Snocks: Wie zwei Cousins mit Sneaker-Socken über Amazon ein Millionen-Biz aufgebaut haben

Torben Lux9.11.2018

90 Prozent des Umsatzes generiert das junge Unternehmen aus Baden-Württemberg über Amazon

Snocks Amazon Sneakersocken Johannes Kliesch OMR
Das Snocks-Team um die Gründer Johannes Kliesch (rotes Shirt) und Felix Bauer (grünes Shirt).

Schon während ihres dualen Studiums bei Banken beschließen die Cousins Johannes Kliesch und Felix Bauer, dass sie etwas Eigenes aufbauen wollen. Also gründen sie im Oktober 2016 die Snocks UG und beginnen, über Amazons FBA-Marketplace Sneaker-Socken zu verkaufen. Zwei Jahre später wirbt der E-Commerce-Riese mit der Gründerstory, die Produkte werden in den USA gekauft – und das junge Unternehmen peilt einen Jahresumsatz im mittleren, einstelligen Millionenbereich an. OMR hat sich die Strategie hinter dem schnellen Wachstum erklären lassen.

„Wir waren beide mit unserer Arbeit sehr unglücklich und wussten, dass wir gemeinsam gründen wollen“, erzählt Johannes Kliesch (heute 24) im Gespräch mit OMR. Sein Cousin Felix Bauer (heute 25) und er probieren ein paar Dinge aus wie Online-Poker und Daytrading; Kliesch betreibt hin und wieder Sneaker-Reselling über Ebay-Kleinanzeigen. „Ich habe entweder da günstig eingekauft oder auch vor dem Asphaltgold-Store in Darmstadt gewartet, wenn Drops anstanden“, sagt er. Die sogenannten Drops sind besonders in der Streetwear-Szene, inzwischen aber in der gesamten Mode-Branche ein angesagtes und vor allem effektives Marketing-Instrument.

Beide wünschen sich allerdings etwas „Handfestes und Seriöses“, wie Johannes Kliesch es nennt, und wollen physische Produkte verkaufen. Zu dieser Zeit hören sie zum ersten Mal von Amazons FBA-Angebot (Fulfilment by Amazon). Die Plattform wickelt alle logistischen Aufgaben ab, verschickt die Produkte im Namen der Händler an Endkunden und kümmert sich um Kundenservice und Rücksendungen. Kliesch und Bauer sind sofort begeistert, einzig die Idee für das passende Produkt fehlt. „Wir wollten nicht direkt in einem Umfeld mit sehr hartem Wettbewerb und zig Anbietern für ein Produkt beginnen“, so Kliesch.

Die Idee zu Snocks entsteht in einem Sneaker-Store

Die zündende Idee für das passende Produkt hat Johannes Kliesch dann, als er für ein neues paar Schuhe Sneaker-Socken kaufen will, die beim Tragen der Sneaker nicht sichtbar sind. Da ihm das Angebot im Geschäft zu teuer ist, sucht er auf Amazon – und findet nichts Passendes. Er erinnert sich: „Es gab keine vernünftigen Angebote mit guten Bewertungen. Da wusste ich sofort: In dieser Nische müssen wir uns positionieren.“ Er ruft direkt seinen Cousin an und erzählt ihm von der Idee. Der ist begeistert und beide beginnen, zu planen.

Auf Alibaba recherchiert das Duo nach potenziellen Produzenten für die Turnschuh-Socken und bestellt schließlich drei Samples. „Die waren alle relativ schlecht. Wir haben es trotzdem ausprobiert“, sagt Kliesch. Für 2.000 Euro bestellen sie die erste Charge. „Die Socken waren dann leider noch mal schlechter als die Samples. Wir hatten aber keine Wahl, weil wir kein Geld für eine neue Bestellung hatten.“ Außer Familienmitglieder und Freunde bestellt anfangs allerdings niemand die Sneaker-Socken. Johannes Kliesch gesteht: „Wir waren da schon sehr naiv und dachten, dass das automatisch läuft. So war es natürlich nicht.“

Selbststudium zu Amazon SEO und SEA bringt die Wende

Kliesch beginnt, sich in die Themen Amazon SEO und SEA einzulesen, sowie Podcasts zu hören. „Das restliche noch vorhandene Geld haben wir dann in Product Ads investiert. Und vorher natürlich die Produktseiten optimiert“, sagt er. Im ersten Monat, August 2016, generieren die Cousins so einen niedrigen vierstelligen Umsatz, im September sind es schon rund 10.000 Euro. Johannes Kliesch: „Das war in unserem Alter natürlich richtig viel Geld und einfach unglaublich. Wir waren ein bisschen in Goldgräberstimmung.“

Das erste Produkt der Snocks UG, die Sneaker-Socken, auf Amazon. Bei über 800 Bewertungen kommt das Produkt auf 4,4 Sterne.

