Das Anti-Twitch: Wie Kick.com mit hohen Provisionen und wenig Regeln um User buhlt
Die junge Streaming-Plattform setzt auf Glücksspiel – und wird vom Stake.com-Gründer finanziert
- Twitch befeuert indirekt den Wettbewerb
- Streaming als wichtigster Marketing-Kanal für Gambling?
- Schnelles Wachstum, große Namen – und viel Geld
- Welche Rolle spielt Stake.com?
Mitte Oktober vergangenen Jahres traten bei Twitch neue Glücksspielrichtlinien in Kraft. Seitdem ist alles etwas strenger: Streamer*innen dürfen Casino-Seiten nicht mehr verlinken oder mit Promo-Codes werben, einige große Seiten wie Stake.com wurden komplett verboten. Nur wenige Wochen später ging mit Kick.com eine neue Streaming-Plattform live, die mehr Freiheiten sowie höhere Provisionen verspricht. OMR erklärt, mit welchen Mitteln Kick.com aktuell um prominente Streamer*innen buhlt und weshalb man die Plattform in erster Linie als Marketingkanal für Stake.com bezeichnen kann.
Slots, Gambling, Casino – egal, unter welchem Namen oder welcher Kategorie, Glücksspiel ist ein Milliarden-Business und extrem beliebt. So beliebt, dass Streams und Videos, in denen junge Menschen anderen jungen Menschen dabei zuschauen, wie sie um viel Geld spielen, enorme Reichweiten erzielen. Auch einige der heute größten deutschen Streamer wie Knossi und Montana Black haben vor allem in ihrer Anfangsphase große Aufmerksamkeit mit Casino-Streams erzielt.
Während die eine Seite Gambling-Content feiert, wird er von der anderen scharf kritisiert. Insbesondere junge Menschen seien hier leicht empfänglich und würden schnell dazu verführt, selber mit Geld in Online-Casinos zu spielen, sagen Kritiker*innen. Die möglichen Negativfolgen: finanzielle Probleme, Spielsucht.
Twitch befeuert indirekt den Wettbewerb
Im Herbst 2022 hat der Marktführer unter den Streaming-Plattformen reagiert. Das 2014 von Amazon übernommene Twitch verschärfte seine Richtlinien hinsichtlich Casino- und Glücksspielstreams deutlich. Keine Verlinkungen zu entsprechenden Seiten mehr, keine Promotion- und Rabatt-Codes mehr, es darf nur noch von Seiten mit ausreichend Verbraucherschutz und Einzahlungslimits gestreamt werden. Zwar wurden die neuen Regeln von einigen eher belächelt, vier Casino-Seiten wurden allerdings sogar komplett gesperrt – unter anderem Stake.com.
Das 2017 gegründete Krypto-Casino, bei dem Spielende nicht mit Euro oder Dollar sondern beispielsweise Bitcoin setzen, gilt als eines der größten und vor allem bekanntesten seiner Art. Das Unternehmen ist offizieller Wettpartner der Kampfsport-Organisation UFC, Hauptpartner sind der Premiere-League-Club Everton FC und der englische Zweitliga-Club FC Watford, Rap-Star Drake ist Testimonial und im Videospiel GTA Online gibt es ein von Stake.com gebrandetes Online-Casino.
Streaming als wichtigster Marketing-Kanal für Gambling?
Bereits rund zwei Monate nachdem Twitch durch das Verbot nicht mehr als Marketing-Kanal für Stake.com in Frage kommt, geht mit Kick.com eine Alternative live. Zu sagen, dass Kicks Startseite der von Twitch ähnelt, wäre untertrieben. Außer einer anderen CI – Kick tritt in neongrün auf, Twitch in lila – sind Aufbau und Funktionen der beiden Seiten nahezu identisch: am linken Rand werden Kanäle empfohlen, in der Mitte Streams prominent hervorgehoben, weiter unten sind die unterschiedlichen Kategorien aufgeführt.
Oben die Startseite von Twitch.tv, unten die des jungen Konkurrenten Kick.com (Fotos: Screenshots).
