Vom Musk-Fanboy zum Whistleblower: So kamen die Investigativ-Journalisten an die Tesla-Files
Im OMR Podcast berichten die Handelsblatt-Reporter Sönke Iwersen und Michael Verfürden über die Mammutrecherchen.
Mehr als zwei Jahre haben die beiden Investigativ-Journalisten Sönke Iwersen und Michael Verfürden vom Handelsblatt recherchiert, um ins Innere von Elon Musks E-Auto-Konzern Tesla vorzudringen. Entstanden ist ein Buch über Macht, Gier und Skrupellosigkeit. Im OMR Podcast Podcast sprechen sie darüber, wie ein Tesla-Mitarbeiter vom Musk-Fanboy zum Whistleblower wurde.
Am Anfang vieler Geschichten stehe Glück, sagt Sönke Iwersen. Im Fall der Tesla-Files besteht es darin, dass der Leiter des Investigativteams des Handelsblatts im November 2022 ans Telefon geht, als ihn ein Redaktionskollege aus Japan anruft. Es habe sich anonym jemand bei ihm gemeldet, der behaupte, für Tesla in Norwegen zu arbeiten und sensible Daten zu haben, die einfach frei verfügbar im Firmenintranet herumlägen, sagt der Kollege. Ob Iwersen sich das mit seinem Team nicht mal angucken wolle.
100 Gigabyte interne Tesla-Daten
Iwersen will, klar. Doch so richtig kann er nicht glauben, dass da tatsächlich mehr dahinterstecken soll: Ende 2022 habe Tesla schließlich noch einen ganz anderen Ruf gehabt, sagt er. "Es war sozusagen der hellste Stern am Tech-Himmel und ausgerechnet dieses Unternehmen soll jetzt offenbar so schlampig umgehen mit den Daten?" Selbst amerikanische Medien hätten damals kaum Drähte ins Innere des Konzern gehabt. "Es war ganz lange so, dass Tesla eigentlich bestimmt hat, was man über Tesla weiß. Und plötzlich hatten wir diese Daten auf dem Schirm. Deshalb war das so irre."
Mehr als zwei Jahre Recherche später halten er und sein Kollege Michael Verfürden ihr Buch "Die Tesla-Files: Enthüllungen aus dem Reich von Elon Musk" in den Händen. 100 Gigabyte interne Tesla-Daten haben sie analysiert, darunter Excel-Dateien mit Adressen, privaten Rufnummern und Gehältern von über 100.000 Tesla Mitarbeitenden. Sie haben Gerichtsakten ausgewertet und mit Mitarbeitenden, Kund*innen, und Hinterbliebenen von Unfällen mit Tesla-Autos gesprochen, deren Hintergründe nie aufgeklärt wurden.
Entzauberung eines Musk-Fanboys
Ihr Informant, der anfangs anonym bleiben wollte, hat inzwischen seine Identität preisgegeben. Der Pole Lukasz Krupski sei ursprünglich als großer Elon-Musk-Fan bei Tesla gestartet, erzählen Verfürden und Iwersen. 2022, da sei Musk eine Ikone gewesen, ein Visionär. Doch ausgerechnet ein direkter Kontakt zum Chef entzaubert das Unternehmen für Kruspki: Denn während der Neuvorstellung eines E-Autos steht einer der Wagen plötzlich in Flammen. Der junge Servicetechniker wird zum Held des Tages, weil er beherzt das Schnellladegerät zieht und damit Schlimmeres verhindert. Dafür erhält er eine persönliche Danksagung von ganz oben.
"Thanks for saving the job", soll Elon Musk ihm per Mail geschrieben haben, und "great job." Als der Konzernchef ihn fragt, ob er Verbesserungsvorschläge für das Unternehmen habe, teilt Kruspki ihm gleich eine ganze Menge mit. Ab diesem Punkt wird es bei Tesla ungemütlich für den bisherigen Musk-Jünger. Er findet eine Überwachungssoftware auf seinem Arbeitscomputer, wird abgemahnt, drangsaliert, von Kollegen schief angeguckt und zwangsversetzt, berichten die Journalisten. Um sich irgendwie wehren zu können, beginnt er, über das interne Projektmanagementsystem mal zu gucken, was sich dort eventuell so über seinen Chef finden lässt. Dabei stößt er auf das riesige Datenleck – die Tesla-Files.
Im OMR Podcast sprechen Michael Verfürden und Sönke Iwersen außerdem darüber, warum sie ihre Arbeit oft spannender finden als eine gute Netflix-Serie, über gefährliche Fehler des Tesla-Autopiloten und wie sie auf Elon Musks Ausflug in die Trump-Regierung blicken.