Mit Sport, ohne Subscriptions: So will Pluto TV den Streaming-Markt erobern

Paramount-Tochter setzt zu 100 Prozent auf Werbefinanzierung und holt über FAST-Channels immer mehr Sportinhalte auf die Plattform

Pluto TV bei Borussia Dortmund
Pluto TV holt sich nicht nur Live-Sport auf die Plattform, sondern strahlt über eine Partnerschaft mit dem BVB auch exklusive Inhalte des Clubs aus. (Foto: Pluto TV)
Inhalt
  1. Jordanien gegen Südkorea am Dienstagmorgen
  2. Über eine Milliarde US-Dollar über Werbung
  3. FAST-Channels als Erfolgsgeheimnis
  4. Durchschnittlich über zwei Stunden Sehdauer
  5. Momentum im Sportrechtemarkt
  6. Eher Youtube als Sky und Dazn?
  7. CTV-Boost durch Wegfall des Nebenkostenprivilegs
  8. Content-Pionierprojekt mit dem BVB
  9. FAST-Markt wächst auf zwölf Milliarden US-Dollar

Über 80 Millionen monatlich aktive User*innen weltweit und 2023 erstmals mehr als eine Milliarde US-Dollar Werbeumsatz: Die 2014 in den USA gestartete Plattform Pluto TV mausert sich unter dem Dach von Paramount zum ernstzunehmenden Player auf dem Streaming-Markt – und das mit einem im Vergleich zum Wettbewerb unkonventionellen Geschäftsmodell: Wo alle Welt nach On-Demand-Inhalten schreit, setzt Pluto TV auf ein klassisches lineares Programm sowie auf eine reine werbefinanzierte Monetarisierung ohne Subscriptions.

Sportinhalte spielen dabei eine wichtige Rolle: In den vergangenen Monaten hat Pluto TV verstärkt Content von Fußball über Handball bis Darts auf die Plattform gepackt, zum Teil sogar in Form von Live-Rechten. Wie genau funktioniert der in der breiten Masse noch enig bekannte Streaming-Dienst? Und wird er sich als Destination für Sportinhalte langfristig etablieren können?

Jordanien gegen Südkorea am Dienstagmorgen

Wer sich dienstagmorgens um halb Neun das Qualifikationsspiel zur FIFA WM 2026 zwischen Jordanien und Südkorea als Re-Live anschaut, der hat entweder zu viel Zeit oder ist ein echter Fußball-Liebhaber. Dass das überhaupt möglich ist, liegt an der Streaming-Plattform Pluto TV, der dafür die Inhalte vom Hamburger Sender Sportdigital bekommt. Parallel dazu läuft bei Pluto TV auf dem Channel FIFA+ die Wiederholung von Englands 1:0-Sieg über Argentinien bei der WM 2002 in Japan, während auf SquashTV Spiele von vergangenen Turnieren der Sportart zu sehen sind.

Wer Pluto TV jetzt jedoch ausschließlich auf abseitige oder historische Sportinhalte reduziert, liegt falsch. Der Streaming-Dienst zeigt in Deutschland seit diesem Sommer nämlich auch attraktiven Live-Sport. Dazu zählt beispielsweise die Übertragung aller Spieltage der von Toni Kroos und Elias Nerlich gegründeten Icon League. Über Kooperationen mit dem Sport-Streaming-Dienst Dazn zeigt Pluto TV zudem regelmäßig Matches mit deutscher Beteiligung aus der Handball-Champions-League sowie ausgewählte Major-Darts-Turniere. Als die Plattform schließlich im September eine globale Partnerschaft mit Borussia Dortmund bekannt gibt, zieht der Name Pluto TV weitere Kreise auf der deutschen Sportlandkarte.

Wächst hier etwa gerade eine Free-Plattform für Sportcontent aller Art heran?

Über eine Milliarde US-Dollar über Werbung

"Pluto TV ist vor zehn Jahren als Start-up mit der Überzeugung gestartet, dass die Zukunft des Fernsehens nicht nur aus Streamern wie Netflix bestehen wird", sagt Olivier Jollet, Executive Vice President und International General Manager für Pluto TV bei Paramount, im Gespräch mit OMR. Der gebürtige Franzose, der das internationale Geschäft von Pluto TV von Berlin aus managt, glaubt an zwei Dinge: "Erstens an einen kostenlosen werbefinanzierten Streaming-Service ohne Subscriptions. Und Zweitens an einen linearen Lean-Back-Ansatz wie man ihn aus dem klassischen TV kennt." Auf die Frage nach dem "Warum" antwortet Jollet: "Das ist relativ einfach: Nutzer*innen stehen in der fragmentierten Streaming-Welt viele Plattformen mit einer unübersichtlichen Fülle an Inhalten zur Auswahl – und nicht für alles können oder wollen sie sich ein Abo leisten. Wir wollten mit Pluto TV ein Angebot ohne Einstiegshürden oder versteckte Kosten schaffen."

