Rapchat, Breakr, Splice: Wie millionenschwere Musik-Startups von Tiktok & Co. profitieren
Weil Musik auf sozialen Plattformen unverzichtbar ist, entsteht eine neue Generation von Unternehmen
- Das Verhältnis der Musikindustrie zu Plattformen
- Breakr – Die Plattform, die Influencer und Independent-Musiker zusammenbringen will
- Prominente und reichweitenstarke Investoren
- Rapchat will das Aufnahmestudio für die Hosentasche sein
- Die größten VCs geben Geld – und Apple
Ein viraler Tiktok-Clip oder das aktuell angesagteste Instagram-Video mit Millionen-Reichweite ohne Musik? Heutzutage kaum vorstellbar, sind Songs doch längst ein wesentliches Element der großen sozialen Plattformen. Wie wichtig die Industrie für die Social Apps ist und welchen Einfluss umgekehrt die Apps auf die gesamte Musik-Industrie und unabhängige Künstler:innen haben, zeigt das Wachstum einiger teilweise mit dreistelligen Millionenbeträgen finanzierter Startups. OMR stellt die spannendsten Unternehmen vor und erklärt das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Plattformen und Labels.
Es war kein Geheimnis und eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sich die Kurzvideo-App Tiktok um ein nicht ganz unwesentliches Problem kümmert. Denn lange profitierte die Plattform von der Bekanntheit aktuell erfolgreicher Songs, die User für ihre Clips nutzten, ohne selber Verwertungsrechte an der Musik zu besitzen. Seit Ende 2020 ändert sich das mit einem enormen Tempo. Erst verkündete Tiktok im November eine Partnerschaft mit Sony Music Entertainment, im Januar dieses Jahres folgte ein Deal mit der Warner Music Group und im Februar eine „globale Allianz“ mit der Universal Music Group.
Und nicht nur alle drei Major Labels hat Tiktok inzwischen an Bord. Vor wenigen Tagen verkündete das Unternehmen eine Kooperation mit dem Streaming-Dienst Spotify. Alle Tiktok-User in den Ländern Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Polen und der Türkei bekommen im Zuge dessen je nach Markt drei bis vier Monate kostenlosen Zugang zum Premium-Abo von Spotify.
Das Verhältnis der Musikindustrie zu Plattformen
Die Beziehung zwischen Tiktok und den großen Musikverlagen ist dabei allerdings keinesfalls einseitig. Im Gegenteil: Es wirkt fast so, als könne keiner mehr ohne den anderen. Denn was wäre Tiktok ohne den Zugang zu den großen Lizenzkatalogen? Und wie würden die Labels die Promo zu neuen Singles und Alben gestalten, ohne auf Tiktok zurückgreifen zu können? National hat Rapperin Loredana und international hat Lil Nas X bereits eindrucksvoll bewiesen, welche Wirkmacht die Plattform im Musikmarketing haben kann.
Im Schatten all dieser ganz großen Player der Musik-Plattform-Ökonomie entstehen derzeit immer häufiger neue, kleinere Plattformen, die an einem ganz bestimmten Problem ansetzen und von der enormen Größe der Industrie profitieren wollen und es häufig auch tun – einige mit Investoren, die selbst Stars mit Millionenreichweiten auf Tikok und Co. sind, andere mit millionenschweren Finanzierungsrunden.
Breakr – Die Plattform, die Influencer und Independent-Musiker zusammenbringen will
Ende 2019 gründen die Brüder Ameer und Tony Brown gemeinsam mit Daniel Ware und Rotimi Omosheyim in Oakland, Kalifornien, Breakr. Die seit November 2020 aktive Plattform will Influencer:innen mit Künstler:innen zusammenbringen, um ihre Musik bekannt zu machen. Erstere können auf der Plattform Profile errichten, eine Preis-Range sowie ihren Musikgeschmack angeben und sich so für Kampagnen auf Tiktok, Instagram und Tiktok-Konkurrent-Triller zur Verfügung stellen.
Künstler:innen wiederum können nach geeigneten Profilen suchen und ihre Musik direkt hochladen, Deals werden über die Plattform abgeschlossen. Influencer:innen bekommen erst das Geld über die Plattform ausgezahlt, wenn bestätigt wurde, dass die Kampagne wie vereinbart umgesetzt wurde. Breakr behält zehn Prozent als Provision ein. 40.000 Künstler:innen und 10.000 Influencer:innen sollen die Plattform bereits nutzen. Der durchschnittliche Wert eines Posts liege derzeit bei 75 US-Dollar, könne aber zwischen zehn und 10.000 US-Dollar betragen.
Der zum Startup passende Hashtag #musicbreakr, der zusätzlich zu einem individuellem Hashtag bei allen Kampagnen genutzt werden soll, kommt bis heute auf Tiktok auf fast 140 Millionen Abrufe. Auf Instagram sind es bisher nur 3.388 Beiträge.