Fast zeitgleich mit der Gründung der Snocks UG Anfang Oktober 2016 folgt dann allerdings die nächste Ernüchterung. Nach dem Abverkauf der ersten Bestellung in minderer Qualität sind die Gründer fast zwei Wochen ohne Ware, weil das Geld von Amazon noch nicht da war. Die zweite Charge ist zwar schließlich von besserer Qualität, ein weiterer Dämpfer lässt aber erneut nicht lange auf sich warten. „Es wurde langsam Winter, da trägt natürlich niemand Sneaker-Socken. Das haben wir ehrlich gesagt nicht bedacht. Es ging gar nichts mehr.“

Nebenjobs, um eine Erweiterung der Produktpalette zu finanzieren

Um neue, Saison-unabhängige Produkte vorfinanzieren zu können, fehlt den Snocks-Gründern Ende 2016 das Geld. „Wir haben zusätzlich zu unseren Dualen Studien Nebenjobs angenommen“, so Johannes Kliesch. „Ich stand bei Mediamarkt an der Kasse, Felix jobbte im Restaurant seiner Eltern.“ Doch auch das zweite Produkt, hohe Socken mit zwei Steifen und dem Namen der Brand, floppen. Kliesch sagt: „Da ging leider überhaupt nichts. Wir hatten ja noch gar keine Brand, die ein Produkt wie die Retrosocken pushen kann. Wir waren mal wieder naiv.“

Mit dem dritten Produkt, den Ankle Socken, geht es ab Februar 2017 dann schnell aufwärts. Der Verkauf der Sneaker-Socken läuft langsam wieder an, die etwas höher geschnittenen Ankle Socken stoßen bei den Amazon-Kunden ebenfalls auf Interesse. Im März erreicht die Snocks UG erstmals 20.000 Euro Umsatz – und die Gründer sehen noch deutlich mehr Potenzial. „Wir waren immer noch Bänker und dachten: Die BWA (Anm. d. Red.: Betriebswirtschaftliche Auswertung) und die Bilanz sind echt gut, mit mehr Kapital geht da noch deutlich mehr“, erinnert sich Johannes Kliesch.

Die Gründer entscheiden, Fremdkapital aufzunehmen, um zu internationalisieren und den hohen Wareneinsatz vorfinanzieren zu können. „Wir wussten natürlich, was eine Bank da braucht und von uns hören will“, so Kliesch. Mit 50.000 Euro von ihrer Bank wird die Produktpalette schrittweise erweitert; regelmäßig kommen neue Größen und Farben hinzu. 2017 schließt die Snocks UG mit einem Umsatz „zwischen 400.000 und 500.000 Euro“ ab.

Studienabschluss und Master-Abbruch: Snocks wird zum Vollzeit-Projekt

Ende 2017 beschließen die Gründer, alles auf eine Karte zu setzen und ihre gesamte Zeit der Snocks UG zu widmen. Bauer hat sein duales Studium gerade beendet, Kliesch bricht seinen bereits begonnenen Master ab. „Je mehr Umsatz wir gemacht haben, desto mehr mussten wir nachbestellen und die Ware natürlich immer vorfinanzieren. Amazon FBA ist extrem liquiditätsintensiv.“, so Kliesch. Das erste Gehalt zahlen sich die beiden Gründer im November 2017 aus.

Inklusive des Gründer-Duos arbeiten inzwischen sechs Vollzeit-Angestellte für die Snocks UG. Neben dem Launch-Produkt Sneaker-Socken verkauft das Startup heute weitere Socken-Modelle, Boxershorts und Sneaker-Zubehör wie Schuhputzmittel, Schnürsenkel und Einlegesohlen. Während die Sneaker-Socken in den wärmeren Monaten das meistverkaufte Produkt sind, laufen laut Kliesch im Winter vor allem Businesssocken und Boxershorts stark. 90 Prozent des Umsatzes werde weiterhin über Amazon generiert, der Rest über den eigenen Online-Shop, der seit rund einem Jahr existiert.

So pusht Amazon das Wachstum der Snocks UG

Das starke Wachstum des Startups aus Baden-Württemberg fällt natürlich auch Amazon selber auf. Kurzerhand macht der E-Commerce-Riese das junge Unternehmen und deren Gründer zum Gesicht für eine Amazon Global Selling-Kampagne. „Als sie auf uns zugekommen sind und gefragt haben, ob wir dabei wären, hat uns das natürlich unglaublich gefreut“, sagt Johannes Kliesch. „Der Dreh fand in Berlin statt und dauerte zwei Tage. Wir haben zwar nichts direkt dafür bekommen, aber die Wertschätzung und die Plattform, die uns so geboten wurde, ist enorm.“

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Die Produkte der Snocks UG sind seitdem nicht nur in ganz Europa auf Amazon gelistet, sondern auch in den USA. Neben der weiteren Internationalisierung wollen Johannes Kliesch und Felix Bauer außerdem noch stärker an der Brand arbeiten und sie emotionaler zu machen. Kliesch erklärt: „Unserer Strategie ist, unsere Story so transparent wie möglich zu machen, das Team zu zeigen und einfach zu erzählen, wer wir sind und was wir machen.“ Das scheint auf verschiedensten Kanälen schon ganz gut zu gelingen. Auf Instagram folgen der jungen Marke fast 30.000 User, bei Facebook kommt Snocks auf rund 6.400 Fans, der Ende März 2018 gelaunchte Youtube-Kanal bringt es immerhin auf 1.300 Abos und fast 60.000 Plays. Seit Oktober 2017 haben Kliesch und Bauer außerdem einen eigenen Podcast zu Gründer-Themen.

