Magic The Gathering X Herr der Ringe: Wird das die wertvollste Sammelkarte aller Zeiten?
Das Sammelkartenspiel bringt ein Set unter der Herr-der-Ringe-Lizenz raus – mit einem besonderen Marketing-Kniff
- Zwei Welten wie füreinander geschaffen
- „Ein Konzern, sie alle zu kaufen“
- Amerikanische Spielzeug-Tradition
- Dank Herr der Ringe zum nächsten Rekordjahr?
- „Eine Karte, sie alle zu knechten“
- Wird der Eine Ring die teuerste Sammelkarte aller Zeiten?
- Die Jagd nach dem Ring beginnt
In knapp zwei Wochen erscheint das neue Set des Sammelkartenspiels „Magic: The Gathering“. Die neuen Karten werden allerdings nicht im klassischen Magic-Universum angesiedelt sein, sondern im Rahmen einer Kollaboration mit „Herr der Ringe“ in Mittelerde. Damit tun sich zwei der größten Fantasy-Franchises der Welt zusammen. Obwohl es nicht die erste Zusammenarbeit mit einer Entertainment-Brand seitens Magic ist, wird ein Detail doch gänzlich neu. Angelehnt an „den Einen Ring“ wird es mit „The 1 of 1 Ring“ eine Karte ein einziges Mal geben; schon jetzt sind Sammler bereit, enorme Summen zu zahlen. OMR erklärt den Hype um die Ring-Karte, die Mechanismen des Sekundärmarktes für Trading Card Games – und mögliche Folgen dieses Marketing-Kniffs.
Als Frodo Beutlin im dritten Teil der Herr-der-Ringe-Trilogie nach einer langen Reise und vielen Strapazen am Schicksalsberg ankommt, um den Ring in die Lava zu werfen und damit zu zerstören, zögert er. Es kommt zum Kampf mit Gollum, der schließlich, gemeinsam mit dem Ring, ins flüssige Feuer fällt. So endet nach der Geschichte von J.R.R. Tolkien, von Peter Jackson verfilmt, die Herrschaft des Ringes. Die könnte jetzt in der Realität wieder aufflammen.
Zugegeben, eine etwas zugespitzte Einleitung für eine dann doch eher harte Marketing-Geschichte. Aber der Kern der Wertschöpfung in der Kollaboration zwischen „Herr der Ringe“ und „Magic: The Gathering“ sind nun mal Leidenschaft und Emotionen zweier Communitys. Da ist das Tolkien-Fanlager auf der einen Seite: Literatur-Klassiker, Film-Epos, zweitteuerste Amazon-Serie aller Zeiten, Vorlage für unzählige Parodien sowie Memes und damit tief in der globalen Popkultur verankert, eine Mega-Brand. Und die Magic-Liebhaber auf der anderen: Sammelkarten-Pionier, Fantasy-Kult und gelebtes Nerdtum.
Zwei Welten wie füreinander geschaffen
Diese beiden Universen treffen jetzt aufeinander. Am 23. Juni erscheint weltweit „Geschichten aus Mittelerde“ als neues, spielbares Magic-Set. Das funktioniert wie jedes andere Themen-Set von Magic: Es gibt Starter-Pakete mit zwei fertigen Decks, kleinere Booster-Packungen mit zufälligen Karten und sogenannte Commander-Decks für einen besonderen Spielmodus. Unabhängig vom Spielmodus ist der grundlegende Ablauf immer gleich. Spielende ziehen Karten, bauen nach und nach Ressourcen (Länder) auf und nutzen diese im weiteren Verlauf für das Spielen von Kreaturen, Zaubern usw. Das Besondere bei Magic: Im Prinzip lassen sich die über die Jahre zig tausenden veröffentlichten Karten aus verschiedenen Universen und Franchises beliebig miteinander kombinieren. So entsteht eine enorme Vielfalt und Spieltiefe – nur einer der Punkte, die Fans an Magic lieben.