Prominente und reichweitenstarke Investoren
Auch wenn das junge Unternehmen noch keine große Finanzierungsrunde vorweisen kann, haben bereits einige prominente Angel Investoren Geld in Breakr gesteckt. Dazu zählt unter anderem der 19-jährige Josh Richards. Richards war schon früh als Creator auf allen Plattformen inklusive Tiktok-Vorgänger Musically unterwegs und gilt heute als einer der größten Social-Media-Stars. Alleine auf Tiktok kommt er auf über 25 Millionen Follower und 1,7 Milliarden (!) Likes, auf Instagram sind es 7,3 Millionen Abos und auf Triller 2,8 Millionen Follower.
Seit Mitte 2020 ist Josh Richards nicht nur Investor bei Triller, sondern auch Chief Strategy Officer. Er soll sich seitdem um die Einführung von Live-Streaming und um weitere Monetarisierungs-Features kümmern. Zusätzlich ist Richards Co-Founder des Influencer-Managements TalentX und Gründer von CrossCheck Studios, einem gemeinsamen Projekt mit der Produktionsfirma Unrealistic Ideas von Hollywood-Star Mark Wahlberg. Außerdem produziert er seit einigen Monaten gemeinsam mit Barstool-Sports-Gründer Dave Portnoy den Podcast „BFFs“ und hat gemeinsam mit den Social-Media-Stars Griffin Johnson und Noah Beck den 15 Millionen US-Dollar schweren VC Fund Animal Capital gegründet.
Griffin Johnson ist einer der weiteren Angel Investoren von Breakr. Auch er kommt auf eine anschauliche Reichweite auf sozialen Plattformen. Auf Tiktok sind es 10,7 Millionen Follower, auf Instagram 3,4 Millionen Abos. Alleine diese Reichweite, würde sie intensiv für die Promo von Breakr genutzt werden, könnte dem Dienst mittelfristig einen deutlich Push bescheren.
Rapchat will das Aufnahmestudio für die Hosentasche sein
Anders als Breakr liegt der Fokus von Rapchat nicht auf der Vermarktung von Musik, sondern ganz am Anfang, auf der Produktion. Schon seit 2015 bauen die Gründer Pat Gibson und Seth Miller an einer Community aus Musikproduzent:innen. Mit der kostenlosen App können User auf eigenen Angaben zufolge über 100.000 Gratis-Beats zugreifen und eigene Instrumentals bauen. Die kostenpflichtige Premiumversion enthält entsprechend mehr Features.
Vor wenigen Wochen, Ende April, konnte das Unternehmen laut Techcrunch die Marke von sieben Millionen registrierten Usern knacken und in einer zweiten Seed-Runde, angeführt von Sony Music Entertainment und der New Yorker VC-Firma Adjacen, 2,3 Millionen US-Dollar einsammeln. Man sei jetzt außerdem bereit für eine größere Series-A-Runde.
Daten des App-Analytics-Dienstes Airnow scheinen die Zahl der registrieren Nutzenden zu bestätigen. Seit dem Release wurde die App demnach 6,9 Millionen Mal für iOS und 2,2 Millionen Mal für Android heruntergeladen. Sieben Millionen registrierte User erscheinen da durchaus realistisch. Dass zumindest einige Plattform bereits mit ähnlichen Funktionen ausgestattet sind, scheint die Gründer Gibson und Miller derweil nicht zu stören. Ende 2020 übernahm Snap die App Voisey, Tiktok hatte bereits 2019 Jukedeck gekauft.
Die größten VCs geben Geld – und Apple
Wie attraktiv und zukunftsträchtig das Business rund um Musik, Lizenzen, Vertrieb und Produktion auch in der digitalen Post-CD-Ära sein kann, zeigen noch besser als aufstrebende Startups millionenschwere Deals der vergangenen Monate. David Guetta, Bob Dylan, Shakira, Fleetwood Mac – Investmentfonds und Beteiligungsgesellschaften wittern im Handel mit Songkatalogen ein Milliarden-Geschäft. Auch die chinesische Technologie-Holding Tencent (u.a. Wechat, JD,com, Riot Games) hat in der Vergangenheit massiv in die Industrie investiert und hält relevante Anteile an Spotify, Universal und Warner Music.
Ende März hat dann auch Risikokapitalgeber Andreessen Horowitz investiert – gemeinsam unter anderem mit Apple und Alphabet. 50 Millionen US-Dollar gingen in einer Series-B-Finanzierungsrunde an die Musikvertriebs-Plattform Unitedmasters, bei der alle Eigentumsrechte bei den Künstler:innen bleiben. Das gesamte Funding des 2017 von Steve Stoute gegründetem Unternehmen beträgt jetzt 120 Millionen US-Dollar; Stoute selbst war lange bei Labels aktiv und hat unter anderem Rapper Eminem und Pop-Star Mariah Carey betreut.
Auch die 2013 in New York gegründete Cloud-basierte Sample-Plattform Splice konnte zuletzt eine große Finanzierungsrunde abschließen. Im Februar bekam das Unternehmen, angeführt von GS Growth, dem Investment-Vehikel von Goldman Sachs, frische 55 Millionen US-Dollar. Das Gesamt-Funding beträgt jetzt knapp 160 Millionen US-Dollar.