Exklusiv: Wie MMOGA aus virtuellem Gold einen 300-Millionen-Exit hingelegt hat
33-jähriger Gründer verkauft Online-Portal nach China
- Das Geschäftsmodell von MMOGA
- „Goldfarmen“ in China und extreme Professionalisierung
- Marketing für einen Goldseller – Wie wurde MMOGA.de so groß?
- MMOGA als Affiliate-Netzwerk
- Weitere Projekte vom Gründer aus Aschaffenburg
- Wie ist die Rechtslage beim Kauf von Ingame-Gold und Keys?
- Wer ist eigentlich der Käufer von MMOGA?
Es dürfte einer der größten Exits in der deutschen Online-Branche sein: Die Online-Plattform MMOGA, auf der virtuelle Güter sowie Aktivierungscodes für Computerspiele gehandelt werden, ist von ihrem deutschen Gründer für rund 300 Millionen Euro an ein chinesisches Unternehmen verkauft worden – ohne, dass in Deutschland jemand von dem Deal Notiz genommen hätte. Online Marketing Rockstars hat mit dem ehemaligen Marketing-Chef gesprochen und erklärt das Geschäftsmodell sowie die Hintergründe des gleichermaßen spektakulären wie geheimnisvollen Deals.
Wenn ein deutscher Online-Marktplatz für 300 Millionen Euro nach China verkauft wird, würde das normalerweise garantiert für mediale Jubelarien sorgen. Dass die im Fall von MMOGA.de bisher ausgeblieben sind, dürfte allerdings kein Zufall sein. Denn der Deal wurde innerhalb von Deutschland gar nicht kommuniziert.
Domaininhaber der Domain MMOGA.de ist die MMOGA Ltd. mit Sitz in Hong Kong, deren administrativer Ansprechpartner hat laut Denic.de seinen Sitz in Aschaffenburg. Wer nach dem Namen des technischen Administrators von MMOGA.de in Verbindung mit dem Unternehmensnamen googelt, stößt auf Berichte auf chinesischsprachigen Websites. Eine Übersetzung mit Google Translate lässt erahnen: Die MMOGA Ltd. wurde an ein chinesisches Unternehmen verkauft. Sucht man weiter, stößt man auf eine Meldung der Nachrichtenagentur Reuters im Juli 2015, laut der das chinesische Unternehmen Kee Ever Bright Decorative Technology Co Ltd (KEBDT) 100 Prozent der MMOGA-Anteile für 2,1 Milliarden Chinesischer Renminbi Yuan übernommen hat. Zum Zeitpunkt der Akquisition waren das umgerechnet etwa 306 Millionen Euro.
Weitere englischsprachige Meldungen zum Deal vermitteln einen Eindruck von der Größe, die MMOGA erreicht hat. So soll die Plattform mit 3,88 Millionen registrierten Nutzern eine der größten Gaming-Plattformen Europas sein, eine Bilanzsumme von rund 90 Millionen Euro und Eigenkapital von 56,4 Millionen Euro vorweisen können. Außerdem ist von einer Zielvereinbarung die Rede: So soll ein jährliches Wachstum von mindestens 43 Prozent vereinbart worden sein. Der Nettogewinn müsse 2015 27,6 Millionen, 2016 knapp 40 Millionen und 2017 56,44 Millionen Euro betragen. Die volle Kaufsumme werde erst beim Erreichen dieser Ziele fällig, zu Beginn seien 130 Millionen Euro gezahlt worden. Ein 114 Seiten umfassendes chinesisches pdf-Dokument, allem Anschein nach ein zum Deal angefertigter Börsenbericht, enthält ebenfalls die genannten Daten. Die Angermann M&A International AG war in beratender Funktion beim Exit tätig und bestätigte gegenüber Online Marketing Rockstars den Verkauf der MMOGA nach China.
