10 Millionen Dollar für 17,5 Milliarden Views: Global zehntgrößter Youtube-Kanal verkauft

Torben Lux24.9.2018

Ein Paar aus Großbritannien hatte "Little Baby Bum" mit animierten Videos für Kinder erfolgreich gemacht

Little Baby Bum Youtube Kanal verkauft OMR
Die "Kinderlieder-Freunde": Charaktere des Youtube-Kanals "Little Baby Bum", der kürzlich für zehn Millionen US-Dollar verkauft wurde.
Inhalt
  1. Das Unternehmen hinter „Little Baby Bum“ wechselt den Besitzer
  2. E-Commerce: Puppen, Bücher und weiteres Merchandising
  3. Wer kauft einen der weltweit größten Youtube-Kanäle? Und wozu?
  4. Trotz Milliarden Views: Wie steht es wirklich um „Little Baby Bum“?
  5. Allgemeine Vermarktungsprobleme von Content für Kinder auf Youtube

Mit über 17,5 Milliarden Aufrufen steht der Youtube-Kanal „Little Baby Bum“ weltweit an zehnter Stelle, auch die knapp 16,5 Millionen Abonnenten können sich sehen lassen. Trotzdem haben sich die Macher, ein Paar aus Großbritannien, jetzt entschieden, den Channel mit den animierten Videos für Kinder zu verkaufen – für kolportierte zehn Millionen US-Dollar. OMR wirft einen Blick auf den Deal, die Käufer und bewertet, ob das der Anfang vom Ende eines Boom-Geschäfts sein könnte.

Glitzer der Stern, Bää Bää das Schaf und Incy die Spinne sind alle Mitglieder der „Kinderlieder-Freunde“ und damit Protagonisten des Youtube-Channels „Little Baby Bum“. In einer animierten Comic-Welt singt die Truppe Kinderlieder und Reime. Zielgruppe der häufig bis zu einer Stunde langen Videos: Babys und Kleinkinder. Gegründet hatte den Kanal im Juni 2011 das Londoner Ehepaar Cannis und Derek Holder. 

Ziemlich genau sieben Jahre später haben die Holders „Little Baby Bum“ verkauft. Laut Bloomberg und dem Gründer der Influencer-Marketing-Agentur The Goat Agency Harry Hugo habe der neue Besitzer, die Agentur „Moonbug“, zwischen sechs und 8,5 Millionen Pfund gezahlt. Das wären umgerechnet zwischen 7,88 und 11,17 Millionen US-Dollar. Damit gehören dem neuen Eigentümer nicht nur der nach Views zehntgrößte Youtube-Kanal der Welt – „Little Baby Bum“ wurde erst kürzlich von „ABS-CBN Entertainment“ überholt und von Platz neun verdrängt –, sondern zusätzlich zahlreiche weitere Channels in verschiedenen Sprachen.

Das Unternehmen hinter „Little Baby Bum“ wechselt den Besitzer

Denn Bestandteil des Deals zwischen Moonbug und dem Ehepaar Hodler ist nicht ausschließlich der Hauptkanal „Little Baby Bum“. Die Käufer haben alle Anteile des Unternehmens hinter dem Kinder-Content übernommen und sind bereits seit dem 10. Juli 2018 die neuen Geschäftsführer der El Bebe Productions Limited. Zum Paket gehören neben dem Zugpferd mit 17,5 Milliarden Views und 16,5 Millionen Abos unter anderem noch folgende Ableger:

Die Übersicht der über 20 Youtube-Kanäle aus dem „Little Baby Bum“-Universum.

Insgesamt kommen die Kanäle aus dem „Little Baby Bum“-Netzwerk auf über 22 Milliarden Views und über 25 Millionen Subscriber. Und auch das ist noch nicht alles. Seit 2018 stehen auf Spotify rund 40 Alben mit Kinderliedern- und Reimen aus den Youtube-Videos zur Verfügung. Pro Monat kommt der Künstler-Account auf knapp 50.000 Hörer. Auf Netflix sind drei jeweils 60 Minuten lange Folgen einer Mini-Serie sowie vier 30 Minuten lange Folgen einer Lernlieder-Reihe streambar.

E-Commerce: Puppen, Bücher und weiteres Merchandising

Ein weiteres Standbein der „Little Baby Bum“-Brand, sind eigene Produkte wie singende Plüschtiere, Musik-Bücher oder DVDs. Der Vertrieb läuft entweder über den Shop auf der eigenen Webseite, Amazon oder Händler wie Smyths und Commonwealth. 

Insgesamt scheint das Business mit den Kinderliedern- und Reimen durchaus lukrativ zu sein. Ein Blick auf die veröffentlichten Bilanzen des Unternehmens zeigt beispielsweise die Entwicklung der „Total Assets Less Current Liabilities“, also der Vermögenswerte nach Abzug der Verbindlichkeiten. Während dieser Wert 2014 noch bei knapp 2.000 Pfund lag, stieg er 2015 bereits auf 860.000 Pfund, 2016 auf 2,8 Millionen Pfund und 2017 auf fast acht Millionen Pfund – ein Wachstum von zuletzt rund 280 Prozent. 

