Diese beiden Mädels haben mit kaum Kohle vom Küchentisch aus eine neue digitale Medienmarke mit Hundertausenden Leserinnen aufgebaut

Alexandra Springer (links) und Ninon Götz von Très Click
Inhalt
  1. Très Click setzt an, im Web altgediente Verlagsmarken wie Gala zu überholen
  2. „Würde ich es klicken, posten, sharen?“
  3. Influencer Traffic für 200 Euro
  4. Mit Bill Kaulitz im Aufzug stecken geblieben
  5. User für 1 Dollar-Cent bei Facebook kaufen
  6. „Native Advertising“ sorgt für Umsatz

Très Click setzt an, im Web altgediente Verlagsmarken wie Gala zu überholen

Alexandra Springer (links) und Ninon Götz von Très Click

Alexandra Springer (links) und Ninon Götz von Très Click

500.000 Visits und 380.000 Unique User im Monat – diese durchaus beachtliche Reichweite haben Ninon Götz (37) und Alexandra Springer (30) mit ihrem Online-Magazin Très Click in weniger als einem Jahr aufgebaut. Schon jetzt befinden sie sich damit in Schlagdistanz zu alteingesessenen Frauenmedien. „Unser Ziel ist es, die Startseite für die Female Millenials zu werden“, sagt Götz im Gespräch mit Online Marketing Rockstars. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie die Très-Click-Macherinnen die bisherige Reichweite aufgebaut haben und wie sie diese weiter skalieren und monetarisieren wollen.

Als sich Ninon Götz und Alexandra Springer als Mitarbeiterinnen bei der Zeitschrift Grazia kennenlernen, ist die deutsche Verlagslandschaft arm an spannenden Projekten im Frauenbereich. Auf der Suche nach Themen und Artikeln werden die beiden Grazia-Redakteurinnen immer nur auf neuen US-Seiten fündig. „Auf deutschen Seiten war da nie etwas Interessantes oder Spannendes zu finden. Alles was uns irgendwie gekickt hat, kam aus den USA.“ Besonders Refinery29 begeistert sie, aber auch andere junge US-Publishing-Projekte wie Elitedaily. „Alles, was laut schnell und progressiv ist und sich selbst nicht so ernst nimmt. Wir haben immer darauf gewartet, dass einer der großen Verlage mal etwas ähnliches in Deutschland macht, aber da ist nie etwas passiert. Dann haben wir beschlossen: Wir machen das einfach selbst.“

Die Einstiegshürde ins Online-Publishing ist zum Glück vergleichsweise niedrig; das Geld, das beide bei ihren vorherigen beruflichen Stationen gespart haben, reicht für den Start. Sie gründen eine gemeinsame GmbH. Eine Agentur, die Götz noch von anderen gemeinsamen Projekten kennt, baut eine Website und vom Küchentisch aus fangen die beiden jungen Frauen an, zu publizieren. An Themen und Ideen mangelt es nicht: „Wir haben uns jeden Tag getroffen und einfach Content, Content, Content produziert.“

„Würde ich es klicken, posten, sharen?“

Die beiden Gründerinnen schreiben, fast immer mit einem kleinen Augenzwinkern, über Mode, Kosmetik und Promiklatsch und veröffentlichen zwischen sechs und acht Artikel pro Tag. Ihr Ton entspricht dem der jungen US-Seiten; die Headlines sind nach Art von heftig.co auf den Klick optimiert. „Unser Vorteil ist: Wir sind unsere eigene Zielgruppe. Wenn uns etwas gefällt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es auch andern gefällt.“ Als Lackmustest dienen ihnen dabei stets die Fragen: „Würd’ ich’s klicken, würd’ ich’s posten, würd’ ich’s sharen? – Wenn wir nicht alle drei mit ja beantworten können, machen wir ein Thema nicht.“

Am Anfang ist es eine Herausforderung, bei der potenziellen Leserschaft bekannt zu werden. „Eine Seite zu launchen ist ja wie einen Kiosk im Wald aufzumachen; da kennt einen ja niemand.“ Die beiden Macherinnen überlegen sich also einige Winkelzüge, um diesen Zustand zu ändern. Götz’ Vergangenheit in der Werbung – sie hat unter anderem für die fast schon legendäre Hamburger Agentur Springer & Jacoby gearbeitet – dürfte in dieser Situation geholfen haben. „Wenn wir in etwas gut sind, dann darin, Wirbel zu machen“, so die Très-Click-Macherin.

