Masterclass.com: Hier verkaufen NBA-Star Stephen Curry und Christina Aguilera Onlinekurse
So mischt das Silicon Valley-Startup die E-Learning-Branche mit Promis und Superstars auf
- Prominente Lehrer und hochwertig produzierter Content
- Der masterclass.com-Gründer ist ein Investment-Profi
- Gleich hohe Gagen für alle Stars
- Die weltberühmten Lehrer rekrutieren sich inzwischen gegenseitig
- Nutzerinterviews, Umfragen, Testwebsites und laufende Datenanalysen
- Niedrige Kundenakquisitionskosten von masterclass.com
- Plant masterclass.com einen Exit?
Basketball spielen wie Stephen Curry, singen wie Christina Aguilera oder Mode designen wie Diane von Fürstenberg? Die E-Learning-Website masterclass.com verspricht, genau diese Fähigkeiten zu vermitteln. In kostenpflichtigen und aufwendig produzierten Online-Videokursen geben weltbekannte Stars aus verschiedensten Bereichen Tipps und Anweisungen. OMR erklärt das Geschäftsmodell, wie der Masterclass-Macher die prominenten Referenten gewinnt und wie gut die Kurse wirklich sind.
Die Modemilliardärin Diane von Fürstenberg sitzt in ihrem perfekt ausgeleuchteten Loft und streicht sich hennafarbene Locken aus dem Gesicht. Leise klimpern ihre Armreifen. Den Hintergrund zieren eine cremefarbene Couch mit Zebraprint-Kissen und ein riesiges Selbstporträt an der Wand. „Instagram gibt Deiner Marke eine sichtbare Stimme“, sagt sie. „Du kannst diese Stimme für Deine Marke so oft wie Du willst und wo Du willst einsetzen – das macht Spaß. Nutze diese Chance. Entwickle eine Online-Persönlichkeit. Hier geht es um visuelle Disziplin, Tag für Tag, Post für Post. Hier kannst Du Deine Kreativität zeigen. Es ist Deine Visitenkarte und Dein Fenster zur Welt; nutze es. Je authentischer Du dabei bleibst, desto besser.“
In 16 Lektionen lehrt die 71-jährige Unternehmerin auf masterclass.com, wie man eine Modemarke aufbaut – über Produktentwicklung, Marktforschung, die Brand-DNA, Markenloyalität, wie man sich mit seinen Kunden vernetzt, wie man Social Media – vor allem Instagram – richtig macht und wie man mit Misserfolgen umgeht. Später im Kurs stellen zwei junge Modedesigner, Catherine und Danny, ihre ersten Portfolios vor, schluchzen dabei teilweise vor Aufregung und bekommen von ihrer berühmten Lehrerin eine Mappenkritik vor laufender Kamera geliefert.
Prominente Lehrer und hochwertig produzierter Content
Diane von Fürstenberg ist eine von über 30 meist amerikanischen Superstars, die ihr Können in Online-Kursen auf masterclass.com weitergeben. Für 100 Euro erkauft man sich einen lebenslangen Zugang zu einer Klasse. Für 210 Euro können sich Kunden alle Klassen für ein Jahr im Abo anschauen, Kursbücher herunterladen und sich mit Kursteilnehmern weltweit austauschen. Eine junge Handtaschendesignerin aus Jakarta grübelt in der “Student Community” des Fürstenberg-Kurses zum Beispiel über ihre unternehmerischen Absichten und stellt Mitschülern ihre Marke „Da’poza“ vor.
Viele Kursteilnehmer stellen den Lehrern in Q&A-Sessions Fragen. Und das Konzept funktioniert offenbar:Zwar ist eine direkte Interaktion mit den Lehrern nicht möglich. Aber ihre Lektionen sind inspirierend, machen Spaß und sind hochwertig produziert; bis hin zu den deutschen Untertiteln, die bei von Fürstenbergs Schneiderfachbegriffen wie z.B. „Nähten“, „Säumen“ und „Duchesse-Satin“ hilfreich sind.
