Kahoot: Wie eine Lernplattform aus Norwegen 120 Millionen App-Downloads generiert hat

Martin Gardt2.3.2023

Mit der App sollen Menschen jeden Alters spielerisch lernen. Darum glauben Disney, Microsoft und General Atlantic an die Vision

Kahoot im Klassenzimmer
In vielen Klassenräumen der Welt gehört Kahoot mittlerweile dazu (Foto: Kahoot)
Inhalt
  1. Eine App, viele Inhalte
  2. Geschäftsmodell mit vielen Säulen
  3. Nebenjob Kahoot
  4. Der Viral-Effekt von Kahoot

Es gibt eine wahnwitzige Zahl, mit der die Lernplattform Kahoot wirbt: Acht Milliarden Nutzende. So oft haben Menschen (nicht Einzelpersonen) die norwegische Lernplattform schon benutzt, um sich weiterzubilden. Das mussten wir uns genauer anschauen. Wir zeigen heute, was genau hinter Kahoot steckt, wie ein Viral-Effekt für dauerhaftes Wachstum sorgt und warum auf der Plattform gerade eine eigene Ökonomie entsteht.

„Wir wollen das volle Lernpotenzial aller rauskitzeln – unabhängig von Alter, Thema oder Kontext“, sagt Kahoot-Erfinder Morten Versvik gegenüber CNBC. „Die Idee war es, Engagement und Kampfgeist bei allen Lernenden auszulösen.“ Versvik hat die Idee zu einem Lernspiel, das Spaß in Klassenräume bringt, schon 2006 als Student in Oslo. Es dauert dann aber etwas, bis er Kahoot 2013 gemeinsam mit Johan Brand, Jamie Brooker und Asmund Furuseth offiziell startet. Heute ist das Unternehmen an der norwegischen Börse, macht 170 Millionen US-Dollar Umsatz und ist etwa eine Milliarde Dollar wert. Zu den Investoren zählen Schwergewichte wie Disney, General Atlantic und Microsoft.

Eine App, viele Inhalte

Kahoot ist vor allem eine App und Desktop-Anwendung die Tausende Lerninhalte bietet: Allgemeinwissen, Mathe, Fremdsprachen, Quizze, jede Nische wird bedient. Das Wichtigste: Das Lernen soll Spaß machen, die Quizze sind animiert, am Ende gewinnen die Ratenden, die am schnellsten die richtigen Antworten antippen. Auch der Wettkampf soll mehr Spaß in das Lernumfeld bringen. Das große Stichwort ist hier Gamification. Ein zentrales Element von Kahoot: Nutzende können in der App eigene Lerninhalte erstellen. Das richtet sich vor allem an Lehrer*innen, deren Schüler*innen dann über einen PIN dem jeweiligen Lernspiel beitreten können. Kahoot macht es den Erstellenden sehr einfach, verschiedenste Lerninhalte zu erstellen – etwa ein Quiz, die Auswahl zwischen richtig oder falsch, einen Schieberegler für Schätzfragen. Jedes Quiz lässt sich über eine auswählbare Themenoptik auch animieren. Verschiedene Optiken sind in der App hinterlegt, Nutzende können auch eigene hinzufügen. So können auch Novizen auf die Schnelle professionell wirkende interaktive Wissens-Quizze erstellen.

Quizfrage bei Kahoot

Eine Quizfrage in der Browser-Version von Kahoot (Foto: Kahoot)

Laut Kahoot nutzen 87 Prozent der Top-Universitäten und 97 Prozent der Fortune-500-Unternehmen die App für Bildungszwecke. Nach Unternehmensangaben wurden seit der Gründung bereits mehrere hundert Millionen Lernsessions über Kahoot erstellt, die dann von den bereits erwähnten acht Milliarden Nutzenden gespielt wurden (einzelne Menschen sind sicher Power-User). Auch Privatpersonen nutzen Kahoot für die Weiterbildung, sonst wären die Downloadzahlen der App auch gar nicht machbar. Laut dem Analysetool Appfigures wurde die App auf iOS und Android bisher etwa 116 Millionen Mal heruntergeladen, in Deutschland etwa vier Millionen Mal.

Geschäftsmodell mit vielen Säulen

Sein Geld verdient das Unternehmen vor allem über ein Abo-Modell. Das ist besonders für Power-User spannend, die oft eigene Lerninhalte erstellen. Bestimmte Funktionen bei der Erstellung von Fragen sind nur mit einem Premium-Account nutzbar. Aber auch Lernende drückt das Unternehmen in seine Subscription. Viele der Quizze und Lerninhalte sind nur im Abo verfügbar. Sein Subscription-Modell in der heutigen Form hat das Unternehmen erst in der Pandemie gestartet. Ende 2022 hatte Kahoot nach eigenen Angaben bereits 1,3 Millionen Subscriber. Der sogenannte Kahoot Access Pass kostet 4,99 Euro im Monat oder 35,99 Euro pro Jahr.

