Nach Befragung vor US-Kongress: Tiktok bemüht um Schadensbegrenzung

In den USA wird ein Tiktok-Verbot diskutiert. Das Unternehmen hält dagegen.

Die Tiktok-App auf einem iPhone. Im Hintergrund ist die chinesische Flagge zu sehen. Foto: Solen Feyissa/Unsplash
Die Tiktok-App auf einem iPhone. Im Hintergrund ist die chinesische Flagge zu sehen. Foto: Solen Feyissa/Unsplash
Inhalt
  1. Tiktok bemüht sich um Vertrauen
  2. Werbeplakate in Washington DC
  3. „Datenschutz. Eure Priorität. Unsere Verpflichtung“
  4. Tiktok will mit vermeintlichen Mythen aufräumen
  5. Tiktok-Nutzende sollen Unternehmen helfen

Nachdem US-Kongressabgeordnete Tiktok-CEO Shou Zi Chew während einer Anhörung unerbittlich mit Fragen gegrillt haben, bemühen sich der Kurzvideodienst und einige Partnerfirmen um Schadensbegrenzung. Der Grund: Chew konnte die Sorgen der amerikanischen Gesetzmacher, dass Tiktok-Mutterkonzern Bytedance ein nationales Risiko sei, nicht beschwichtigen.

Die amerikanische PR-Agentur Golin, die Creator*innen für Markenkunden anheuert, bat Kund*innen am vergangenen Freitag bereits im Angesicht von Chew’s Anhörung darum, mit dem Unterzeichnen neuer Sponsoring-Verträge für Kampagnen auf Tiktok zu warten. Dies geht aus einer Nachricht hervor, die The Information einsehen konnte. Golin führt demnach offenbar auch bereits Gespräche über Notfallpläne im Falle eines Verbots. Gegenüber The Information wollte sich die Agentur auf Anfrage nicht äußern.

Unterdessen haben Tiktok-Mitarbeitende am Freitag bereits Kontakt mit Werbetreibenden aufgenommen, um noch einmal auf die wichtigsten Botschaften aus Chews Anhörung hinzuweisen. Eine entsprechende E-Mail konnte The Information einsehen. In der E-Mail war auch eine persönliche Botschaft von Blake Chandlee enthalten, dem Head of Sales für das US-Geschäft. Dieser teilte mit, dass man „aktiv“ als Unternehmen daran arbeite, Fehlinformationen über Tiktok zu korrigieren.

Tiktok bemüht sich um Vertrauen

Die Bemühungen von Tiktok und anderen Unternehmen, die mit der App arbeiten, zeigen das Ausmaß der Probleme. Tiktok bemüht sich darum, das fehlende Vertrauen wiederherzustellen. Die knapp fünfstündige Anhörung trug wenig dazu bei, die Sicht von US-Politikern zu ändern. Mehr noch: Sie könnte das Misstrauen sogar noch vertieft haben. Über die Parteigrenzen hinweg behauptet eine immer größer werdende Gruppe von Politiker*innen behaupten, dass Tiktoks Mutterkonzern der chinesischen Regierung ermöglicht, gefährlichen Einfluss auf die hauptsächlich jungen App-Nutzer*innen zu nehmen.

In der Anhörung hat Chew das Hauptargument von Tiktok erneut betont. Nämlich, dass die zusammen mit Partner Oracle ins Leben gerufene Datenschutz-Initiative, genannt Project Texas, US-Nutzerdaten abschotten wird. Allerdings deuteten Abgeordnete Chews Antworten um, da sich aus ihnen heraushören ließ, dass solche Absicherungsmaßnahmen noch nicht ergriffen wurden. An einer Stelle hat Chew beispielsweise zugegeben, dass Programmierer*innen in China noch Zugriff auf Daten der US-Nutzenden haben könnten. Er ergänzte jedoch, dass dies nicht mehr der Fall sein werde, sobald Project Texas den Betrieb komplett aufgenommen habe.