Der masterclass.com-Gründer ist ein Investment-Profi
Was macht das Unternehmen besser als andere E-Learning-Startups? Der CEO und Mitgründer von Masterclass, der 35 Jahre alte David Rogier, ist ein Vollprofi-Gründer: Sein erstes Unternehmen, eine Suchmaschine, startete und verkaufte er als Schüler. Dann eröffnete er für den britischen Retailer Tesco Supermärkte in den USA. Nach seinem Stanford-MBA arbeitete er bei einem VC als Investor. Und als er selbst etwas gründen wollte, aber noch nicht genau wusste was, gab ihm sein Ex-Chef eine halbe Million Dollar an die Hand und ließ ihn machen.
Rogier stieg in den Markt für digitales Lernen ein und erzählt oft, warum. Seine Großmutter sei 1939 vor den Nazis aus Polen geflüchtet, in die USA emigriert und habe sich dort erfolglos an 50 Universitäten beworben, bevor sie endlich an einer genommen wurde, Medizin studiert und Kinderärztin geworden sei. Sie habe ihm eingetrichtert: Bildung ist etwas, das dir niemand wegnehmen kann.
Gleich hohe Gagen für alle Stars
Rogier spricht viel über die Marketingstrategien von Masterclass; beispielsweise über die Preisfindung sowohl auf der Angebots- als auch der Nachfrageseite. Um die Stars dazu zu bringen, eine Masterclass zu unterrichten, stellte Rogier erstmal einen Anwalt aus der Unterhaltungsbranche ein. Der erklärte, worauf die Agenten der Superstars angeblich wirklich Wert legten: nicht auf eine höchstmögliche Gage, sondern auf einen fairen Deal. Und deswegen setzte Masterclass noch vor dem Launch im Mai 2015 für alle Lehrer ein gleich hohes Honorar fest, das aus einem Vorschuss und einer Umsatzbeteiligung besteht.
Zwar nennt David Rogier öffentlich keine genaue Zahlen, laut Branchendiensten erhalten die Promis allerdings 100.000 US-Dollar als Gage und zusätzliche 30 Prozent vom Umsatz ihrer Klasse. Außerdem behalten sie laut Rogier die Kontrolle über ihre Kursinhalte, Kursformen, Pressearbeit und Marketingauftritte. Die Stars wollen wirklich unterrichten und ihr Wissen weitergeben“, so Rogier in einem Gespräch mit Podcaster Natha Latka. „Viel Geld könnten sie auf anderen Wegen leichter verdienen.“
Die weltberühmten Lehrer rekrutieren sich inzwischen gegenseitig
Die ersten drei Lehrer waren Schauspieler Dustin Hoffman, Bestsellerautor James Patterson und Tennisspielerin Serena Williams. Rogier, der in Los Angeles aufwuchs, schweigt sich darüber aus, wie er die ersten Superstars köderte. „Ehrlich, wir waren hartnäckig, haben viele Leute angerufen, hatten gute Berater, ein paar Connections und Glück“, sagt er in einem frühen Interview. Außerdem habe er die Tochter von Dustin Hoffman gekannt.
Fest steht, dass masterclass.com aus dem Stand erfolgreich war. Seitdem rekrutieren sich die Lehrer sogar gegenseitig. Als der britische Sterne- und Fernsehkoch Gordon Ramsay seine Kurse abgedreht hatte, schickte er Rogier eine Dankesmail und setzte gleich seinen Freund David in CC, der jetzt auch dringend in so einen E-Learning-Kurs auftreten wolle – zu Rogiers Freude sei das David Beckham gewesen. Inzwischen vermarkten die berühmten Lehrerinnen und Lehrer ihre Kurse auch selbst, sie sprechen darüber in Interviews und Talkshows, tweeten und posten ihre Kurs-Trailer.
Nutzerinterviews, Umfragen, Testwebsites und laufende Datenanalysen
Auch die Preisfindung auf der Nachfrageseite, bei den Schülern, ging das Startup nach eigenen Angaben gründlich an. Rogier: „Wir haben so viel getestet.“ Weil die Launchkosten für die ersten Kurse so hoch gewesen seien, hätten sie sich keine Fehler erlauben können. Welche Lehrer sollten sie aussuchen? Was sollten die unterrichten, welche Lerninhalte anbieten? Masterclass habe Datenanalysen in den Schaffensprozess der Klasseninhalte integriert und arbeite wie zwei Firmen: zum einen wie ein Silicon-Valley-Start-up mit seinen quantitativen Analysen, zum anderen wie eine Hollywood-Traumfabrik, die unterhaltsam einen „demokratischen Zugang zu Genialität“ verkaufe und wolle, dass „alle von den Besten lernen“.
