Facebook statt Türklingel: Wie dieser Verlag Print-Abos an Fans verkauft
Falkemedia hat über 6.000 Abos einer noch nicht erschienenen Zeitschrift auf einer Fanseite verkauft
- Facebook-Seite kaufen und Community aufbauen
- Ein Domino-Effekt in der Zielgruppe
- Günstiges Marketing für viele Abos
- Ansturm und Print-Probleme
Beachtliche 100.000 Exemplare umfasst die Startauflage des neuen Printmagazins „Mein Thermo“ von Falkemedia. Noch beeindruckender: Die erste Auflage war innerhalb von sechs Tagen ausverkauft; 6.000 Leser haben ein Abo abgeschlossen. Für den Erfolg hat nahezu alleine Facebook Marketing gesorgt. Wir beleuchten die Strategie und zeigen, wie man ein Printmagazin über große Plattformen an die Zielgruppe bringen kann.
„Wir verzeichnen einen Zuwachs von 2.000 bis 3.000 Fans pro Woche“, sagt Jakob Strehlow, Social Media Marketing Manager bei Falkemedia („Mac Life“, „So is(s)t Italien“) zu Online Marketing Rockstars. Er begleitet das Print-Projekt „Mein Thermo“ von Beginn an und kümmert sich um die Facebook-Strategie. Die erste Ausgabe des Magazins verspricht 120 Rezepte für den Thermomix (die über 1.100 Euro teure Küchenmaschine von Vorwerk) und ist laut Angaben des Verlags fast vollständig ausverkauft – auf der Webseite kann man sie nicht mehr bestellen. Allein 6.000 Abos seien vor der Veröffentlichung abgeschlossen worden – der Großteil über die Facebook-Fanseite „Die besten Thermomix Rezepte“. Wie hat der Verlag aus Kiel das geschafft?
Facebook-Seite kaufen und Community aufbauen
Bei Null musste das Marketing-Team von Falkemedia bei Facebook nicht anfangen: „Wir haben die Seite ‚Die besten Thermomix-Rezepte‘ vor zwei Monaten für einen niedrigen vierstelligen Betrag gekauft. Damals hatte der Kanal etwa 59.000 Fans“, erzählt Strehlow. Der spanische Besitzer der Seite habe diese vorher kaum mit vernünftigen Inhalten bespielt und nur vom Hype um den Thermomix profitiert. Laut Strehlow sei der Preis ein absolutes Schnäppchen gewesen – schließlich würden Facebook-Seiten mit vielen Fans und guten Engagement-Raten für einen bis fünf Cent pro Fan verkauft, maximal sogar für 50 Cent.
„Zu Beginn haben wir dann Artikel von Thermomix-Bloggern gepostet. Die bekommen kostenlos Reichweite und wir Content“, sagt Strehlow. Die Inhalte hätten sofort für größeres Engagement gesorgt, so richtig sei das aber bei der ersten Vorschau auf das Heft gestiegen: „Ein Foto der ersten Doppelseite wurde hundertfach in anderen Thermomix-Gruppen auf Facebook geteilt. Das Gros der Abos kam über ein eigens produziertes Video, in dem wir durch das Heft führen. Das hat bis heute über 84.000 Aufrufe. Und über die gesharten Seiten aus dem Heft.“ So schafft es Falkemedia dann also, in der nur zum Teil selbst aufgebauten Community für das neue Magazin zu trommeln und über 6.000 Abonnenten zu gewinnen. Ein Jahres-Abonnement von „Mein Thermo“ (sechs Ausgaben) kostet 27,90 Euro, ein Probeabo für drei Ausgaben 9,90 Euro. Wie viele der neuen Abonnenten sich für das jeweilige Produkt entschieden haben, wollte Falkemedia nicht verraten.
Ein Domino-Effekt in der Zielgruppe
Clever Lust auf das Produkt zu machen, ist aber nur ein Teil des Erfolgsgeheimnisses. Mein Thermo profitiert darüber hinaus durch die aktive Community rund um das Erfolgsprodukt Thermomix – 85 bis 90 Prozent der Fans sind Frauen im Alter zwischen 25 und 54 Jahren. Bei Facebook gibt es schließlich verschiedenste Gruppen, die sich rege mit dem Thema Thermomix-Rezepte beschäftigen: Thermomix TM5 (56.500 Mitglieder), Thermomix TM5 Neue Kochwelt (fast 22.000 Mitglieder) oder Thermomix Rezepte (fast 77.000 Mitglieder) sind nur einige Beispiele. Die offizielle Fanseite von Vorwerk hat sogar über 260.000 Fans.
