Hype um Stapelsteine: Dieses Startup verzichtet auf Kindergesichter in der Werbung
Das Startup aus Waiblingen wächst rasant – trotz ungewöhnlicher Marketing-Strategie.
- Mikro-Influencer:innen werben für Stapelsteine
- „In der Online-Welt passt nicht alles mit unseren Werten zusammen“
- Internationale Expansion mit einem deutschen Namen
Das Startup Joboo hat mit seinen bunten Stapelsteinen einen kleinen Hype ausgelöst – und das ohne Marketing-Budget. Der Stapelsteine-Umsatz ist speziell während der vergangenen drei Jahre rasant gewachsen. Und das, obwohl das Gründerteam in der Werbung inzwischen ungewöhnliche Wege geht.
Die wenigsten Deutschen dürften Michael Baumer oder Josh Bateson kennen. Ihre Gesichter hingegen schon. Baumers Gesicht zierte mehr als 30 Jahre lang die Packungen des Zwieback-Herstellers Brandt, Bateson wiederum grinste Kunden beim Kauf einer Kinder-Schokolade von Ferrero entgegen. Ihr Lächeln soll Sympathie für die Marken wecken, Vertrauen stiften, am Ende natürlich auch zum Kauf anregen. Die beiden Gesichter sind inzwischen so bekannt, dass sogar große Medien darüber berichten, wenn sie ausgetauscht werden sollen.
So weit soll es bei Joboo niemals kommen. Obwohl das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Waiblingen mit seinen „Stapelsteinen“ ein echtes Kult-Produkt verkauft, verzichtet es in der Werbung und bei Beiträgen in sozialen Netzwerken komplett auf das Zeigen von Kindergesichtern – aus Überzeugung. „Die Qualität des Produkts muss für sich sprechen – da braucht es keine Kindergesichter im Marketing, um das Produkt aufzuwerten“, sagt Gründer Stephan Schenk: „Die Kinder werden in einem Alter vor die Linse gestellt, in dem sie die Entscheidung gar nicht selbst überblicken können.“
Mikro-Influencer:innen werben für Stapelsteine
Stephan Schenk hat 2015 mit der Entwicklung der Stapelsteine begonnen, die ein wenig an eine Salatschüssel erinnern. Er will damals ein Produkt entwickeln, dass Kinder animiert, sich mehr zu bewegen und kreativ zu spielen. Entstanden sind die bunten, 180 Gramm schweren Kunststoff-Steine, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen – obwohl die Stapelsteine alles andere als günstig sind (acht Stück kosten rund 200 Euro). Das Unternehmen wächst dadurch rasant. Liegt der Umsatz 2019 noch bei rund 500.000 Euro, sind es im vergangenen Jahr bereits rund 6,3 Millionen Euro.
Auf Ausgaben für Werbung verzichten Stephan Schenk und seine Partnerin Hannah König dabei fast vollständig. Erst seit April 2022 gibt es bei dem Unternehmen aus Waiblingen überhaupt ein Budget für Marketing. Stattdessen baut Hannah König, die 2018 Vollzeit in das Stapelstein-Geschäft eingestiegen ist, unter anderem ein Netzwerk von mehr als 100 Micro-Influencer:innen auf. „Wir haben die Kommunikation konsequent in den digitalen Raum verlagert und die Menschen einfach über unser Produkt sprechen lassen“, sagt sie.
„In der Online-Welt passt nicht alles mit unseren Werten zusammen“
Doch je erfolgreicher sie werden und je mehr Nachfrage es nach den Stapelsteinen gibt, umso mehr hinterfragen die beiden auch ihr eigenes Handeln. „In der Online-Welt passt nicht alles mit unseren Werten zusammen“, gibt Hannah König zu. Sie entwickeln daher einen Leitfaden und passen nach und nach ihr eigenes Verhalten an. „Seitdem sind wir sehr konsequent“, sagt Hannah König: „Wir möchten zum Beispiel nicht, dass die Gesichter von Kindern gezeigt werden. Man kann Emotionen auch ohne die Gesichter ausdrücken.“
Dabei bleiben die beiden selbst dann ihrer Überzeugung treu, wenn es potenziell Nachteile für das eigene Geschäft hat. So gab es mal die Anfrage einer reichweitenstarken Influencerin und Ehefrau eines Fußball-Weltmeisters von 2014. Sie will mit dem Stapelsteine-Team kooperieren. In ihrem Instagram-Profil zeigt sie allerdings auch immer wieder Bilder ihres Kindes, bei denen man das Gesicht erkennt. Selbst ein Bild als Säugling wurde mit einer Werbung für Windeln von Pampers verknüpft. Hannah König und Stephan Schenk lehnen ab. Umgekehrt habe es auch Anfragen von Influencer:innen gegeben, sagt Hannah König, denen man zunächst abgesagt habe – und die daraufhin ihr Profil überarbeitet hätten. „Es freut uns natürlich, wenn wir ein Umdenken bewirken können“, sagt sie.
Internationale Expansion mit einem deutschen Namen
Absehbar war diese Entwicklung für die beiden nicht. Im Gegenteil. Speziell der Start gestaltet sich vergleichsweise zäh. Denn Stephan Schenk versucht zunächst, die Stapelsteine an Schulen und Kindertagesstätten zu verkaufen. Die bunten Steine sind aus seiner Sicht ideal für Bewegungsspiele. Doch obwohl man beim Besuch von Schul-Turnhallen angesichts von braunen, lederbezogenen Holzkästen und muffigen Medizinbällen häufig das Gefühl hat, in die eigene Jugend zu reisen, hält sich die Begeisterung bei den zuständigen Kommunen zunächst in Grenzen. „Viele Ämter sind sehr konventionell und träge“, sagt Stephan Schenk: „Es gibt oft seit Jahrzehnten dieselben Vertriebskanäle und Produkte. Wirkliche Innovation gibt es durch die Entscheidungsstrukturen nur selten.“ Inzwischen spendet Joboo regelmäßig Stapelsteine an Bildungseinrichtungen. Mehr als 12.000 sind es bislang.
Das Gründer-Paar will mit dem Konzept in Zukunft auch stärker im Ausland wachsen. Bislang sind die Stapelsteine, von denen fast eine Million inzwischen verkauft wurden, in Europa erhältlich. Aber natürlich sei man auch an Märkten wie den USA oder Asien dran, sagt Stephan Schenk. Damit wäre Joboo nach den Tonieboxen ein weiterer deutscher Spielzeug-Export der vergangenen Jahre (hier geht es zum OMR Podcast mit den Tonieboxen-Gründern). Der deutsche Name „Stapelstein“ ist dabei aus seiner Sicht kein Wachstumsproblem. „Ein Freund von mir hat mal gesagt, der Name Stapelsteine gehe gar nicht, wenn wir internationalisieren wollen. Wir sollten uns lieber umbenennen in Stacki oder so“, sagt Stephan Schenk: „Birkenstock oder Schwarzkopf haben es auch geschafft, mit einem deutschen Markennamen international erfolgreich zu sein. Warum sollte uns das nicht auch gelingen?“