FAST-Channels als Erfolgsgeheimnis

Der Schlüssel zum Erfolg ist für Pluto TV die Evolution von FAST-Channels. FAST steht für Free Ad-Supported Streaming TV, sprich: Die Kanäle werden über Plattformen wie Pluto TV kostenlos zur Verfügung gestellt und rein durch Werbung finanziert. Von Serien über Filme bis Live-Events und News-Formate ist je nach Absender alles dabei. Dem linearen Fernsehen nachempfunden gibt es sowohl lineare Programmabläufe als auch feste Werbeblöcke. Solche FAST-Channels gehören zum Teil direkt zum Inventar von TV-Geräteherstellern wie im Falle von LG und allen voran Samsung oder laufen auf Plattformen wie Amazon Freevee, Zattoo – oder eben Pluto TV.

In weltweit 35 Märkten gibt es bei Pluto TV derzeit über 2000 FAST-Channels. Die meisten davon stammen von mehr als 425 globalen Content-Partnern. Mit beispielsweise Comedy Central, MTV und Nickelodeon kommt ein Teil zudem aus dem Netzwerk des Mutterkonzerns Paramount. Dessen Vorläufer Viacom CBS hatte Pluto TV Anfang 2019 für 340 Millionen US-Dollar gekauft. Inzwischen hat das jährliche Werbegeschäft der Plattform nach eigenen Angaben bereits die Milliardenschwelle durchbrochen, Pluto TV ist somit bei Paramount längst ein zentraler Teil des gesamten Streaming-Geschäfts, das 2023 einen Umsatz von 6,7 Milliarden Dollar erzielte.

Das Geschäftsmodell von Pluto TV ist dabei weniger kapitalintensiv als das von Paramount+. Während das hauseigene, auf Subscriptions basierende Premium-Angebot mit seinen gut 68 Millionen Abonnent*innen zunächst milliardenschwer in die Produktion von Originals-Formaten investieren musste und muss, um perspektivisch profitabel zu werden, setzt Pluto TV auf FAST-Channel-Content von Drittanbietern und einen 50/50-Revenue-Share aus der Werbevermarktung.

Durchschnittlich über zwei Stunden Sehdauer

Im deutschsprachigen Raum ist Pluto TV seit 2018 live. Wie groß der Anteil Deutschlands an den weltweit 80 Millionen monatlich aktiven User*innen ist, will Olivier Jollet gegenüber OMR nicht verraten. "Deutschland gehört zu den Märkten, in denen wir außerhalb der USA das stärkste Wachstum erzielen – sowohl bei der Nutzung als auch beim Inventar", sagt er lediglich. Die Nutzer*innen seien im Schnitt rund 35 Jahre alt, während die durchschnittliche Sehdauer bei Pluto TV hierzulande bei über zwei Stunden liege. "Das ist ein gigantischer Wert in einer Welt, in der Entertainment-Anbieter um jede Minute Freizeit der Nutzer*innen kämpfen müssen", sagt Jollet. Das Content-Angebot sei derweil inzwischen auf über 200 Channels angewachsen, hinzu kommen auch einigen On-Demand-Inhalte.

"Bei uns können Nutzer*innen direkt von der Icon League zu South Park und danach über Anime Richtung Crime switchen – und wir können Werbetreibenden in all diesen Umfeldern Werbung anbieten", sagt Jollet. Irgendwo zwischen Star Trek, South Park und Western-Filmen sollen künftig Sportinhalte das Wachstum der Plattform ankurbeln. "Sport spielt mit seinen wiederkehrenden Events und den hochemotionalen Inhalten für uns eine wichtige Rolle in der Akquisition neuer Nutzer*innen, die wir dann über unser weiteres Content-Angebot auf der Plattform binden wollen", sagt Pluto-Manager Jollet.