Laut Rogier ist der größte Unterschied zwischen einer Tech-Company und einer Content-Company, wie sie Produktqualität erreicht. Tech-Startups versuchten, so schlank wie möglich zu arbeiten, handelten nach dem Motto „move fast and break things“ und verbesserten ihre Produkte nach dem Launch Schritt für Schritt je nach Marktreaktion. Für eine kreative Produktionsfirma in der Filmwelt, die Wert auf ihre Marke lege, sei ein solches Vorgehen zu risikoreich. Sie produziere alle zwei Jahre einen Film ohne eine zweite Chance, das Produkt nachzubessern. Bei Filmstart müsse alles perfekt sein. Masterclass arbeite wie eine Filmproduktionsfirma, aber nach digitalen Prämissen: „We’re pushing tech on it“, drückt David Rogier es aus.
Niedrige Kundenakquisitionskosten von masterclass.com
Masterclass setze auf Nutzerinterviews, Umfragen und laufende Datenanalysen, habe im Vorfeld sehr viele Testseiten aufgesetzt und Testwerbung in den sozialen Medien ausprobiert. Am ersten Tag nach dem Launch von masterclass.com im Mai 2015 habe er angesichts der Verkäufe vor Enttäuschung geweint, so Rogier gegenüber einem Investor. Er habe sich viel höhere Verkaufszahlen erhofft, weil er von täglich fallenden Neukundenzahlen ausgegangen sei.
Sein Marketingchef, der zuvor die Paid Advertising-Abteilung bei Netflix geleitet habe, sei aber hocherfreut gewesen. „Hast du gesehen, wie niedrig die Kundenakquisitionskosten bei allen Kursen sind? Das wird ein gigantisches Geschäft!“ habe er Rogier zugerufen. Das Unternehmen hätte am Launchtag weniger als 100.000 US-Dollar für bezahlte Anzeigen ausgegeben. Alle Kanäle funktionierten gut – und die Verkaufszahlen seien in den Tagen nach dem Launch stabil geblieben. Ein naheliegender Grund für den Erfolg von masterclass.com mit Paid Advertising: Die prominenten Lehrer dienen als Zugpferde, steigern das Interesse und treiben die Performance und das Engagement hoch. Eine Facebook-Anzeige mit einem kurzen Clip von Stephen Curry, der verspricht, „shooting, ball-handling and scoring“ zu verbessern, hatte schon Anfang des Jahres fast fünf Millionen Views, 6.500 Shares und 29.000 Likes. Der Erfolg solcher Ads dürfte auch seit Anfang an auf das Wachstum der Facebook-Seite einzahlen (aktuell knapp zwei Millionen Fans).
Plant masterclass.com einen Exit?
“Masterclass.com ist der First Mover im Markt für Premium-Online-Kurse, und ich will diese Position verteidigen”, sagt Rogier. Insgesamt 56 Millionen US-Dollar hat das Unternehmen in drei Investmentrunden bislang eingesammelt. Gerade hat es eine iOS-App und digitale Geschenkgutscheine auf den Weg gebracht. Kundenzahlen veröffentlicht das Unternehmen ebenso wenig wie Umsätze, Gewinne und Verluste. Auch auf seinen guten Ruf ist Masterclass bedacht: Die von Kritikern hochgelobten Schauspielkurse von Dustin Hoffman und Kevin Spacey entfernte das Unternehmen nach Bekanntwerden lange zurückliegender Belästigungs-Vorwürfe der beiden geräuschlos aus dem Programm. David Rogier stellt sich vor, dass eines Tages, wenn Online- und Offline-Lernen längst verschmolzen sind, masterclass.com für inspirierende Bildung steht. Auf die Frage, ob er das Unternehmen für 300 Millionen US-Dollar verkaufen würde, sagt er nur: „No way“.