Die Kollaboration, man könnte sie als perfekten Markenfit bezeichnen, lebt selbstverständlich nicht nur von Fantasy-Romantik (auch wenn die Fanlager das manchmal gerne hätten). Hinter beiden Welten stehen große globale Unterhaltungs-Konzerne. Im Fall von Herr der Ringe ist das ein Unternehmen, das die allermeisten garantiert nicht auf dem Zettel haben dürften, wenn sie an Bücher, Filme oder Amazons Serie „Die Ringe der Macht“ denken. 2017 hatte sich der E-Commerce-Riese die Rechte dafür für die Rekordsumme von 250 Millionen US-Dollar gesichert. Vor wenigen Wochen legte Amazon nach und schnappte sich ebenfalls die Lizenz für ein MMO (Massively Multiplayer Online Game) im Herr-der-Ringe-Universum.
„Ein Konzern, sie alle zu kaufen“
Die Zwischenüberschrift stammt von diesem Artikel der Zeit von August 2022. In dem wird ziemlich gut erklärt, wer eigentlich der Rechteinhaber und damit auch Lizenzgeber für Dinge wie ein Kartenspiel im Herr-der-Ringe-Universum ist. Seit vergangenem Jahr ist genau diese Lizenz für Filme, Videospiele, Brettspiele, Comics, Vergnügungsparks und Merchandising im Besitz der Embracer Group aus Schweden. Rund 775 Millionen US-Dollar soll dieses Rechtepaket dem US-Filmproduktionsunternehmen Saul Zaentz Company, seit 1976 im Besitz, eingebracht haben. Der neue Besitzer, die Embracer Group, galt vorher mit knapp einer Bewertung von knapp zehn Milliarden US-Dollar als größter Spielekonzern Europas.
Seit Jahren kauft das Unternehmen, vorher lange unter dem Namen THQ Nordic unterwegs, mitunter auch angeschlagene und finanziell in Schieflage geratene Spielestudios und Marken auf. Seit 2021 waren mit dem Borderlands-Entwickler Gearbox für 1,3 Milliarden US-Dollar, dem Brettspieleverlag Asmodee (u.a. Lizenzinhaber von Die Siedler) für drei Milliarden US-Dollar und Teilen von Square Enix Europe und damit Marken von Spielen wie Tomb Raider und Deus Ex aber auch bereits großkalibrigere Übernahmen dabei. Kurz vor dem Mittelerde-Deal gab die Embracer Group wiederum einen Teil ab – 8,1 Prozent gingen für rund eine Milliarde US-Dollar an die Savvy Group aus Saudi-Arabien (u.a. ESL). Aktuell wird der Konzern nur noch mit unter 3 Milliarden US-Dollar bewertet.
Amerikanische Spielzeug-Tradition
Nicht ganz so kompliziert und verstrickt, aber vielen vielleicht auch so nicht bewusst, sind die Besitzverhältnisse beim Sammelkartenspiel Magic: The Gathering. Erfinder Richard Garfield verkauft seine Idee 1993 an das erst drei Jahre vorher gegründete Unternehmen Wizards of the Coast. Schnell stellen sich internationale Erfolge ein. Man investiert in Lizenzen und vertreibt unter anderem viele Jahre das Sammelkartenspiel von Pokémon. 1997 übernimmt Wizards mit TSR das Unternehmen hinter dem ebenfalls weltweit bekannten Pen-&-Paper-Rollenspiel „Dungeons & Dragons“. Ähnlich wie jetzt bei Magic und Herr der Ringe ein extrem guter Markenfit. Kurz darauf, 1999, geht Wizards of the Coast dann an den US-Spielwarenhersteller Hasbro und gehört bis heute zum Konzern, unter anderem auch das Zuhause der Marken Monopoly und Transformers.
Ein paar Jahre vorgespult: Wie bei vielen Brettspiel-Firmen geht es für Hasbro während der Pandemie erst einmal aufwärts. Die Menschen sind zu Hause; Puzzles, Gesellschafts-, Karten- und Tabletop-Spiele erleben einen wahren Boom. So richtig halten kann man dieses Hoch nach dem Ende der letzten Lockdowns aber nicht, bis auf zwei Ausnahmen: Magic und Dungeons & Dragons. Im vergangenen Jahr strukturiert Hasbro den Konzern dann in drei neue Units um und trägt dem Fantasy-Hype Rechnung. Consumer Products, Wizards of the Coast and Digital Gaming und Entertainment sind seitdem die Geschäftsbereiche. Und es sind bis heute die Wizards-Brands, die wachsen.