Momentum im Sportrechtemarkt

Pluto TV könnte mit seiner co-exklusiven Free-Positionierung im umkämpften Sportrechtemarkt ein gewisses Momentum haben. Schließlich ist es für Streaming- und Pay-TV-Anbietern herausfordernd, Live-Rechte zu refinanzieren – erst recht einzig über Abos und ohne Werbung. Die Offenheit für Kooperationen und Sublizenzierungen von Inhalten ist dementsprechend groß wie nie. "Die Werbevermarktung hinter der Paywall hat ihre Grenzen, weil durch die Anzahl der Subscriptions die Anzahl der Zuschauer*innen naturgemäß begrenzt ist. Seit zwei bis drei Jahren ist deshalb eine unserer Strategien, entweder selbst mit unserem kostenfreien Angebot oder durch Drittplattformen, zusätzliche Free-Audiences zu erreichen", sagt Haruka Gruber. Laut ihres Senior Vice President Media könne die Plattform Dazn "zwar keinen Content herausgeben, der das Kernbusiness auf unserer Plattform infrage stellt". "Aber wir haben ein so großes Inhalteportfolio, dass wir genug Material für FAST-Channels herauslösen können", sagt Gruber. 

Unterm Strich bekommt die Plattform Dazn, die laut DACH-CEO Alice Mascia erstmals in Deutschland auf das gesamte zweite Halbjahr 2024 profitabel sein wird, Einnahmen aus der Kooperation mit Pluto TV, öffnet sich für neue Zielgruppen und füttert mit den ausgewählten kostenfreien Inhalten zudem potenzielle Subscriber*innen an. Pluto TV erhält im Gegenzug – ohne sich finanziell zu verheben – ein attraktives neues Vermarktungsumfeld für seine Plattform.

Eher Youtube als Sky und Dazn?

Bendix Eisermann von Sportdigital hält FAST-Channels derweil "vor allem für die Nachverwertung von Highlights sowie für Re-Lives und Dokus geeignet". "Ähnlich wie bei einem Youtube-Channel entsteht hierdurch ein guter zusätzlicher Revenue Stream, der auch zur Monetarisierung von kleineren Rechten beiträgt", sagt der Geschäftsführer des Sportsenders, der von der niederländischen Eredivisie bis zur polnischen Ekstraklasa pro Saison über 1.000 Live-Fußballspiele von sechs Kontinenten sowie wöchentliche Highlight-Magazine zeigt.

Live-Spiele aus internationalen Wettbewerben an Free-Plattformen wie Pluto TV für einen Revenue-Share der Werbeerlöse weiterzugeben, würde sich laut Eisermann finanziell dagegen eher nicht rechnen. Er sagt: "Ein Spiel als Pay-per-View zu verkaufen ist viel lukrativer, als es in den FAST-Bereich zu geben. Denn für einen beispielhaften TKP von zehn Euro müsste man schon sehr viele Views generieren, um das Gleiche herauszubekommen, was der Einzelverkauf für einen Preis von 1,99 Euro einspielen würde. Vielleicht wäre das im Einzelfall höchstens mal ein gutes Marketingtool, um daraus dauerhafte Subscriptions für unsere Plattform zu konvertieren."

CTV-Boost durch Wegfall des Nebenkostenprivilegs

Während Sportdigital aktuell zwei FAST-Channels anbietet, sind es bei Dazn deren sechs – drei davon laufen exklusiv auf Pluto TV, einer exklusiv auf Samsung TV Plus und non-exklusive Kanäle unter anderem bei Waipu.tv, Zattoo und Joyn Österreich sowie den Angeboten von Geräteherstellern wie LG Channels. "Die Bedeutung von Connected TV wächst und wächst und wird bald auch in Deutschland bei 90 Prozent der Haushalte sein. Hier erreichen wir auch die klassischen Big-Screen-Nutzer*innen abseits von Social Media", sagt Dazn-Manager Gruber.

Unter anderem die Abschaffung des sogenannten Nebenkostenprivilegs wird die Entwicklung noch einmal beschleunigen. Demnach können seit dem 1. Juli dieses Jahres vom Eigentümer getätigte Kabelanschlüsse nicht mehr auf einzelne Haushalte umgelegt werden, sondern diese sich ihre TV-Empfangsart frei auswählen. Connected TV und kostenfreie FAST-Channel-Angebote werden immer häufiger zur Antwort auf allgemein steigende Haushaltsausgaben, die unter anderem durch ein Sammelsurium aus kostspieligen Streaming-Diensten von Netflix über Prime Video bis Disney+ zustande kommen.

