Wie dieser extrem aggressive Facebooker seine riesige Reichweite für einen massiven App-Hit nutzt

Martin Gardt5.9.2016

So hat Fortafy mehr als 120 Millionen Color Switch-Downloads generiert

Fortafy
Fortafy baut aus seiner Social-Media-Bekanntheit ein App-Business auf
Inhalt
  1. Erster Viralerfolg mit Brief an die Mama
  2. Virale Videos und Sponsored Posts
  3. Das eigene Business pushen
  4. Treue Nutzer gewinnen und halten

Während andere App-Entwickler sich das Hirn zermartern, wie sie mit ihrem neuen Spiel ein Publikum finden, hat der Viralstar Fortafy das Pferd von hinten aufgezäumt – und einen riesigen Überraschungshit gelandet. Eigentlich wollte er nur mit seiner Facebook-Seite Geld verdienen. Nun ist seine Spiele-App „Color Switch“ mehr als 120 Millionen Mal heruntergeladen worden.

Color Switch

Color Switch

Das Spielprinzip ist denkbar einfach: Der Spieler bewegt einen bunten Kreis durch häufiges Tippen durch einen Parkour aus bunten Kreisen und anderen Hindernissen – und trotzdem ist Color Switch von Fortafy Games eine der erfolgreichsten Spiele-Apps des Jahres. Laut dem Analyse-Tool Priori Data wurde die App seit der Veröffentlichung Ende 2015 über 73 Millionen Mal im Google Play Store und über 47 Millionen Mal in Apples App Store heruntergeladen. Zur erfolgreichsten Zeit im Februar 2016 verzeichnete Color Switch teilweise weit über eine Million Downloads am Tag. Nach langer Zeit in den Top 20 der App Store Charts liegt das Spiel auch fast ein Jahr nach Veröffentlichung noch auf Rang 45 in den US-Charts und Rang 89 in Deutschland. Im letzten Monat erreichte die App zwei Millionen Downloads auf iOS und sechs Millionen auf Android. Mitverantwortlich für den langanhaltenden Erfolg ist nicht nur das süchtig machende Spielprinzip, sondern auch das clevere Social-Marketing von Fortafy.

Die Download-Zahlen von Color-Switch auf iOS – auch im August über zwei Millionen Downloads. (Klick zum Vergrößern) (Quelle: Priori Data)

Erster Viralerfolg mit Brief an die Mama

Fortafy heißt eigentlich Sam Ratumaitavuki, ist Neuseeländer und wohnt mittlerweile in Australien. Eigentlich wollte er Rapper werden, mittlerweile ist er ein ziemlich cleverer Vermarkter seines eigenen Unternehmens. Den Weg zu neun Millionen Facebook-Fans hat Fortafy mit einem Brief an seine Mutter begonnen: „Als ich ein Kind war, ist meine Mutter immer ins Fitnessstudio gegangen. Ich habe ihr einen Brief geschrieben, in dem stand, dass ich weglaufe, wenn sie weiterhin so viel Zeit dort verbringt“, sagt er gegenüber der Daily Mail. Ein Foto des alten Zettels mitsamt Schreibfehlern postet Fortafy im August 2014 bei Facebook und bekommt sofort über 10.000 Likes dafür – seine Lust auf Viralerfolge ist geweckt.

Fortafy Brief

Dieser Brief war der erste Viral-Erfolg von Fortafy

Er merkt, dass lustige Typen gut im Social-Media-Zirkus funktionieren: „Einige Tage nach dem Brief habe ich etwas anderes probiert. Es war die Zeit der ‚Ice Bucket Challenge‘ und es gab viele einzelne Videos da draußen. Ich habe eine Compilation gebaut. Innerhalb weniger Tage hatte das Video 20 Millionen Views“, sagt Fortafy in einem Interview mit der Daily Mail. Mit einem kleinen Team macht er sich dauraufhin daran, sein Ziel von der „größten Seite auf Facebook“ umzusetzen.

Virale Videos und Sponsored Posts

Sein Wachstum schafft Fortafy vor allem durch Videoposts von kurzen Sketchfilmen – die er kurzerhand von Vine- und Facebook-Nutzern klaut. Er nimmt Videoinhalte anderer, setzt sie in einen schwarzen Rahmen und macht daraus durch einen Text auf Facebook zugeschnittene Viral-Videos. „Vom geposteten Content stammen etwa 80 Prozent von Leuten, die uns die Inhalte schicken“, sagt Fortafy zwar. Teilweise seien die Videos aber bereits auf kleineren Facebook-Seiten viral gegangen: „Wenn du jemanden findest, der 500 bis 1.000 Freunde hat und das Video erreicht 50.000 bis 100.000 Views, weißt du, dass es auf der eigenen Plattform durch die Decke geht.“ Copyright-Probleme habe Fortafy nach eigenen Angaben nicht: „Die meisten Leute wollen einfach in der Beschreibung erwähnt werden.“