Das Geschäftsmodell von MMOGA
MMOGA.de, Hauptbestandteil des Deals, ist seit Ende 2005 im Netz zu finden, im Impressum steht damals laut Wayback Machine der heute 33-jährige Gründer aus Aschaffenburg. Seit dem 9. März 2007 ist dem Internet-Archiv zufolge dort außerdem die MMOGA Ltd mit Hauptsitz in Hong Kong angeführt, der Name des Gründers verschwindet kurz darauf komplett von der Seite. Offenbar entscheidet er sich schon zu diesem Zeitpunkt dafür, ausschließlich im Hintergrund zu agieren, jegliche Öffentlichkeit zu meiden und sich größtenteils der öffentlichen Aufmerksamkeit zu entziehen. Dieser Eindruck verhärtet sich, als sich seine Anwälte im Zuge unserer Recherchen melden. Wir verzichten daher darauf, den Namen des Gründers zu nennen, auch wenn er in mehreren im Artikel verlinkten Quellen vorkommt. Die aktuelle Geschäftsführung von MMOGA selbst lehnt Anfragen von Online Marketing Rockstars nach einem Interview ab.
Das Geschäftsmodell basiert am Anfang komplett auf der Vermittlung von virtuellen Gütern für Online-Computerspiele. Kunden können zu MMORPGs (steht für Massively Multiplayer Online Role-Playing Game, also Online-Rollenspiele) wie World of Warcraft, Everquest 2 oder Guild Wars beispielsweise die Spiel-Währung Gold, Level-Dienste für die Avatare (Dritte spielen die eigene Figur im Spiel, um sie im Level aufsteigen zu lassen) oder direkt komplette Accounts kaufen. Rund 50 Spiele stehen heute zur Auswahl, unter anderem auch das beliebte Fußball-Spiel FIFA von EA Sports. Nach dem Launch kommt außerdem der Verkauf von Lizenzen als zweites Standbein hinzu. Keys, die zum Aktivieren von Online-Games benötigt werden, werden vermutlich im (vor allem außereuropäischen) Ausland günstig eingekauft und mit einer lukrativen Marge hierzulande weiterveräußert.
Michael Singer schätzt, dass sich der Umsatz der MMOGA Ltd heute ungefähr je zur Hälfte auf beide Modelle verteilt. Von 2009 bis 2011 ist er als Marketingchef für das Unternehmen tätig, schon ab 2006 macht er auf freiberuflicher Basis Suchmaschinenoptimierung für das Projekt. „Am Anfang kamen noch rund 80 Prozent des Umsatzes durch die Vermittlung von Ingame-Inhalten zustande“, erklärt Singer im Gespräch mit Online Marketing Rockstars. Er und der Gründer seien beide Gamer, lernen sich im Spiel World of Warcraft kennen: „Außerdem war ich schon früh in SEO-Foren aktiv. Wir haben gemerkt, wie lange es dauert, um im Spiel bestimmte Ziele zu erreichen und den Bedarf an Gold und Level-Diensten erkannt.“
Als Michael Singer bei MMOGA anfängt, habe die Seite einen schlechten Ruf, gelte als unseriös. „Im Impressum stand schon damals eine Adresse in Hong Kong, das hatte eine negative Außenwirkung, weil sich auch kaum bis gar nicht um Markenbildung gekümmert wurde“, erinnert er sich. Eine Briefkastenfirma sei MMOGA allerdings nie gewesen, es habe immer ein festes Team am Standort in China gegeben. So sei es bis heute.
