Der Boom "gesunder" Getränkemarken: Warum Olipop, Celsius, Liquid Death & Co. Milliarden wert sind

Martin Gardt16.5.2024

In den USA und Europa haben neue Getränkemarken in kürzester Zeit Millionenumsätze generiert

Celsius, Olipop, Liquid Death
Getränkemarken wie Celsius, Olipop und Liquid Death verzeichnen gerade kräftiges Wachstum. Wir erklären das Phänomen
Inhalt
  1. Tschüss Performance. Hallo Brand.
  2. Über eine Milliarde wert
  3. Selbst Tote stehen wieder auf
  4. Da kommen noch mehr

Die Marken heißen Celsius, Olipop, Liquid Death oder Not Beer. Neben der gemeinsamen Produktkategorie (alkoholfreie Getränke) eint sie der derzeitige Appetit von Investor*innen. Sogenannte funktionale Getränkemarken, die sich als "gesunde Durstlöscher" positionieren, sammeln derzeit Millionen ein, setzen Millionen um und werden mit Milliarden bewertet. Warum funktioniert das Geschäftsmodell auch in angespannten Zeiten so gut?

Die US-Getränkemarke Olipop fällt auf. Die Erfrischungsgetränke kommen in bunten Dosen daher, das Logo und die Grafiken auf den Dosen wirken Vintage, erinnern an die 50er Jahre. Und gerade hat die Brand auch eine Barbie-Edition herausgebracht – Peaches & Cream. Beeindruckender als das spielerische Design sind aber die Umsatzzahlen: Olipop will 2024 einen Umsatz von 400 Millionen US-Dollar machen – nach 250 Millionen im vergangenen Jahr. Die Dosen stehen nach Angaben von Gründer Ben Goodwin bei 25.000 Supermärkten im Regal und Promis wie Gwyneth Paltrow werben immer wieder für die Limonaden.

Paltrow und z.B. die Jonas Brothers sind aber nicht nur Fans der Marke, sondern neben großen Food-Investoren (wie beispielsweise der auch an Athletic Greens beteiligten Boulder Food Group) selbst in das Unternehmen investiert. Jetzt sucht Olipop aber laut The Information zu einer Bewertung von 800 Millionen US-Dollar nach frischem Geld. Bei der letzten Investitionsrunde soll Olipop noch bei 200 Millionen Dollar bewertet worden sein. Es geht derzeit offenbar rasant bergauf bei Olipop – und auch bei anderen neuen Getränkemarken.

Tschüss Performance. Hallo Brand.

In den USA sind die Verkaufszahlen von nicht alkoholischen Getränken um 30 Prozent gestiegen – allein im vergangenen Jahr. Kein Wunder, dass Investor*innen offenbar auf den Geschmack gekommen sind, was funktionale Getränkemarken angeht. Darunter versteht man Energy Drinks, Sportgetränke, alles ohne Alkohol. Auch Olipop schreibt auf seine Dosen: "Supports Digestive Health" (unterstützt eine gesunde Verdauung). Neben jungen Beauty-Marken schaffen es solche Brands gerade, gegen den allgemeinen Wirtschaftstrend zu wachsen. Beide Branchen eint ihre Marketing- und Vertriebsstrategie. Sie bauen sich eine Community auf den großen Social-Plattformen auf, engagieren oft Influencer*innen und Stars und verkaufen dann aber bei den großen Supermarkt- und Drogerieketten.

Diese Entwicklung zeigt auch, dass der noch vor wenigen Jahren grassierende Direct-to-Consumer-Hype stark abgekühlt ist: Das klassische DTC-Modell von Warby Parker oder Allbirds – Performance-Ads, um direkt im Netz zu verkaufen – funktioniert heute nur noch mit geringen Margen, weil die Customer Acquisition Costs (CAC) auf den Plattformen seit Mitte der 2010er extrem gestiegen sind. Die neuen Konsumgüter-Startups setzen mehr auf Markenwerbung und wollen ihre physischen Produkte überall käuflich verfügbar machen. Olipop setzt zum Beispiel fast ausschließlich auf Influencer Marketing, TV- und Out-Of-Home-Werbung und pusht so die Brand. Gekauft werden soll dann im Supermarkt.

Über eine Milliarde wert

Medienberichten zufolge ist Olipop derzeit profitabel, braucht aber frisches Geld, um weiter so schnell wie bisher wachsen zu können. Derzeit gibt es 17 Geschmacksrichtungen – von klassischer Cola über Orange und Lemon bis hin zu Banana Cream und Tropical Punch. Mit deutlich weniger Geschmäckern, dafür noch einmal wertvoller kommt Liquid Death daher. Das US-Unternehmen verkauft Sprudelwasser in Bierdosen und machte damit schon 2022 einen Umsatz von 130 Millionen US-Dollar bei einer Bewertung von 700 Millionen Dollar. Nach einer aktuellen Finanzierungsrunde wird Liquid Death jetzt angeblich bereits mit 1,4 Milliarden Dollar bewertet.

Wir hatten schon 2022 die Erfolgsstrategien der Marke ausführlich thematisiert. Die Kurzfassung: Das Unternehmen nutzt die ironische Überhöhung von Wasser als "Liquid Death" auch auf Social Media super effektiv und ordnet hier alles dem Slogan "Murder your thirst" ("Ermorde deinen Durst") unter. Da werden in Trickfilm-Werbespots auch mal Wassertrinkende vom Maskottchen "The Executioner" hingerichtet – alles natürlich mit einem Augenzwinkern und komplett übertrieben. Der punkige Ansatz kommt auf Tiktok und Instagram extrem gut an. Auf Tiktok folgen Liquid Death über 5,3 Millionen Menschen auf Instagram sind es 3,3 Millionen.