Wenn er die Videos auf seiner Seite postet, spielen die Viewzahlen noch einmal in einer anderen Liga. Das aktuell oben fixierte Video in seinem Newsfeed kommt auf 41 Millionen Aufrufe, über 270.000 Likes, wurde über 280.000 Mal geteilt und über 130.000 Mal kommentiert. Jedes seiner Videos erreicht innerhalb von 24 Stunden mindestens zwei Millionen Views, seine Facebook-Page wächst pro Monat um etwa 500.000 Fans. Fortafys Kanal hatte bereits 2015 knapp vier Millionen Fans und machte Advertiser auf sich aufmerksam. Zu Beginn verdient er mit Sponsored Posts sein Geld und sagt zu diesem Zeitpunkt: „Ich will so viel monetarisieren wie möglich.“ Doch gegen Ende 2015 ändert er seine Taktik und gründet sein eigenes Unternehmen.

Das eigene Business pushen

Gemeinsam mit Zeb Jaffer baut er Fortafy Games auf. Der Plan: Spiele-Apps entwickeln aber vor allem vermarkten – über die Reichweite von Fortafy. Der Viralstar hatte vorher bereits den Snake-Abklatsch Thug Worm mitentwickelt und vermarktet und war so auf den Geschmack gekommen. Erst danach gründet er Fortafy Games. Die bisher einzige App Color Switch haben allerdings David Reichelt und Aditya Oza von Eyebox Games entwickelt. Das Unternehmen arbeitet auch für einen der größten Game-Publisher Ketchapp. In Sachen Vermarktung setzt Fortafy Games vor allem auf die Social-Media-Expertise des Gründers – und der „opfert“ seinen Facebook-Account komplett der Sache.

Fortafy postet auf seiner Seite zwar immer noch „virale“ Videos, in den meisten kommt jedoch zumindest im Bild die App Color Switch vor. Auch Profil- und Titelbild werben für Color Switch – mobil können Nutzer direkt von Fortafys Facebook-Seite aus per Klick das Spiel starten oder werden in den Appstore geleitet. In den Kommentaren zu den Videos fragt Fortafy seine Fans ständig, ob sie schon den neuen Spiel-Modus ausprobiert haben oder wer seinen Highscore geknackt hat.

Content-seitig hat er sich offenbar ein kleines Kernteam aus Influencern zusammen gestellt, die Sketch-Videos mit Color-Switch-Einbindung drehen. Dazu zählt etwa der Comedian Joe Tasker (über 280.000 Fans), der einen Sketch gedreht hat. Thema: Selfies mit dem Handy eines Freundes machen. Im Video spielt er natürlich den neuen Modus von Color Switch. Ob Tasker von Fortafy-Games bezahlt wird, ist unklar – schließlich entsteht auch ohne Bezahlung eine Win-Win-Situation: Fortafy bekommt Inhalte für seine Seite und Joe Tasker deutlich mehr Reichweite. Das Sketchvideo hat auf seiner Facebook-Seite eine Million Aufrufe generiert – bei Fortafy 41 Millionen.

Treue Nutzer gewinnen und halten

Neben dem bereits beschriebenen Spielmodus kommen fast jeden Monat neue hinzu, die immer wieder neue Anlässe zum Posten liefern. Gleichzeitig dürfte das ein weiterer Grund sein, warum die App dauerhaft so erfolgreich ist. Denn Nutzer dauerhaft zu binden, ist entscheidend für alle Beteiligten: Fortafy monetarisiert die App mit einem klassischen Freemium-Modell mit Bannern, Interstitials (Video und Banner), Rewarded Video-Ads (schaue ein Video für Punkte) und In-App-Käufen. Color Switch an sich ist kostenlos, aber Spieler können eine Ad-freie Version und neue Level gegen Bezahlung freischalten. Die Ads werden über die Mobile-Marketing-Plattform Heyzap (gehört mittlerweile zu Fyber) voll automatisch eingebunden. Wie viel Geld Fortafy damit insgesamt verdient hat, will auch Mitgründer Zeb Jaffer nicht verraten. Ende 2016 sollen 30.000 Arcade-Maschinen mit Color Switch in den USA aufgestellt werden, das soll zusätzliche Umsätze bringen.

Vorgemacht haben diese App-Marketing-Strategie Prominente wie Kim Kardashian, die eine eigene App mit ihrer Social-Media-Power gepusht hat. Anscheinend merken jetzt erste Influencer, dass sie für dauerhafte Erfolge auch ein eigenes Business brauchen und sich nicht von Brands und Plattformen komplett abhängig machen können.

Mit seinem Modell beantwortet Fortafy gleich zwei Fragen, die sich im Online Marketing gerade stellen: Wie gewinnt man dauerhaft treue App-Nutzer und wie monetarisiert man die (teils immense) Reichweite einer Facebook Viralseite? Besonders in Sachen Facebook ist seine Herangehensweise clever, weil seine viralen Videos von Facebook nicht als Branded Posts eingestuft werden und so auch organisch ihre Reichweite behalten. Er dürfte also weiter Millionen Views auf seine Werbespots für seine App verzeichnen.

MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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