Während Hasbro 2022 mit 5,86 Milliarden US-Dollar insgesamt neun Prozent weniger Umsatz erzielt als im Vorjahr, klettert der Umsatz alleine von Magic um sieben Prozent auf über eine Milliarde US-Dollar. Das Sammelkartenspiel sorgt dafür, dass die Unit Wizards of the Coast and Digital Gaming mit ingesamt rund 1,3 Milliarden US-Dollar Umsatz als einzige wächst. Und in der Vergangenheit haben dazu auch schon andere Kollaborationen zwischen Magic und Franchises beigetragen, unter anderem mit Dungeons & Dragons, The Walking Dead, Stranger Things, Warhammer und Fortnite.
Dank Herr der Ringe zum nächsten Rekordjahr?
Dieses Wachstum dürfte sich auch im laufenden Jahr so fortführen. Für das erste Quartal vermeldete Hasbro für Magic bereits ein Plus um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Und dann wäre da ja noch die besagte Kollaboration. „Jetzt kommen Herr-der-Ringe-Fans. Wir wissen, dass das eine Marke ist, mit der sich kaufstarke Altersgruppen identifizieren. Und viele Fans sind bereit, eine Menge Geld dafür auszugeben“, sagt Jamin Kauf. Er ist Social Media Specialist bei Cardmarket, einer Sekundärhandelsplattform für Sammelkartenspiele und nach eigenen Angaben der größte Marktplatz dieser Art in Europa.
Die Kollaboration selber hätte vermutlich gereicht, um für enorme Aufmerksamkeit, Begehrlichkeiten und Verkaufszahlen zu sorgen. Die Ankündigung, mit einer besonderen Version einer Ring-Karte ein Unikat auf den Markt zu bringen, dürfte den Hype dann aber noch einmal um ein Vielfaches anheizen. Auf der offiziellen Webseite heißt es: „Nur ein einziger englischsprachiger Der Herr der Ringe: Geschichten aus Mittelerde™ Sammler-Booster auf der ganzen Welt enthält die Karte The 1 of 1 Ring (mit Seriennummer 001 von 001). Und warum sollte es nicht deiner sein?“.
„Eine Karte, sie alle zu knechten“
„Wohin das mit Blick auf die Ring-Karte führt, kann niemand abschätzen“, sagt Jamin Kauf. Denn zum klassischen Media-Wert einer solchen Aktion – Berichterstattung, Kommentare auf Social Media, Austausch innerhalb der Community – kommt der in diesem Fall vermutlich sehr hohe Wert auf dem Sekundärmarkt und die damit viel größere Aufmerksamkeit noch hinzu. Und so viel steht fest: Der offizielle Wert von ein paar Dollar, die die Karte als Teil einer Sammler-Booster-Packung eigentlich hat, wird um ein vielfaches übertroffen werden.
„Normalerweise steigen Kartenpreise immer dann, wenn sie durch ihren Wert im Spiel beliebt werden. Und sie sinken, wenn der Wert im Spiel sinkt oder eine neue Auflage der Karte gedruckt wird“, erklärt Jamin Kauf den Markt für Sammelkartenspiele. Insgesamt sei dieser Markt sehr ineffizient. Die Ringe-Karte werde diese normalen Mechanismen jetzt außer Kraft setzen. „Es gibt nur die eine Karte und damit quasi kein Angebot. Die Nachfrage entsteht hier auch nicht durch Spielende, sondern ausschließlich durch Sammler“, so Kauf.Wird der Eine Ring die teuerste Sammelkarte aller Zeiten?