Damit zeigt die Marke, was auf dem Markt derzeit möglich ist: Das starke Branding funktioniert fast ohne weitere Marketing-Dollar und verkauft wird in Tausenden Supermärkten, zu einer hohen Marge – es ist und beibt schließlich Wasser in Dosen. Zu den aktuellen Investor*innen, die an das Konzept glauben, gehören neben Promis wie Schauspieler Josh Brolin oder NFL-Spieler DeAndre Hopkins die Entertainment-Gruppe Live Nation, einer der größten Konzertveranstalter der Welt. Bei vielen Live-Nation-Konzerten ist schon jetzt Liquid Death als Wasserpartner vertreten.

Selbst Tote stehen wieder auf

Liquid Death und Olipop sind aber bei weitem nicht die einzigen Beispiele der aktuellen Erfolgswelle "gesunder" Getränke. Das derzeit wohl größte Momentum der Branche hat Celsius. Die Marke ist schon seit 2004 auf dem Markt, fristete aber über ein Jahrzehnt ein absolutes Nischendasein im Energy-Drink-Geschäft. Anfangs ist die Firma ständig nahe an der Pleite. Seit 2015 stellt Celsius in der Außendarstellung und im Marketing die Aspekte Gesundheit und Fitness in den Vordergrund, 2017 ging Celsius Holdings an die Börse – und seit 2021 explodieren die Zahlen. Nach 300 Millionen Dollar Jahresumsatz Anfang der 2020er Jahre über 650 Millionen in 2022, wuchs der Umsatz 2023 auf 1,3 Milliarden US-Dollar.

"Die Celsius-Marke und ihre Produkte wurden im Fitnessstudio geboren und wir haben weiter unsere Wurzeln in dem Bereich, sagt Celsius-CEO John Fieldly. "Ich glaube, dass deshalb so viele Konsument*innen unsere Marke mögen. Sie sehen, dass wir authentisch sind und die Fitness-Lifestyle-Kultur weiter unterstützen." Ein Teil des Wachstums lässt sich sicher mit einer wachsenden Zahl an Menschen erklären, die stärker auf ihre Fitness achten. Vele Käufer*innen dürfte Celsius kaufen, weil sie damit das Gefühl haben, eine gesündere Alternative zu anderen Energy Drinks zu trinken.

Auch Celsius stärkt seine Marke digital vor allem über Sponsorings und Influencer-Deals. Das Unternehmen unterstützt das Formel-1-Team von Ferrari, hatte auf dem Coachella-Festival einen eigenen Party-Bereich mit jeder Menge Promis und ist Partner von Fußballern, Eishockey-Spielern und Extremsportler*innen. Das alles erinnert – wenn auch in einem kleineren Rahmen – an die Strategien von Red Bull. Der viel größere Konkurrent setzt seit Jahren auf riesige Deals im Sport.

Da kommen noch mehr

Die Verkaufszahlen solcher neuen funktionalen Getränkemarken sorgen jetzt nicht mehr nur für Begehrlichkeiten bei Investor*innen. Die großen Konzerne könnten für eine Konsolidierung sorgen. Bereits 2022 investierte Pepsi 550 Millionen US-Dollar für 8,5 Prozent der Anteile in Celsius. Zwei Jahre zuvor hatte das Unternehmen schon Rockstar Energy für über 3,8 Milliarden US-Dollar gekauft. Und auch Coca Cola hat in dem Bereich investiert und etwa Vitaminwater bereits 2007 für 4,1 Milliarden US-Dollar übernommen. Allein diese beiden Player dürften die jungen Durchstarter sehr genau im Blick behalten.

Gleichzeitig stehen weitere Marken bereits in den Startlöchern. In den USA will zum Beispiel "Not Beer" vom Liquid-Death-Trend profitieren und verkauft Wasser in Dosen, die endgültig an Biere etwa von Budweiser erinnern. Das Unternehmen hat schon vor dem Start 1,9 Millionen US-Dollar von Angel Investor*innen eingesammelt.

Und auch in Deutschland sind junge Getränke- und Food-Marken auf dem Vormarsch; hier noch viel stärker direkt von Influencer*innen getrieben, die für Eistees, Pizzen, Matcha-Tees mit ihrem Name nwerben. Angefangen vor ein paar Jahren mit Bratee (von Capital Bra), funktionieren diese Brands wie die US-Beispiele. Die Influencer*innen laden die Marke kräftig auf – verkauft wird aber bei den großen Lebensmitteleinzelhändlern. Hinter Bratee oder auch dem Vitaminwasser Vitavate der drei Creator Elias Nerlich, Sidney Eweka und Niklas-Wilson Sommer steckt als Partner der Stuttgarter Getränkehersteller Unibev. Die Co-Gründer Fabian Huber und Patrick Dietz haben auf dem OMR Festival 2024 genau erzählt, wie das Geschäft gerade funktioniert.

Die Entwicklung rund um die von den beiden US-Youtubern Logan Paul und KSI aufgebaute Getränkemarke Prime Hydration deutet jedoch an, dass es schwer sein kann, einen mit Hilfe von Influencern kreierten Hype dauerhaft am Leben zu halten. Während das Produkt am Anfang so gefragt war, dass manche Menschen einzelne Flaschen für drei oder sogar vierstellige Beträge weiterverkauften, soll laut Daten aus Großbritannien die Verkäufe Prime Hydration im Jahr 2024 um 50 Prozent eingebrochen sein.

Liquid DeathGetränke
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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