Werbeplakate in Washington DC

„Das Publikum im US-Kongress war Tiktok gegenüber überraschend kritisch“, sagt Permele Doyle, Präsident und Mitgründer von Billion Dollar Boy, einer Influencer-Agentur aus den USA. „Im Endeffekt ist davon auszugehen, dass sich kaum etwas an der Sicht auf die Plattform geändert hat.“

Nachdem Tiktok mit dem Rücken zur Wand stand, hat es sich am beliebten PR-Playbook der Techkonzerne bedient: Im Vorfeld der Anhörung schaltete das Unternehmen Werbekampagnen im Großraum Washington DC und auf Medienkanälen, die bei Politikern beliebt sind, darunter Axios, Politico und die New York Times.

„Datenschutz. Eure Priorität. Unsere Verpflichtung“

Noch am Donnerstagabend, nur ein paar Stunden nach Chews Auftritt, wurden Infoscreens am Washingtoner Flughafen, der nur wenige Kilometer vom US-Kapitol entfernt ist, mit Tiktok-Werbung bespielt. Eine Botschaft: „Data security and privacy. Your priority. Our commitment.“ (auf Deutsch: Datenschutz. Eure Priorität. Unsere Verpflichtung.)

Außerdem hat Tiktok versucht, seine 150 Millionen monatliche Nutzer*innen durch Werbungen auf der For-You-Seite zu animieren. Im Mittelpunkt der geschalteten Werbungen war mindestens eines der kleinen und mittelständischen Unternehmen zu sehen, die Tiktok letzte Woche nach Washington eingeladen hatte. In einer Werbung hieß es beispielsweise: „Jessie Whittington fing 2020 aus Spaß damit an, Seife zu produzieren. Aus dem Hobby wurde ein erfolgreiches Business – Dank Tiktok.“

Tiktok will mit vermeintlichen Mythen aufräumen

In der E-Mail an die Werbetreibenden teilte Tiktok am Freitag ein Dokument mit dem Titel „Myth vs. Fact“ (Mythos v. Fakt), in dem verschiedene Behauptungen widerlegt werden sollten, allen voran die Verbindungen des Mutterkonzerns zu China. Das Dokument enthält ähnliche Punkte, die Chew bei seiner Aussage am Donnerstag vorbrachte. Es weist beispielsweise darauf hin, dass sich etwa 60 Prozent des Unternehmens im Besitz globaler institutioneller Investoren befinden und das Unternehmen seinen Hauptsitz nicht in China, sondern in Los Angeles und Singapur hat.

Die Mitteilung an die Werbetreibenden war auch zu einer Infoseite des Unternehmens verlinkt, auf der die bereits ergriffenen Datenschutz-Maßnahmen in den USA aufgelistet werden.

Tiktok-Nutzende sollen Unternehmen helfen

Gleichzeitig weitet Tiktok auch die politischen Bemühungen aus, die es im Vorfeld der Anhörung unternommen hat. „Wir setzen unsere Arbeit fort, den Gesetzgeber und die US-Bevölkerung über unseren Fortschritt bei der Implementierung von Project Texas zu informieren, um Bedenken zur nationalen Sicherheit sowie branchenweiten Themen wie Datenschutz und -Sicherheit zu beseitigen“, wird Tiktok-Sprecherin Hilary McQuaide in einer Pressemitteilung zitiert.

Am Freitag veröffentlichte Tiktok ein weiteres Video von CEO Chew auf dem offiziellen Tiktok-Account – eine Art Fortsetzung zu jenem Video, das vor der Anhörung veröffentlicht wurde. In diesem hatte er Tiktok-Nutzende gewarnt, „dass manche Politiker*innen schon damit begonnen haben, über ein Verbot von Tiktok zu diskutieren.“ Er schloss das Video mit den Worten: „Ich hoffe sehr, dass ihr euren Freunden, Familien und den gewählten Amtsträger*innen mitteilt, warum Tiktok für euch so wichtig ist.”

Dieser Artikel stammt im Original von Kaya Yurieff und erschien zuerst bei The Information. Er wurde von uns im Rahmen einer Kooperation übersetzt. 

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