„Goldfarmen“ in China und extreme Professionalisierung
Wenn Michael Singer heute über den internationalen Handel mit Ingame-Währungen auf MMOGA.de redet, betont er stets das Wort „Vermittlung“. Die Betreiber selbst hätten nie selbst Gold und andere virtuelle Güter verkauft, sondern eine Plattform für die eigentlichen Händler, häufig aus China, geschaffen. „Die ganze Branche hat sich extrem schnell professionalisiert. Schon zu meiner Zeit gab es in China zahlreiche Firmen, sogenannten ‚Farmen‘, wo 50 bis 100 Leute den ganzen Tag World of Warcraft gespielt haben“, sagt Singer. „Wir sind in dem Fall der Vermittler von Dienstleistungen chinesischer Firmen. Das hat auch steuerliche Gründe. Da der Kunde den Anbieter in China bezahlt, der übrigens auch die Preise festlegt, und wir im Anschluss von ihm lediglich eine Provision bekommen, wird keine Umsatzsteuer fällig.“
Das Phänomen des Goldfarmens wird zwar erst mit dem riesigen Erfolg von World of Warcraft (US-Release im November 2004) auch über die Grenzen der Gamer-Nische hinaus bekannt – schnell setzt sich in der Community damals das Synonym des „China-Farmers“ durch – Anbieter für Gold aus anderen Spielen gibt es aber schon länger. Schon ab 2000 beispielsweise verkaufen die Brüder Daniel, David und Dan-Micha Schikor aus Schwabmünchen Gold und andere Ingame-Inhalte für das ebenfalls von Blizzard stammende Spiel Diablo 2 – schichtweise spielen sie im Keller der Eltern. 2005 kommt World of Warcraft dazu, 2007 geht die Seite randyrun.de live. Bis heute ist das Projekt unter der gleichnamigen GmbH aktiv und laut Zahlen aus dem Bundesanzeiger immer noch recht lukrativ. Gegenüber Online Marketing Rockstars will sich die Randyrun GmbH kaum äußern. Man habe zwar vom MMOGA-Deal gehört, kenne aber weder den Gründer, noch sei man in Kontakt mit Konkurrenten.
„Randyrun und MMOGA waren lange Zeit erbitterte Konkurrenten. Randyrun war deutlich früher aktiv und entsprechend marktbeherrschend“, sagt Michael Singer. Das habe sich mit seiner Tätigkeit für MMOGA aber relativ schnell geändert. MMOGA.de sei im deutschsprachigen Bereich heute mit deutlichem Abstand Marktführer. Trotzdem geht er 2011 zu Randyrun: „Sie wussten, dass ich MMOGA verlassen werde, weil meine Projekte dort einfach abgeschlossen waren. Im Prinzip wollten sie, dass ich da genau das gleiche mache.“ Bis 2012 ist Singer Interims-Geschäftsführer bei der Randyrun GmbH und habe Strukturen, vor allem im Marketing, komplett neu aufgebaut. Mit Erfolg, wie er sagt. Es habe deutliche Steigerungen gegeben, allerdings wachse MMOGA uneinholbar stark.
Marketing für einen Goldseller – Wie wurde MMOGA.de so groß?
Schaut man auf einige Kennzahlen zu MMOGA.de, auch im Vergleich zu randyrun.de, dürfte klar werden, welche Power hinter dem Portal steckt. Deutlich über zwei Millionen Visits hat die Seite laut Schätzungen des Statisitktool SimilarWeb durchschnittlich im Monat, randyrun.de stagniert bei unter 100.000. Zusätzlich kommen die internationalen Ableger von MMOGA aus Spanien (.es), Frankreich (.fr), USA (.com) und England (.co.uk) aktuell insgesamt auf rund 500.000 Visits im Monat. Daten aus der Sistrix Toolbox zur Sichtbarkeit der jeweiligen Portale in Suchmaschinen bestätigen dieses Verhältnis. Während MMOGA.de bei einem Sichtbarkeitsindex von 1,78 zu 15.176 Keywords rankt (davon 1.436 in den Top 10, sehr allgemeine wie Suchbegriffe wie „spiele online kaufen“, „game key“ oder „games kaufen“ auf Platz 1), kann randyrun.de nur 4.261 Rankings (davon 490 in den Top 10) und einen Sichtbarkeitsindex von 0,4448 vorweisen. Der seit April 2007 existierende Ebay-Account von MMOGA hat heute fast 500.000 Bewertungspunkte, 99,7 Prozent vom Feedback sind positiv.