Content-Pionierprojekt mit dem BVB

Dass sich Pluto TV in Deutschland im Live-Bereich zunächst auf vergleichsweise kleinere Sportarten wie Handball und Darts gestürzt hat, hängt unter anderem mit den hohen Akquisitionskosten von Premium-Rechten zusammen. "Der direkte Einkauf von Top-Tier-Liverechten im Sport ist nicht unsere Positionierung. Aber es kann schon vorkommen, dass wir uns in kleineren Sportarten immer mal wieder Live-Rechte sichern – ob nun direkt oder über co-exklusive Sublizenzen von anderen Marktteilnehmern", sagt Paramount-Manager Jollet. Zum Marktstart in Skandinavien 2022 holte sich Pluto TV beispielsweise Live-Rechte für Mixed Martial Arts vom Promoter Bellator sowie im Motorsport für die World Rallycross Championship auf die Plattform.

Vor diesem Hintergrund sei Pluto TV laut Jollet im Fußball auch "ganz sicher kein Kandidat für die Übertragungsrechte der Bundesliga oder der UEFA Champions League". Andere Formen von Fußball-Content findet der Paramount-Manager gleichwohl "für Pluto TV hochspannend". "Hier wollen wir uns mit Storytelling, Lifestyle-Themen und Geschichten abseits des Live-Events positionieren", sagt er.

Dazu passt die Kooperation mit Borussia Dortmund. Diese beinhaltet nämlich nicht nur klassische Branding-Elemente (das Logo von Pluto TV ziert unter anderem die Trikotärmel der BVB-Spieler in allen Pokalwettwerben inklusive UEFA Champions League, DFB-Pokal und FIFA Club-WM 2025), sondern sie ist allen voran auch sehr contentgetrieben. So wird Pluto TV in Kürze einen Channel launchen, der 24 Stunden Inhalte von Borussia Dortmund zeigt. Dieser wird in zwei Sprachversionen produziert – Deutsch und Englisch – und in allen weltweit von Pluto TV bespielten 35 Märkten von Brasilien über Skandinavien bis zur USA zu sehen sein.

Für Pluto TV ist es die erste Club-Kooperation dieser Art. Daneben speist die Plattform über einen Lizenzdeal auch das Bewegtbildangebot Real Madrid TV ein, allerdings ohne wie im Fall des BVB eigens Content mit dem Club zu produzieren. Weiteren Kooperationen mit Vereinen steht Pluto TV laut Jollet durchaus offen gegenüber. Er sagt: "Ich kann mir gut vorstellen, auch mit anderen Mannschaften zusammenzuarbeiten. Uns geht es darum, eine Sportdestination für Fußballfans zu entwickeln. In Deutschland gibt es noch einige weitere Vereine, die mit ihrer Fan-Base dafür prädestiniert sind."

FAST-Markt wächst auf zwölf Milliarden US-Dollar

Letztlich will Jollet über Sportinhalte auch neue Werbekunden auftun, die Pluto TV sonst nicht erreicht hätte. Seine einfache Rechnung dahinter: "Es investieren so viele große Marken in den Sport. Die Sponsoren finden wiederum eine große Reichweite gut – und diese können wir ihnen über unser Free-Angebot bieten." Wie groß das Potenzial der zusätzlichen Werbeeinnahmen über den Sport für Pluto TV ist, will Jollet nicht beziffern. Aber er ist guten Mutes, dass das Vermarktungs-Joint-Venture Visoon, bestehend aus Paramount und Axel Springer, hierzulande künftig „einige Euros aus den Sportinhalten“ herausholen wird. "Wir stehen hier noch ganz am Anfang", sagt er.

Derweil zeichnet sich ab, dass die Umsätze von FAST-Channels in den kommenden Jahren weiterwachsen wird. Mit einer Größe von fünf Milliarden US-Dollar dominierte 2023 insbesondere die USA den Markt. Das entspricht etwa 80 Prozent des weltweiten Umsatzes. Nach Prognosen des Londoner Marktforschungsunternehmens Omdia soll der Umsatz im FAST-Markt bis 2027 auf weltweit zwölf Milliarden US-Dollar ansteigen. Auf Deutschland sollen dann bei einer zweistelligen Wachstumsrate rund 200 Millionen US-Dollar entfallen. "Und wir wollen uns mit Pluto TV den größten Teil dieses neu entstehenden Werbemarkts sichern", sagt Paramount-Manager Jollet. Ein im doppelten Sinne sportliches Vorhaben.

SportbusinessStreamingProfisport
Henning Eberhardt
Autor*In
Henning Eberhardt

Henning ist bei OMR seit Anfang 2023 für Sport- und Gaming-Inhalte zuständig. Von 2010 bis 2019 pendelte er für den Sportbusiness-Verlag SPONSORs als Redakteur zwischen Fußballstadion und Formel-1-Rennstrecke. Anschließend wechselte der waschechte Insulaner zum Marketing-Medium absatzwirtschaft in die Handelsblatt-Gruppe.

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