Influencer Traffic für 200 Euro

Mit mehreren Aktionen gelingt es ihnen so, bereits bestehende Reichweiten anderer zu kapern. Für ihre Launch-Party beispielsweise lassen sie für insgesamt 200 Euro eine Très-Click-Logo-Wand und lebensgroße Pappfiguren von Karl Lagerfeld und Vogue-Chefin Anna Wintour erstellen und besorgen einen roten Teppich. Die für die Party geladenen Modeblogger und andere bekannte Figuren aus der Fashion-Szene posten die Bilder über ihre Social-Media-Profile – und prompt erhält Très Click erste Aufmerksamkeit in genau der richtigen Zielgruppe.

KARL WHO…? #bestbuddies #lastnight #tresclick @anita_hass ❤️

Ein von Anna-Angelina Wolfers (@annaangelinawolfers) gepostetes Foto am 16. Okt 2014 um 12:55 Uhr

Damit nicht genug: Die beiden Très-Click-Macherinnen schaffen es auch, Konkurrenten aus traditionellen Verlagen vor ihren Karren zu spannen. „Wir wussten genau, niemand schreibt über ein neues Online-Magazin – deswegen haben wir eine Kollektion designt.“ Die T-Shirts und Pullover tragen Aufschriften wie „Jil Zander“ und „Cat Moss“, hängen sich damit an den aktuellen Trend von Designerparodien an und werden außer über das Internet auch über die namhaften Boutiquen Anita Hass und Jades verkauft. „Das war eine ganz bewusste Maßnahme für uns, um in die Medien zu kommen.“ Mit Erfolg: So berichten unter anderem Interview und Couch über die Kollektion. Fashion Promis wie Julia Stegner featuren die Oberteile auf Instagram-Fotos.

Love my new @tresclickmag sweater ? Available @colette very soon #JilZander #SharkJacobs

Ein von Julia Stegner (@juliastegner) gepostetes Foto am 9. Apr 2015 um 11:34 Uhr

Mit Bill Kaulitz im Aufzug stecken geblieben

Der dritte Coup ist ein Video-Interview mit Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz. Die Band hat zu diesem Zeitpunkt gerade ein neues Album veröffentlicht. Über die Freundin einer Freundin bekommt Götz Kontakt zum Management und bekommt wegen ihrer Idee für ein andersartiges Interview-Format einen Termin mit dem Sänger: Unter dem Titel „Im Aufzug stecken geblieben mit“ interviewt die Journalistin den Sänger in weniger als vier Minuten im Aufzug des Berliner Ritz Carlton. Der Aufwand von einer halben Stunde lohnt sich, denn: „Promis laufen immer“, so Götz. Auch das Video bringt gut Traffic; „Tokio Hotel haben ja unfassbar viele Fans“. Darüber hinaus greifen andere Medien das Interview auf. Innerhalb weniger Stunden wird das Video so 13.000 Mal abgerufen; heute steht der Zähler bei Youtube auf mehr als 70.000 Views.

Auf diese Weise baut Très Click eine Grundreichweite an Leserinnen auf, die die beiden Macherinnen mit unterhaltsamen, clever angeteastem Content bei der Stange halten wollen. „Das hören Zahlenmenschen nicht so gerne, weil es nicht skalierbar ist, aber für unser Wachstum war und ist die Qualität des Contents das Allerwichtigste“, sagt Götz.

Nicht zu unterschätzen ist allerdings auch, wie sehr Facebook den beiden bei der Skalierung hilft. „Uns war von Anfang an klar, dass Facebook der einzige Weg ist, um überhaupt Reichweite aufzubauen.“ Nicht nur, dass die beiden Inhalte produzieren, die auf die virale Verbreitung angelegt sind. „Wir haben von Anfang an versucht, nicht immer nur den Klick einzufordern, sondern den User auch direkt im Feed zu unterhalten. Wir machen Videos, posten Visual Statements – also Sachen, wo kein Link dahinter war.“ Die Leser danken es ihnen mit teilweise enormen Sharing-Zahlen.