Obwohl es den Fall, dass ein Sammelkartenspiel eine Karte zum Launch als Unikat auf den Markt bringt, so bisher noch nicht gegeben hat, lassen sich extrem rare Karten, die für teilweise sehr viel Geld verkauft wurden, als Vergleich heranziehen. „Man kann sich Karten mit einem ähnlichen Angebot anschauen“, erklärt Jamin Kauf. „Also einem Angebot, was gegen null geht.“
In der Magic-Community gilt der sogenannte „Black Lotus“ als eine der seltensten und teuersten Karten. Im März dieses Jahres soll ein vom Illustrator unterschriebenes Exemplar für 540.000 US-Dollar verkauft worden sein. Für etwas weniger ging vor wenigen Wochen die bisher teuerste Karte aus dem Yu-Gi-Oh!-Universum über die Ladentheken. Für rund 330.000 US-Dollar wurde „Tyler the Great Warrior“ auf Ebay versteigert. Vor fast 20 Jahren war die in einer Aktion zwischen Konami und der Make-a-Wish-Foundation entstanden – auf den Wunsch des damals krebskranken Jungen Tyler, der sie jetzt auch verkauft hat.
Den unangefochtenen ersten Platz nimmt das „Illustrator Pikachu“ ein. „2022 wechselte die für angeblich 5,275 Millionen US-Dollar den Besitzer. Das ist damit die teuerste TCG-Einzelkarte, die je verkauft wurde“, sagt Experte Kauf. Ursprünglich kaufen konnte man diese Karte nie, sie war ein Gewinn eines Pokémon-Fan-Wettbewerbs. Bezahlt haben soll den exorbitanten Preis übrigens der umstrittene Youtuber, Wrestler und Gründer des Getränks „Prime“ Logan Paul.
Die Jagd nach dem Ring beginnt
Trotz dieser Beispiele fällt es schwer, echte Rückschlüsse auf den möglichen Wert der Ring-Karte zu ziehen. „Ein sehr wichtiger Faktor war bei hohen Preisen immer auch Nostalgie“, stellt Jamin Kauf fest. „Die Frage ist also: Wird jemand bereit sein, für eine Karte, die heute gedruckt und künstlich reduziert wird, so hohe Preise zu zahlen?“. Und er stellt noch eine, gerade mit Blick auf Nostalgie als Faktor entscheidende Frage: „Wer garantiert, dass es bei der einen Karte bleibt?“.
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Selbst, wenn es bei der einen Karte „The 1 of 1 Ring“ mit der Seriennummer 001 von 001 bleibt, fehlt ihr doch die Geschichte, die alle anderen teuren Karten so besonders macht. Und es gibt noch ein Problem. Vielleicht. Denn wie kann Wizards garantieren, dass die eine Karte auch wirklich gefunden wird und nicht unerkannt in einer Schublade, auf einem Dachboden oder sogar im Müll landet? „Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Es gibt keine genau vergleichbaren Beispiele, sowas gab es einfach noch nicht“, sagt Kauf.
Auch wenn die Legacy der Ring-Karte eher konstruiert ist – die ersten hohen Gebote sind bereits im Umlauf. „Nach der ersten Ankündigung vor einigen Monaten fing es mit 10.000 US-Dollar an. Inzwischen gibt es aber deutlich höhere Gebote“, erklärt Jamin Kauf. So hat der US-Footballer Cassius Marsh sein Angebot erst vor wenigen Tagen auf eine halbe Million US-Dollar erhöht. Ein Kartenladen aus Spanien würde laut Instagram für 200.000 Euro zuschlagen. Ein Sammler hatte in einer Facebook-Gruppe zuvor 100.000 US-Dollar geboten. Das höchste bisher bekannte Gebot in Höhe von einer Million US-Dollar stammt vom US-amerikanischen Sammelkarten-Shop „Dave & Adams“. Bei einem solchen kommerziellen Interesse schon vor der Veröffentlichung gleicht die Suche nach der einen Ring-Karte fast schon an Glücksspiel. Jamin Kauf hat für den Marketing-Kniff einen noch passenderen Vergleich: „Das erinnert schon sehr an das goldene Ticket zur Schokoladenfabrik.“