Neuer CEO setzt beim Online-Brillenhändler Mister Spex auf Offline-Handel
Tobias Krauss hat lange das Family Office eines Milliardärs geleitet. Nun greift er mit 49 Jahren nochmal als CEO einer einstigen E-Commerce-Hoffnung neu an.
Beim Börsengang war Mister Spex mehr als 800 Millionen Euro wert, knapp vier Jahre später sind es nicht mal mehr 50 Millionen Euro. Dazu sinken die Umsätze, der Online-Brillenhändler macht Verluste. Es gibt viel zu tun für den neuen Vorstandschef Tobias Krauss, für den der neue Job aber auch ein Stück weit eine Rückkehr zu den alten Wurzeln ist. Er will den Onlinehändler wieder erfolgreich machen – und setzt dafür ausgerechnet auf den Offline-Handel.
Wenn CEOs über die Zukunft ihrer Unternehmen sprechen, dann geht es in der Regel um Themen wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder zumindest E-Commerce. Tobias Krauss redet lieber vom stationären Handel. Er ist nicht gegen das Internet oder die Vorzüge der Digitalisierung – aber generell möchte er zunächst mal Geld verdienen mit dem Geschäft des Brillenhändlers Mister Spex. "Der Online-Umsatzanteil von Mister Spex liegt bei etwa 65 Prozent, der von Fielmann bei fünf Prozent", sagt Tobias Krauss und will damit keinen Vorteil betonen. Denn das Geld, sagt er, werde in erster Linie mit Gleitsichtbrillen verdient – und die kaufen Kund*innen eben am liebsten immer noch im stationären Handel. "Und damit ist dann auch klar, warum Fielmann so viel profitabler ist als wir".
Tobias Krauss ist kein Online-Enthusiast, aber auch kein Offline-Fetischist. Er ist ein Optimierer. Seine Karriere hat er bei Porsche Consulting begonnen, als Wirtschaftswissenschaftler kam er in eine Beratung, die bis dato von Ingenieuren geprägt wurde. Der Fokus lag auf Prozessoptimierung, immer ging es um die Frage: Was ist nötig, um die Wertschöpfung zu steigern – und was können wir weglassen? Tobias Krauss sagt, dieser Ansatz habe sein weiteres Berufsleben maßgeblich geprägt: "Der Fokus liegt immer darauf, die Wertschöpfung in den Vordergrund zu stellen." 2007 verließ er die Beratung, heuerte bei Unternehmen an, die restrukturiert werden mussten, wie etwa das Mutterunternehmen der Farbmarke Alpina.
Von mehr als 800 auf unter 50 Millionen Euro
In Berlin wurde unterdessen ein Unternehmen gegründet, bei dem es zunächst weniger um Lean Management ging, sondern um die große Vision, die von der früheren Hewlett-Packard-Chefin Carly Fiorina mal so auf den Punkt gebracht wurde: "Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert". 2007 begannen die vier Gründer Dirk Graber, Björn Sykora, Philipp Frenkel und Thilo Hardt mit dem Online-Verkauf von Brillen. Mister Spex nannten sie ihr Unternehmen, mit dem sie den insgesamt sehr zersplitterten Markt für Augenoptik aufmischen wollten. Als Mister Spex 2021 an die Börse geht, wird das Unternehmen dort mit mehr als 800 Millionen Euro bewertet.
Heute ist davon nicht mehr viel übrig. Der Kurs ist abgestürzt, die Marktkapitalisierung liegt bei weniger als 50 Millionen Euro. Die einstige Online-Hoffnung ist auf dem Weg zum Penny-Stock. Selbst Kollaborationen mit Musikern wie Prinz Pi und Jan Delay oder dem Mode-Designer Michael Michalsky haben das nicht verhindern können. Die Umsätze sind gesunken, auch für das laufende Geschäftsjahr rechnet Mister Spex nicht mit Wachstum. Unterm Strich steht dafür gleichzeitig ein zweistelliger Millionenverlust (Ebit).
"Ich wollte aus der Juniorrolle raus"
Tobias Krauss ist dennoch überzeugt davon, die Wende schaffen zu können. Er hat selbst in die Firma investiert, der Kauf von 70.000 Aktien soll auch ein Zeichen sein. In den vergangenen Jahren hatte er für den Hamburger Milliardär Albert Büll ein Family Office aufgebaut und geleitet. Er hat in Bülls Auftrag in Venture-Capital-Fonds investiert, in Unternehmen wie den Autovermieter Miles oder das Energie-Startup Enpal – und eben auch in Mister Spex. 2024 übernahm er dort den Aufsichtsratsvorsitz, dann sogar die operative Führung. Mit 49 Jahren habe ihn die Verantwortung gereizt, sagt er: "Ich kam an den Punkt, wo ich gesagt habe: Ich muss jetzt schon ein bisschen aus dieser Juniorenrolle raus".
Der Job bei Mister Spex sei für ihn die Synthese seiner Erfahrungen aus den vergangenen 20 Jahren, sagt Tobias Krauss. Nun gehe es um die Umsetzung. Seinem alten Chef bleibt er dabei jedoch weiterhin eng verbunden – und das über die reine Finanzbeteiligung hinaus. Entscheidungen überprüfe er immer wieder auf Basis seiner Lean-Management-Erfahrungen – und eines zweiten Filters, den er WWABD nennt: What would Albert Büll do?
Im OMR Podcast erzählt Tobias Krauss, mit welchen Methoden er sich auch selbst immer wieder optimiert, warum der persönliche Ehrgeiz irgendwann aber dennoch zu viel wurde und warum das Investment in Mister Spex für Albert Büll am Ende nicht so schlecht war, wie es angesichts des eingebrochenen Börsenkurses auf den ersten Blick den Anschein hat.