics aus Stuttgart setzen auf Mehrsprachigkeit.
Initiative fordert Bau von Supercomputern in Deutschland
Welche Bedeutung die Technologie aus Sicht der Wirtschaft hat, wurde vor wenigen Tagen deutlich. Da forderte die Initiative Leam den Bau eines Supercomputers, um große KI-Modelle zu trainieren. Hinter der Initiative stecken unter anderem Unternehmen wie Bayer, Bosch, Continental oder SAP, aber auch der KI-Verband. „In Europa stehen wir vor der Herausforderung, den Anschluss an die Entwicklung und einen weiteren Teil unserer digitalen Souveränität zu verlieren“, ließ sich Verbandspräsident Jörg Bienert zitieren.
In der Wirtschaft gibt es großes Interesse an leistungsfähigen Sprachmodellen. Der Energiekonzern Eon würde sie beispielsweise gerne nutzen, um im Kundenkontakt bessere Chatbots einzusetzen. Amerikanische und chinesische Angebote helfen da wenig – sie können kein Deutsch.