Der Grundstein für den Erfolg und damit auch für den lukrativen Verkauf wird laut Michael Singer in der Anfangsphase gelegt. Singer sagt: „Seit ich bei der MMOGA angefangen habe, hat SEO eine extrem wichtige Rolle gespielt. Klassische Display Ads haben wir natürlich auch getestet, die waren aber weniger erfolgreich. Adwords war auch eher unterdurchschnittlich, da hat Google uns aber irgendwann rausgeschmissen. Ich weiß bis heute nicht, warum.“ In der Folge seien SEO und Direct Type-Ins noch mal relevanter geworden. „Wir hatten zeitweise in Deutschland ein monatliches Suchvolumen von 500.000 nur auf den Begriff MMOGA“, erklärt er. Laut dem SEO-Tool von Searchmetrics beträgt das Suchvolumen aktuell noch etwa 310.000 Anfragen pro Monat, Google AdWords weist beim Anlegen einer neuen Kampagne 823.000 Anfragen pro Monat aus.
Eine weitere, besonders wichtige Rolle im Marketing-Mix habe laut Singer außerdem das Direct Sponsoring von Spieleseiten, Foren und Blogs gespielt. Er sagt: „Wir haben geschaut, wo unsere Kunden sind. Und das waren nun mal weniger große Seiten wie gamestar.de, sondern kleine Seiten mit einer dafür viel spitzeren Zielgruppe. Wowszene.de, wow-forum.de oder hordeguides.de zum Beispiel. Das sind wirklich Seiten, die Traffic gezogen haben.“ Teilweise habe MMOGA ganze Seiten exklusiv belegt, so massiv Markenbekanntheit aufgebaut und nebenbei auch dafür gesorgt, dass die jeweiligen Publisher überhaupt finanziell bestehen konnten. Zusätzlich habe Singer zu der Zeit die Grundlage im Social-Media-Bereich gelegt und erste Kontakte zu heutigen Influencern aufgebaut.
MMOGA als Affiliate-Netzwerk
Außerdem setzt MMOGA recht früh auf Affiliate Marketing. Ein Blick auf die Youtube- und Twitch-Accounts der größten deutschen Lets Player – also Gamer, die entweder live verschiedene PC- und Video-Spiele spielen, kommentieren und testen oder Videos davon nachträglich bei Youtube hochladen – bescheinigt eine erfolgreiche Strategie in dem Bereich und unterstreicht die Marktmacht von MMOGA. Unter anderem PietSmiet (> 2 Millionen Abonnenten), Elotrix (> 1,2 Millionen Abonnenten), MontanaBlack (> 890.00 Abonnenten) und viele mehr haben MMOGA.de jeweils im Youtube-Kanal eingebunden und treten damit als Affiliate für den Gold- und Key-Shop auf. Laut Michael Singer hatte MMOGA nicht immer ein eigenes Affiliate-System. „Anfangs waren wir noch bei Zanox, Tradedoubler, Superclix, Affilinet, Commission Junction (heute Conversant) und so weiter integriert. Dann haben wir aber irgendwann das Inhouse-System gebaut.“ Dafür dürfte sich eine Agentur aus Aschaffenburg verantwortlich zeichnen, die ebenfalls im chinesischen Börsenbericht genannt wird und auf der Website mit der „Entwicklung Ihres Partnerprogrammes bis zur vollständigen Betreuung Ihrer Programme“ wirbt.
In einem Video auf MMOGA.de, das das Partnerprogramm erklärt, bezeichnet der Off-Sprecher die Seite als „europäischen Marktführer im Bereich der digitalen und virtuellen Güter“. Nach eigener Darstellung zahlt MMOGA die höchste Provision der Branche. Die liegt laut Videos und Website bei zehn Prozent für digitale Güter wie Keys und bei 15 Prozent für virtuelle Güter wie Coins oder Gold. Laut Singer bekommen reichweitenstarke Youtuber aber auch schon mal individuelle, lukrativere Deals angeboten. Das können reine Fix-Deals oder eine Mischung aus Provision und festen, monatlichen Summen sein.
Die offenbar gut durchdachte Marketing-Strategie dürfte der Hauptgrund sein, dass sich MMOGA bis heute nicht nur hierzulande gegen Randyrun, sondern auch gegen vor allem international stark wachsende Konkurrenten wie g2a.com und kinguin.com durchsetzen konnte. 2006 wollten übrigens auch schon die Samwer-Brüder in den Markt der virtuellen Güter einsteigen. Gamegoods hieß das Projekt, was nach kurzfristigem Erfolg schon 2008 wieder eingestellt wurde. Die Domain gamegoods.de gehört laut Denic.de heute Blizzard Entertainment, den Machern von World of Warcraft.