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User für 1 Dollar-Cent bei Facebook kaufen

Darüber hinaus kaufen sie mittels Anzeigen zu sehr niedrigen Preisen Traffic bei Facebook ein. „Weil unsere Zielgruppe quasi mit der von Facebook deckungsgleich ist, können wir mit unseren Ads mit unfassbar wenig Geld unfassbar viele Leute erreichen“, so Götz. „Wir zahlen zwischen einem und zwei Dollar-Cent pro Klick.“ Pro Tag investieren sie ein Budget im dreistelligen Euro-Bereich. Zuerst schalten sie Page Like Ads um die Zahl ihrer Fans zu steigern, mittlerweile bewerben sie auch einzelne Beiträge. Heute hat Très Click mehr als 78.000 Facebook Fans. Ihr alter Arbeitgeber Grazia liegt bei 20.000, Gala.de bei 95.000.

80 Prozent des Très-Click-Traffics kommt so über Facebook. Andere Traffic-Quellen wie Suchmaschinen sind für das Portal quasi irrelevant. „Wir sind zwar bei Google News angemeldet, aber die für uns relevanten Keywords sind von Zalando & Co so durch optimiert, dass SEO derzeit keine große Priorität für uns hat“, sagt Götz.

Um zukünftig nicht zur Gänze von Facebook abhängig zu sein, experimentieren die beiden Publisherinnen derzeit aber mit anderen Kanälen. So haben sie ihren Newsletter reanimiert und sammeln über ein Exit Intent Pop-Up Adressen ein. „Wir arbeiten auch an einem Tool, um eine eigene Community aufzubauen, aber das wird noch ein wenig dauern.“

„Native Advertising“ sorgt für Umsatz

Ihre bisher schon aufgebaute Reichweite monetarisieren die beiden Geschäftsfrauen alleine über Sponsored Posts; auf Display-Werbung verzichten sie bewusst. „Sponsored Posts haben teilweise mehr Traffic generiert als unsere redaktionellen Beiträge“, sagt Götz. Die Werbe-Posts schreiben beide selbst; ebenfalls nach dem Prinzip „Würde ichs klicken, würd ichs sharen, würde ichs posten“. Eine Trennung zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung hält Götz für „totalen Quatsch. Ich will ja nicht, dass der User unterscheidet zwischen Werbung und Content.“ Zwar sind die Werbe-Beiträge auf Très Click als „Sponsored“ gekennzeichnet – nicht allerdings bei Facebook.

Die Kunden zahlen pro Post einen festen Betrag im vierstelligen Bereich. „Eine Vermarktung auf TKP-Basis wäre für uns zu kurz gesprungen, weil dann unsere kreative Leistung gar nicht berücksichtigt wäre.“ Besonders erfolgreich sei beispielsweise der Artikel „Du errätst nie, wo wir diese coole Bag geshoppt haben“ für Tchibo, gewesen. Zu den weiteren Kunden gehören der Kosmetikhersteller Maybelline, die Schuhmarke Imaari und der Erotik-Shop Eis.de.

Affiliate Marketing dient als „zweites Standbeinchen“, wie Götz sagt. Die von Très Click empfohlenen Produkte sind auch in einem Affiliate-Shop auf der Website gebündelt. Der Umsatzanteil liegt derzeit aber bei lediglich 10 Prozent.

Mit der Vermarktung verdient Très Click nach eigenen Aussagen gutes Geld, profitabel ist das Unternehmen aber noch nicht. „Wir investieren alles wieder in Wachstum“, sagt Götz. So beschäftigen sie derzeit eine weitere Redakteurin und eine Praktikantin und arbeiten mit ihrer Agentur permanent an der technischen Optimierung ihrer Plattform.

Derzeit halten Götz und Springer jeweils 50 Prozent am Unternehmen hinter Très Click. Die beiden Gründerinnen verhandeln zurzeit mit potenziellen Investoren, darunter zwei Verlage und ein weiteres Unternehmen. „Wir wollen aber auch in Zukunft redaktionell unabhängig bleiben – das ist nicht verhandelbar.“ Immerhin müssen die beiden schon heute nicht mehr vom Küchentisch aus publizieren – mittlerweile hat Très Click eigene Büroräume in Hamburg St. Georg bezogen.

Wer mehr darüber erfahren will, wie genau Très Click „Traction“ gewonnen hat und wie genau sie ihre Facebook Anzeigen schalten, sollte am Mittwoch, den 18. November, den von uns mit veranstalteten Traction Day an der Hamburg Media School besuchen – mit dabei: die Macherinnen von Très Click! Mehr dazu bald an dieser Stelle.

Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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