Wer kauft einen der weltweit größten Youtube-Kanäle? Und wozu?

Hinter dem neuen Besitzer, der Agentur „Moonbug“, stecken drei Branchenkenner, die seit dem 10. Juli alle die Position des „Directors“ innehaben. Rene Rechtmann war einige Jahre bei Maker Studios und bis zuletzt bei The Walt Disney Company. Alfred Chubb und John Robson sind beide bei Wildbrain tätig, einer Tochterfirma des kanadischen Medienkonzerns DHX Media. DHX soll der größte unabhängige Anbieter von Kinder-Fernsehformaten sein.

Laut Bloomberg will das neue Besitzer-Trio die Brand „Little Baby Bum“ ins klassische Fernsehen bringen und rund um die bestehenden Charaktere neue Youtube-Formate entwickeln. Außerdem wollen die Käufer demnach statt zwei vier bis fünf Videos pro Woche auf dem Kanal veröffentlichen. Ein pikantes Detail des Deals: Das Gründerpaar soll sich im Zuge des Verkaufs bereit erklärt haben, in Zukunft keinen Content für Kinder mehr zu produzieren.

Trotz Milliarden Views: Wie steht es wirklich um „Little Baby Bum“?

Die Zahlen des Youtube-Kanals „Little Baby Bum“ sind ohne Zweifel beeindruckend. Alleine das erfolgreichste Video des Channels kommt auf über 2,1 Milliarden Views. Dennoch scheint auch dieses Projekt mit verschiedenen Änderungen an Youtubes Algorithmus zu kämpfen zu haben. Zwar erscheinen wie geplant seit dem Deal deutlich mehr neue Videos pro Woche, die echten View-Erfolge feiern laut Christoph Burseg von Veescore aber weiterhin ältere Inhalte: „Von den meistgeguckten Videos der vergangenen sieben Tage ist der Großteil einige Jahre alt.“ 92 Prozent aller Abrufe würden demnach durch alte Inhalte generiert. 

Die Performance des Youtube-Kanals „Little Baby Bum“ laut Veescore.

Und es gebe noch weitere Probleme bei „Little Baby Bum“. Zwar sehe im absoluten Wachstum, sowohl bei Subscribern, als auch bei Views, alles sehr ordentlich aus. „Schaut man dann allerdings auf die wöchentliche Entwicklung, erkennt man kein Wachstum mehr, teilweise sinken die Abrufzahlen sogar“, so Burseg. Das sei, besonders bei einem erhöhten Output neuer Videos, ein riesiges Problem. Auch die Interaktionsrate sei bei den Inhalten von „Little Baby Bum“ deutlich geringer als im Durchschnitt. 

Allgemeine Vermarktungsprobleme von Content für Kinder auf Youtube

Obwohl Content für Kinder auf Youtube seit einigen Jahren boomt (unsere ausführliche Analyse zum Trend von 2015), sieht es auf der Vermarktungsseite etwas anders aus. Die Rekord-Reichweiten kommen zustande, weil Eltern ihre Kinder offenbar immer häufiger vor das Smartphone, Tablet oder den Fernseher setzen, um ein Stündchen „ihre Ruhe“ zu haben. Gerade bei Kleinkindern gehören die Geräte natürlich den Eltern – und dem Google-Account werden entsprechende Anzeigen ausgespielt. Dass ein zweijähriges Kleinkind mit einer Werbung für den „Klebenagel“ von Tesa oder das Karrierenetzwerk Xing anzufangen weiß, ist wohl ausgeschlossen. 

„Im Prinzip ist das ein riesiges, verschwiegenes Millionengrab. Dank der enormen Reichweite von Content für Kinder geben Advertiser viel Geld aus für Ads, die eigentlich bei Erwachsenen landen sollen“, sagt Christoph Burseg. Aber auch beim Kanal selber laufe in der Vermarktung nicht alles optimal: „Die Monetarisierung über Adsense wird immer schwieriger. Und dank der geringen Interaktionsraten sind Call-to-Actions auch nahezu ausgeschlossen. Trotzdem ein toller Kanal, wenn auch hinter seinem Zenit“, so Burseg. 

Nachdem Kids-Content und Animationsvideos eine Zeit lang das schnellstwachsende Genre auf Youtube waren, für Milliarden-Reichweiten gesorgt haben und von Google sogar noch gepusht wurden, könnte diese Phase langsam aber sicher ein Ende finden. Zu den sinkenden Reichweiten dürfte auch das Phänomen um merkwürdige, nicht kindgerechte Kindervideos beigetragen haben, das Ende 2017 seinen Höhepunkt fand. Nachdem Google an den Richtlinien geschraubt hatte, wurden teilweise auch eigentlich für Kleinkinder unbedenklich Inhalte von der Monetarisierung ausgeschlossen. 

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Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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