Weitere Projekte vom Gründer aus Aschaffenburg
MMOGA ist nicht das einzige Projekt vom Gründer. Auch die Domain online-gold.de zählte lange zum Portfolio, erst als Produkt der MMOGA Ltd, später, laut Wayback Machine etwa ab Februar 2009, als Produkt der Game Accounts Ltd. So steht es auch heute noch im Impressum, laut der Denic-Datenbank gehört die Domain aber seit spätestens 4. November 2015 wieder der MMOGA Ltd und dürfte damit Teil des Deals gewesen sein. Gleiches gilt für die Domain game-accounts.de. Beide Seiten bieten wie auch MMOGA.de Ingame-Inhalte wie Gold sowie Lizenzen und Keys an, laut Traffic-Daten von SimilarWeb fallen sie aber nicht groß ins Gewicht. Weiterhin ist der Gründer laut Handelsregister bis heute alleiniger Gesellschafter der AMA Media GmbH. Unternehmensgegenstand: „die Verwaltung eigenen Vermögens und die Beteiligung an Kapitalgesellschaften, insbesondere im Bereich neuer Medien.“
Außerdem ist der MMOGA-Gründer laut Handelsregister alleiniger Gesellschafter der Gamesrocket GmbH, ebenfalls aus Aschaffenburg. Michael Singer bezeichnet das Unternehmen heute als das Projekt, wofür er vor seinem Wechsel zu Randyrun als letztes tätig war: „Gamesrocket.de ist eine Downloadplattform und damit ein komplett anderes Geschäftsmodell als MMOGA. Was die Telekom damals mit Gamesload versucht hat, bis der Dienst im Mai 2014 eingestellt wurde, wollten wir da quasi auch machen. Das läuft glaube ich nach wie vor sehr gut.“ Der Download-Markt sei laut Singer aber sehr speziell. Es gebe mit Plattformen wie Steam, Origin von Electronic Arts und dem Uplay Shop von Ubisoft drei größere, internationale Player, die den Markt beherrschen. „Heute würde ich keinem empfehlen, da einzusteigen.“ Da die Gamesrocket GmbH ebenfalls im chinesischen Börsenbericht auftaucht, ist unklar, ob das Unternehmen zu einem Zeitpunkt auch ein Teil des Deals sein sollte oder es war.
Wie ist die Rechtslage beim Kauf von Ingame-Gold und Keys?
Warum Unternehmen aus dem Gold- und Keyselling-Bereich wie im Fall von MMOGA ihren Sitz in Hong Kong haben, bleibt Spekulation. Lange bewegten sich Anbieter wie MMOGA in einer rechtlichen Grauzone. Beim Verkauf von Ingame-Inhalten wie Gold komme es laut Singer beispielsweise auf das Geschäftsmodell des Publishers an. „Verkauft man Gold für ein Spiel wie World of Warcraft, greift man damit ja nicht das Geschäftsmodell an, weil es ein Pay-To-Play-Titel ist. Spieler müssen also eine monatliche Gebühr zahlen, um zu spielen. Dass der Kauf trotzdem gegen die AGB verstößt und ein Account gesperrt werden könnte, steht auf einem anderen Blatt Papier.“ Rechtlich fragwürdig werde es dann allerdings, wenn Inhalte von Free-2-Play-Titeln angeboten werden, die keine monatliche Gebühr verlangen und sich selber durch den Verkauf genau dieser Inhalte finanzieren. „Den Fall hatten wir auch mal. Als ein Free-To-Play-Anbieter dann etwas ungemütlich wurde, haben wir das Spiel einfach aus dem Sortiment genommen“, sagt Michael Singer und zeigt wenig Verständnis für einen Großteil der Spiele-Publisher: „Der Bedarf ist offensichtlich da. Warum bieten Publisher Inhalte nicht selber gegen Geld an? Das wäre eine zusätzliche Monetarisierungsmöglichkeit.“ Nur durch dieses Versäumnis seien Plattformen wie MMOGA jetzt schon so lange erfolgreich am Markt.