Aber auch die Gründer selber positionieren sich als Personal Brands. Johannes Kliesch kommt auf 15.500 Abonnenten, Felix Bauer auf fast 11.000. „Ein Teil unserer Marketing-Strategie war von Anfang an, so viel persönlichen Content wie nur möglich zu produzieren“, so Kliesch. „Nach zwei Jahren schlägt sich das auch ganz gut auf unsere Follower-Zahlen nieder.“

Mit diesem Tool optimiert Snocks die Amazon-Ads

Obwohl das Team mit insgesamt sechs Mitarbeitern immer noch recht klein ist und die Snocks UG erst rund zwei Jahre alt, professionalisiert sich das Tagesgeschäft zusehends. Die Gründer stehen inzwischen im persönlichen Kontakt mit den Produzenten, die sie ursprünglich über Alibaba kennengelernt hatten, und sind regelmäßig in China vor Ort. Zur Optimierung der Werbung auf Amazon nutzt das junge Unternehmen das amerikanische Tool Prestozon. Das monatliche Werbebudget betrage kanalübergreifend insgesamt 30.000 bis 60.000 Euro pro Monat, wobei der Großteil in Amazon Ads investiert wird.

„Sonst kommt man bei Amazon einfach nicht mehr in den Rankings hoch beziehungsweise kann sich dort nicht halten“, erklärt Johannes Kliesch. „Wir versuchen gemeinsam mit Prestozon, jedes neue Werbeformat schnellstmöglich auszuprobieren und neue Strategien zu entwickeln.“ Werbung außerhalb von Amazon, die dann beispielsweise von Facebook direkt auf den eigenen Online-Shop leitet, mache das Startup weniger. „Sponsored Product Ads auf Amazon funktionieren für uns mit Abstand am besten. Unser durchschnittlicher Return on Advertising Spend liegt da bei 500 Prozent.“

So will Snocks 2018 einen Umsatz von drei bis fünf Millionen Euro erwirtschaften – „je nachdem, wie das Weihnachtsgeschäft läuft“, so Kliesch. Platzierungen im Einzelhandel kämen aktuell noch nicht in Frage. Kliesch erklärt: „Wir hatten uns das mal angeschaut, sind aber zum Schluss gekommen, dass das noch keinen Sinn macht. Wir haben bei Amazon, im eigenen Shop und in Sachen Brandbuilding noch so viel Potenzial.“

Entscheidet das Tempo des Markenaufbaus über langfristigen Erfolg?

Wovon hängt es jetzt ab, ob sich Snocks auf Dauer am Markt behaupten kann? Tim Nedden, Geschäftsführer der Hamburger E-Commerce-Spezialisten von Finc3 Commerce, hält vor allem das weitere Stärken der Brand für relevant. „Die machen das handwerklich nicht schlecht. Der Brand Store ist vernünftig, die Onpage-Optimierung der Produktseiten ist gut und die Rezensionen wirken auf den ersten Blick echt – auch wenn mich die hohe Anzahl etwas skeptisch macht“, so Nedden. „Allerdings ist die Hürde für Copy Cats ziemlich niedrig, da das Produkt nicht wirklich komplex ist und Snocks als Marke eben noch zu unbekannt.“ Bereits bestehende Wettbewerber wie Footnote, Sockenschuss oder Matt & Vic’s würden allerdings noch nicht so gut exekutieren oder hätten sehr kleine Produkt-Portfolios.

Neddens Fazit: „Insgesamt ist Snocks ein gut exekutierter Nischen- beziehungsweise Privat-Label-Case. Den angegebenen Umsatz halte ich aber für ein wenig hochgegriffen.“ Franz Jordan, Gründer des Amazon-Tools Sellics, findet ähnliche Worte. „Die Produkte sind top optimiert. Sieben haben einen Verkaufsrang von unter 1.000, das ist auf jeden Fall beeindruckend“, so Jordan. Die Anzahl der Bewertungen hält er ebenfalls für etwas zu hoch. „Wenn das allerdings eine gute Marke ist, die die Leute emotional anspricht, kann das durchaus legitim sein.“ Er wundert sich außerdem, dass Snocks noch als UG firmiert – ist insgesamt allerdings beeindruckt: „Die verstehen auf jeden Fall, wie Amazon funktioniert.“

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Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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