Genau in diesen Gruppen wurden das Bild der Doppelseite, das Einführungsvideo und weitere Inhalte geteilt – laut Jakob Strehlow von Nutzern. Es wäre auch denkbar, dass Falkemedia über die eigenen Mitarbeiter solche Inhalte in den Gruppen platziert, das sei aber bisher nicht nötig gewesen. Facebook macht es Publishern wie Falkemedia mittlerweile auch leichter, Produkte über die eigenen Fanseiten zu verkaufen. Auf der Seite von „Mein Thermo“ ist das neue Shop-Widget eingebunden, dass gerade an Facebook-Partner ausgerollt wird. Per Klick landen die Nutzer direkt im Webshop und können ihr Abo-Modell auswählen. Das Widget ist prominent – direkt unter dem Titelbild – über den Inhalten der Fanseite eingebunden.
Günstiges Marketing für viele Abos
Die Prognose von Herausgeber Kassian Alexander Goukassian sieht durch den Erfolg der Marketing-Maßnahmen ganz gut aus: „Jedes neue Produkt ist für uns ein Investment, es zeichnet sich jedoch ab, dass der ROI wesentlich schneller erreicht ist, als geplant.“ Denn bis auf den Kauf der Facebook-Fanseite dürften sich die Kosten in Grenzen halten – typische Print-Investitionen wie Druck und Vertrieb einmal ausgenommen. Neben einem kleinen Redaktionsteam sorgen Thermomix-Blogger, deren Inhalte auf der Facebook-Seite geteilt wurden, für den Content des Magazins.
Wenige Anzeigen im Heft sorgen neben den Verkaufserlösen für Umsatz. Erst seit ein paar Tagen schalte Falkemedia Adwords-Anzeigen in der Google-Suche, die bisher an die 100 Abo-Abschlüsse gebracht hätten. Der Fokus soll weiter bei Facebook liegen – erst einmal ohne Geld auszugeben: „Derzeit investieren wir kein Geld in Facebook-Anzeigen. Durch das organische Wachstum und das Share-Verhalten unserer Fans ist das gar nicht nötig“, sagt Marketing Manager Strehlow.
Ansturm und Print-Probleme
Bis dahin kämpft aber auch „Mein Thermo“ mit klassischen Problemen aus der Print-Welt: Offenbar gibt es teilweise Verzögerungen bei der Auslieferungen und viele Kunden machen ihrem Ärger auf der Facebook-Seite Luft. Einige Abonnenten haben offenbar statt eines Heftes nur einen Gutschein zugeschickt bekommen, den sie gegen ein Heft im Supermarkt oder Kiosk ihrer Wahl eintauschen können. Da das Magazin an den meisten Orten aber bereits vergriffen ist, ist auch der Gutschein unbrauchbar. Außerdem muss die Redaktion derzeit einige Fehler in den Rezepten korrigieren – dafür ist die Facebook-Seite immerhin sehr praktisch.
Um die Größe der Auflage einschätzen zu können, lohnt ein Blick auf die Konkurrenz: Eatsmarter kommt derzeit laut IVW auf 115.000 Exemplare, Foodie ist gerade mit 125.000 gestartet und Essen und Trinken wird pro Monat über 146.000 Mal verkauft. Noch ist nicht klar, ob „Mein Thermo“ bei der zweiten Ausgabe die Auflage erhöht, das Heft soll alle zwei Monate erscheinen. Insgesamt würden aber pro Tag immer noch mehrere hundert Abos verkauft.
Übrigens: Vorwerk hat mit dem Magazin nichts zu tun. Lizenzgebühren muss Falkemedia aber auch nicht zahlen. „Wir sind ein journalistisches Produkt, das über den Thermomix berichtet. Der Form halber kommen wir dem Wunsch des Unternehmens nach, das Copyright-Symbol auf dem Titelblatt abzubilden“, sagt Herausgeber Goukassian. Anzeigen schaltet das Unternehmen nicht.
Update (7. November 2016)
Wie turi2 und Meedia berichten, muss der Verlag die Zeitschrift „Mein Thermo“ umbenennen. Vorwerk geht offenbar gegen Verlage vor, deren Magazin-Titel sich zu nahe am Markennamen Thermomix bewegen. Die Begriffe „Thermo“ und „Mix“ seien tabu. „Mein Thermo“ heißt deshalb ab der kommenden Ausgabe „mein ZauberTopf“. Wir hatten beobachtet, dass die Macher die Facebook-Community nach Namensideen befragt hatten. Offenbar war der neue Titel einer der beliebtesten.