Hightech statt Hanteln: So wurde Egym zum deutschen Fitness-Unicorn
Mit intelligenten Trainingsgeräten hat das Team um Gründer Philipp Roesch-Schlanderer den Markt verändert. Inzwischen greift es auch mit einem digitalen Abo-Modell an.
Nachdem er im Kraftraum nicht wusste, welche Gewichte er auflegen soll, hat Philipp Roesch-Schlanderer mit Egym einfach eigene Geräte mit Software-Anbindung entwickelt. Kapitalgeber konnte er mit dieser Idee anfangs kaum überzeugen, gerade in Deutschland. Hardware? Lieber nicht. Im OMR Podcast verrät der Gründer, wie es ihm dennoch gelungen ist, bis heute eine halbe Milliarde US-Dollar von Investor*innen einzusammeln, wie er mit Egym Wellpass ein weiteres Geschäftsmodell aufgebaut hat – und welche Rolle bei all dem der Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump spielt.
Eine Geschichte über ein Fitness-Startup sollte idealerweise in einem Kraftraum beginnen, irgendwo zwischen Hanteln, Beinpresse und Co., wo es nach Schweiß riecht und nach Anstrengung aussieht. Die Geschichte von Egym beginnt in einem dunklen Kraftraum der Columbia University in den USA. 2008 verbringt Philipp Roesch-Schlanderer an der Universität sein Auslandssemester – und steht irgendwann, so der Gründermythos, in diesem Kraftraum und blickt ratlos auf die Gewichte. Wie viele Scheiben soll er auflegen? Welche Belastung ist zu viel? Wie viel Wiederholungen sinnvoll? Und generell: Wie trainiert man überhaupt optimal? "Und dann dachte ich: Da fehlt irgendwie Software", erinnert er sich.
Philipp Roesch-Schlanderer studiert damals an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Business Administration, parallel absolviert er am Center for Digital Technology and Management (CDTM) das Programm “Technologie-Management”. Nach dem Abschluss gründet er 2010 zusammen mit Florian Sauter das Fitness-Startup Egym. Die Idee: Hightech statt Hanteln. 80 Prozent der Fitnessstudio-Kund*innen würden falsch trainieren, sagt Philipp Roesch-Schlanderer: "Die Idee war praktisch: Hey, können wir nicht Software nutzen, damit diese 80 Prozent so trainieren, als ob sie einen Personal Trainer hätten?" Die beiden entwickeln Fitnessgeräte, die sich automatisch den Nutzenden anpassen sollen, so dass man – so die Idee – möglichst ideal trainiert, immer wieder neu herausgefordert wird, ohne dass es dabei zu Überlastungen kommen.
Rund 150.000 Euro für ein Set Egym-Geräte
Den beiden gelingt es, erste Fitnessstudios von ihrem Konzept zu überzeugen – obwohl die Erstausstattung mit Egym-Geräten schnell mal 150.000 Euro in Summe kosten kann. Doch die Geräte werden für viele Studios, speziell im Premium-Bereich, schnell eine Möglichkeit, sich zu differenzieren. "Unsere Geräte stehen heute in jedem vierten deutschen Fitnessstudio", sagt der Gründer. Dass dieses Potenzial sofort auch jedem deutschen Venture-Capital-Geber klar gewesen wäre, kann Philipp Roesch-Schlanderer hingegen nicht behaupten: "Die ersten zehn Jahre waren auch hinsichtlich der Finanzierung extrem hart." Viele deutsche Wagniskapitalgeber tun sich damals extrem schwer damit, in ein Digitalunternehmen zu investieren, bei dem physische Produkte eine so große Rolle spielen. Roesch-Schlanderers Argumente, dass viele der heute wertvollsten Unternehmen auf eine Mischung aus Hard- und Software setzen, verfängt damals kaum.
Dass die beiden Gründer inzwischen dennoch rund 500 Millionen US-Dollar Kapital eingesammelt haben und es dabei auf eine Firmenbewertung jenseits der Unicorn-Schwelle von einer Milliarde US-Dollar gebracht haben, liegt daher auch einerseits eher an internationalen Kapitalgebers – wie dem Team von Affinity Partners um Investor und Donald-Trump-Schwiegersohn Jared Kushner. Andererseits hat auch das Gründerteam inzwischen dafür gesorgt, dass das Geschäftsmodell auf zwei voneiander recht unabhängigen Säulen ruht. Das Hardware-Geschäft rund um die Fitnessgeräte mache nur noch 20 Prozent des Umsatzes von in diesem Jahr rund 500 Millionen Euro aus, verrät Philipp Roesch-Schlanderer im OMR Podcast. Den Großteil trage inzwischen das Abo-Angebot Egym Wellpass bei.
Unternehmen als Zielgruppe
Mit Egym Wellpass bietet das Unternehmen aus Bayern inzwischen ein Modell an, das auch Konkurrenten wie Urban Sports Club schon erfolgreich gemacht hat: Kund*innen können damit nicht nur ein Fitnessstudio besuchen, sondern aus einer ganzen Reihe an Angeboten auswählen, vom Schwimmbad bis zum Yoga-Studio, und diese dann – je nach gebuchtem Kontingent – ein- oder mehrmals besuchen. Beim Vertrieb setzt das Egym-Team dabei insbesondere auf Unternehmen als Zielgruppe. Diese sollen die Mitgliedschaft bei Egym Wellas subventionieren und vergünstigt als Incentive ihren Mitarbeitenden zur Verfügung stellen. Dafür bekommen sie dann, so die Hoffnung, im Gegenzug gesündere Arbeitskräfte, die seltener ausfallen.
Im OMR Podcast verrät Philipp Roesch-Schlanderer, außerdem wie er mit diesem Konzept jetzt auch die USA erobern will, wieso der dortige Markt bei den Standards in Fitnessstudios noch hinterher hinkt und wieviel er selbst bei Beinpresse und Co. inzwischen so drückt.