Auch Unternehmen zahlen für die Services von Kahoot. Die Enterprise-Lösungen sollen vor allem für Teambuilding-Maßnahmen und interne Weiterbildung genutzt werden. Zu den Kunden zählen laut Kahoot unter anderem Facebook, Google, Amazon, Salesforce und Indeed. Und auch für Schulen und Lehrkräfte hat Kahoot Programme, die monatliche Gebühren auslösen.

Nebenjob Kahoot

Disney bei Kahoot

Unternehmen wie Disney sind Quiz-Creator bei Kahoot

Zusätzlich erzielt das Unternehmen aber auch Einnahmen über die Inhalte der Creator. Denn am Ende ist Kahoot nur eine Plattform, die zwar mit eigenen Teams Lernspiele erstellt. Einen Großteil der Inhalte liefern aber Dritte. Meist sind das Einzel-Creator, Lehrkräfte, die ihre Kurse für die Allgemeinheit auch kostenpflichtig anbieten können. Solche Kurse beinhalten mehrere Einzel-Lernspiele und kosten zwischen 3,49 Euro und 11,99 Euro. Kahoot behält davon etwa die Hälfte als Provision. So ist ein richtiges Creator-Business auf der Lernplattform entstanden mit einzelnen Tutor*innen, deren Lernspiele hunderttausendfach von Millionen Nutzenden gespielt wurden. So können Lehrer*innen ihr Material als eine Art Nebenjob bei Kahoot einstellen und gutes Geld verdienen.

Aber nicht nur Einzelpersonen laden Lerninhalte auf die Plattform. Einige der größten Unternehmen der Welt nutzen Kahoot als Marketing- und HR-Vehikel. Disney, das ja auch in die Lernplattform investiert ist, hat zu vielen seiner Filme – unter anderem auch Star Wars – Trivia-Quizze auf Kahoot, nutzt seine Figuren aber auch, um Kindern und Jugendlichen Dinge wie Soft Skills, Freundschaft, Kunst oder das Atmungssystem beizubringen. Intuit, ein Hersteller von Finanzsoftware, klärt über Steuern oder Kreditkarten auf und will so sicher auch neue Kund*innen gewinnen. Die NASA gibt Kurse zum Weltall und will die nächste Generation so für die eigenen Ziele begeistern. Und Amazon zeigt seine Lagerroboter, um Ingenieure zu gewinnen. Andere Brands, die auf Kahoot Lernspiele veröffentlichen sind unter anderem die WHO (World Health Organization), der WWF, die UN, Microsoft und Zeiss.

Der Viral-Effekt von Kahoot

Bis 2025 will Kahoot etwa 500 Millionen US-Dollar Umsatz pro Jahr machen. Dabei spielen die Unternehmens- und Schulpartner eine ebenso große Rolle, wie der Marktplatz mit den Creatorn. Am wichtigsten dürfte jedoch die weitere Entwicklung der Nutzerzahlen sein. Beim weiteren Wachstum dürfte wie bisher auch der eingebaute Viral-Effekt der App funktionieren. Lehrer*innen entdecken die App, bauen Lernspiele, laden 30 Schüler*innen ein und schon sind aus einem User viele weitere entstanden. Wenn Schüler*innen jetzt noch eigene Quizze erstellen und Freund*innen einladen, ist der Viral-Effekt komplett. Und selbst wenn es so nicht funktioniert, der Plattform-Gedanke hinter Kahoot garantiert, dass für jeden Nutzenden etwas dabei ist. Laut dem Unternehmen sind derzeit 50 Millionen Lernspiele in der App verfügbar. Von Youtube & Co. weiß man: Immer neuer Content erhöht zumindest die Chancen, dass auch neue Nutzende immer wieder nachrücken.

Kahoot kann sich klassische Marketing-Aktionen also sparen. Auf den Social-Plattformen hat das Unternehmen keine größeren Präsenzen (unter 40.000 Follower bei Instagram). Laut Facebook-Infos schaltet das Unternehmen auf den Meta-Plattformen auch keine Ads. Auf Youtube ist Kahoot gar nicht aktiv. Auf Tiktok versucht es das Unternehmen immerhin mit seinem Bieber-Maskottchen als Duolingo-Nachahmer mit 270.000 Followern. Die Ausgaben für Marketing dürften also extrem gering sein. Kein Wunder, dass in den Plänen für 2025 mit 500 Millionen Dollar Umsatz auch eine Marge von 40 Prozent festgehalten ist. Wenn Unternehmen, Schulen, Lehrkräfte und Creator den Großteil der Inhalte bauen und gleichzeitig immer neue Nutzende akquirieren, könnte das Ding langfristig von ganz allein laufen.

EdtechViral Marketing
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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