Jens Baas: Millionen-Verzicht, um Job bei einer Krankenversicherung zu übernehmen

Florian Rinke1.12.2024

Der Techniker-CEO über Probleme im Gesundheitssystem, die Krankenhausreform und seine Zeit als Berater

Techniker-CEO Jens Baas (r.) besuchte OMR-Gründer Philipp Westermeyer im Studio
Techniker-CEO Jens Baas (r.) besuchte OMR-Gründer Philipp Westermeyer im Studio, um mit ihm über das Gesundheitssystem zu sprechen. Foto: OMR
Inhalt
  1. Die Techniker ist rasant gewachsen
  2. "Das System muss revolutioniert werden"

Jens Baas war Partner bei BCG und verdiente Millionen. Dann gab er den Job auf, um Chef einer Krankenkasse zu werden. 2012 übernahm der studierte Arzt die Führung bei der Techniker Krankenkasse, seitdem hat sie sich zur größten gesetzlichen Krankenversicherung des Landes entwickelt. Im OMR Podcast spricht Jens Baas darüber, warum der Job bei einer Krankenkasse ihn so gereizt hat, wieso eine Reform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach so wichtig ist – und wieso das trotzdem nicht ausreicht, um das System zu verbessern.

Auf den ersten Blick ist der Handlungsspielraum für jemanden wie Jens Baas sehr gering: Das Gesundheitssystem ist staatlich extrem reguliert. Wer krank ist, bekommt Hilfe, ganz egal ob er bei der Techniker Krankenkasse ist, die Baas leitet, oder einer der anderen knapp 100 gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland. Und auch für Ärzt*innen macht es im Grunde keinen Unterschied, ob sie einen Patienten oder eine Patientin der Techniker, Barmer oder einer der AOKs behandeln. Bezahlt werden sie immer gleich.

Jens Baas ist zwar promovierter Arzt, bevor er 2012 CEO der Techniker Krankenkasse wird, arbeitet er aber lange für die Boston Consulting Group als Berater. Baas kümmert sich in dieser Zeit zeitweise um die Finanzindustrie, später um die Automobilwirtschaft, steigt auf zum Partner. Er verdient damals nach eigenen Angaben rund zwei Millionen Euro im Jahr. Es ist ein Leben, von dem viele andere träumen. Dennoch: Als ihm der Job bei der Techniker Krankenkasse angeboten wird, sagt er zu. Die Entscheidung habe ihn vermutlich rund 80 Prozent seines Gehalts gekostet, sagt Jens Baas. Beschweren will er sich darüber nicht. Denn die Gesundheitswirtschaft ist genau das, was ihn reizt: "Es hat mir viel Spaß gemacht, weil das System so geil kompliziert ist".

Die Techniker ist rasant gewachsen

Und noch etwas reizt ihn damals. Denn Jens Baas möchte Verantwortung übernehmen. Die Devise als Berater sei immer gewesen: "Wenn es gut gelaufen ist, hast du total gut beraten. Und wenn es nicht gut gelaufen ist, hast du total super beraten, aber es wurde schlecht umgesetzt." Bei der Techniker Krankenkasse kann er nun selbst Entscheidungen fällen und durchsetzen. Und das macht der auch. Die Krankenkasse wird stark digitalisiert, Prozesse verschlankt, die Kosten so gesenkt. Das gibt Spielräume, um die Zusatzbeiträge für Versicherte niedrig zu halten und das Angebot gleichzeitig auch inhaltlich attraktiver zu machen. Mehr als drei Millionen Versicherte hat die Techniker seit Baas Dienstantritt hinzugewonnen. Sie ist mit zwölf Millionen Mitgliedern inzwischen Deutschlands größte gesetzliche Krankenversicherung.

Jens Baas macht das zu einem wichtigen Ansprechpartner im System – auch für die Gesundheitsminister der vergangenen Jahre. Jens Baas will sich nicht festlegen, wer der beste Amtsinhaber in dieser Zeit war, gleichwohl lobt er den aktuellen Minister Karl Lauterbach, weil dieser den Mut gehabt habe, eine Reform anzustoßen, die große Auswirkungen auf das System haben wird. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war unklar, ob diese noch beschlossen wird nach dem Platzen der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP. Inzwischen hat der Bundesrat den Plan nach einer turbulenten Sitzung abgenickt. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass Kliniken sich stärker spezialisieren. Im Ergebnis wird es aber auch dazu führen, dass es weniger Krankenhäuser in Deutschland gibt.

"Das System muss revolutioniert werden"

Jens Baas findet den Schritt richtig, um Deutschlands Gesundheitssystem gleichermaßen besser und effizienter zu machen. "Wir haben mehr Pflegekräfte pro Kopf als fast jedes andere Land der Welt. Aber da wir so viele Betten haben, reicht es trotzdem nicht aus. Das heißt, auch für die Arbeitssituation der Pflegenden oder der Ärzt*innen wäre es viel besser, wenn es weniger Krankenhäuser gäbe", sagt Jens Baas im OMR Podcast. Er hofft auf eine grundlegende Reform in der Zukunft. Aktuell mache man das System durch immer neue Regelungen komplizierter. Dabei bräuchte es einen großen Neustart aus seiner Sicht: "Das System ist revolutionierbar, aber es muss auch revolutioniert werden und kann ich nicht mehr weiter evolutionär verändert werden."

Im OMR Podcast verrät Jens Baas außerdem, wie bei Abrechnungen getrickst wird, warum Beamte in der Regel privatversichert sind und wie man auch im regulierten Gesundheitsmarkt zum Milliardär bzw. zur Milliardärin werden kann.

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Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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