Schon direkt zum Start überzeugt Kick.com einen prominenten Twitch-Streamer, das Projekt zu unterstützen. Tyler Faraz Niknam aka Trainwreck übernimmt laut Washington Post eine Beraterrolle. Beteiligt am Unternehmen sei er allerdings nicht. Niknam, dem auf Twitch mehr als zwei Millionen User folgen und der laut eigener Aussage innerhalb von 16 Monaten 360 Millionen US-Dollar nur durch Sponsorings von Gambling-Partnern verdient haben will, hatte kurz zuvor angekündigt, eine eigene Streaming-Plattform bauen zu wollen – damit er weiterhin Glücksspiel-Streams machen kann.
Schnelles Wachstum, große Namen – und viel Geld
Auch mit Hilfe dieser Aufmerksamkeit registrieren sich innerhalb der ersten 24 Stunden nach Start Kick.com zufolge 200.000 User. Nach 69 Tagen sollen es bereits eine Million User gewesen sein. Es folgen weitere prominente und extrem reichweitenstarke Unterstützer: Seitdem Twitch ihn permanent gebannt hat, ist der umstrittene Streamer Adin Ross exklusiv bei Kick.com unterwegs, Only-Fans-Promi Corinna Kopf (fast sieben Millionen Abos auf Instagram) fährt noch zweigleisig.
Dass Brand Safety für Kick.com bisher kein Thema zu sein scheint – es ist deutlich mehr erlaubt als bei Twitch – ist nur eines der Argumente, mit dem die junge Plattform Streamer*innen zu überzeugen scheint. Zusätzlich geht das Unternehmen auch bei der Bezahlung von Creatorn einen anderen Weg als der Marktführer von Amazon. Während Twitch ebenfalls im vergangenen Jahr die Auszahlungen angepasst hatte (ab 100.000 US-Dollar Umsatz im Jahr sollten Streamer 50 Prozent statt wie bisher 30 Prozent an die Plattform abgeben), kommuniziert Kick.com von Anfang an eine klare und vor für alle gültige Aufteilung: fünf Prozent an die Plattform, 95 Prozent an die Streamer. Das schien zuletzt auch einen der erfolgreichsten Twitch-Streamer und zeitgleich Twitch-Kritiker, Asmongold, zu beeindrucken.
Welche Rolle spielt Stake.com?
Weil es bisher keine öffentlichen Angaben dazu gibt, welche Geldgeber hinter Kick.com stecken, stand am Anfang in erster Linie das Gerücht im Raum, Stake.com selber hätte, nach dem Verbot von Twitch, kurzerhand eine eigene Streaming-Plattform aus dem Boden gestampft. Anzeichen dafür gibt es bis heute. Eine Nähe ist nicht von der Hand zu weisen. So tritt Ed Craven, einer der Gründer des Online -Casinos Stake, ebenfalls als Co-Gründer von Kick.com auf. Kick.com dementierte früh ein direktes Investment seitens Stake.com, besagter Ed Craven sei lediglich persönlich investiert. Beide Unternehmen sind außerdem Partner beim Formel-1-Team von Alfa Romeo.
Trotz all der Aufmerksamkeit, beachtlichem Wachstum und der Nähe zu Stake sind die Kick-Reichweiten im Vergleich zum Giganten Twitch immer noch winzig. Knapp 30 Millionen Visits hat die Seite im Februar laut Statistikdienst Similarweb erreichen können; bei Twitch waren es im selben Zeitraum rund eine Milliarde. Co-Gründer Ed Craven spricht derweil von 1.000 Stellen im Bereich Support, die mittelfristig besetzt werden sollen. Und an diesem Wochenende soll dann mit dem Launch der Kick-App (bisher ist die Plattform nur über den normalen Webbrowser erreichbar) ein weiterer Schritt in der Aufholjagd auf Twitch getan werden. Ob die Strategie aufgeht, darf bezweifelt werden. Trotz der wachsenden Kritik an Twitch – so richtig lange konnte sich bisher noch kein Konkurrent halten.