Beim Verkauf von gebrauchten Keys und Lizenzen sieht die Rechtslage noch einmal etwa anders aus. Nach einem Urteil vom Berliner Landgericht im März 2014 galt Keyselling bis vor kurzem als Urheberrechtsverletzung. Der Bundesgerichtshof hat allerdings entschieden, dass der Verkauf von Lizenzschlüsseln (Keys) zulässig ist, solange der Vorerwerber seine Kopien vor dem Weiterverkauf unbrauchbar gemacht hat. Das im Einzelfall zu überprüfen und nachzuweisen, dürfte aufwändig sein – Keyselling bleibt also trotz des neuesten Urteils zumindest eine leichte Grauzone. Bei Spiele-Publishern dürfte eine deutlichere Meinung herrschen: Auf Anfrage von Online Marketing Rockstars wollten sich unter anderem Electronic Arts, Microsoft, Ubisoft und Konami nicht äußern.
Der Bundesverband Interaktiver Unterhaltungssoftware vertritt im Gegensatz dazu eine deutliche Meinung. Geschäftsführer Dr. Maximilian Schenk sagt: „Das sogenannte ‚Key Selling‘ spielt sich sehr häufig zumindest in einer rechtlichen Dunkelgrauzone ab.“ Häufig seien diverse Gesetzesvorstöße erkennbar, von der Verletzung der Rechte der Kreativen über Verstöße gegen den Jugendschutz bis hin zur Umsatzsteuerhinterziehung. Schenk weiter: „Dabei verbergen sich die wahren Inhaber der Unternehmen häufig hinter den Anonymisierungsmöglichkeiten des Internets. Nutzer solcher Plattformen sollten sich darüber im Klaren sein, dass ihr Kauf selten abgesichert ist – von der fehlenden Unterstützung der Entwickler der Spiele ganz zu schweigen.“
Wer ist eigentlich der Käufer von MMOGA?
Rechtlich zumindest in der Theorie eine Grauzone, Verhältnis zu Publishern augenscheinlich schwierig und Kaufpreis trotzdem durchaus beachtlich – wer ist der Käufer der MMOGA Ltd? Laut englischer Website ist die Kee Ever Bright Decorative Technology Co Ltd (KEBDT) eine chinesische, börsennotierte Gesellschaft, die in der Vergangenheit vor allem als Hersteller von Plastik-Kleinteilen, Metall-Plaketten und Elektro-Schaltern tätig war. Vom Deal und der damit einhergehenden Umstrukturierung des Unternehmens findet man zwar noch nichts auf der Homepage, einigen Berichten zufolge will man das Geschäftsmodell komplett umstrukturieren und sich in Zukunft als E-Commerce- und Gaming-Plattform positionieren mit der Vision, langfristig ein Medienkonglomerat aufzubauen. Der Shenzhen Börse scheint das zu gefallen: Kurz nach dem MMOGA-Deal verzeichnete die KEBDT-Aktie einen deutlichen Aufschwung. Die Marktkapitalisierung beträgt aktuell rund 9,4 Milliarden Chinesischer Renminbi Yuan, das entspricht etwa 1,27 Milliarden Euro.
Michael Singer sagt, er habe vom Deal durch chinesische, englischsprachige Medien erfahren, sei aber nicht überrascht gewesen und halte die in einigen Meldungen genannten Gewinn- und Wachstumsziele für absolut realistisch: „Zu meiner Zeit gab es auch schon Bemühungen für einen Exit. Es gab auch durchaus Angebote im zweistelligen Millionenbereich, das war uns damals aber zu niedrig.“
Die Transaktion im Zuge des Exits wurde schließlich von M&A International Inc. (bzw. der deutschen Tochter Angermann) begleitet – das Unternehmen war in der Vergangenheit bereits bei Deals von Appnexus, Tripadvisor, Deloitte und der Publicis Groupe involviert. Im „Deal Report 2015“ heißt es: „Angermann M&A International AG hat die MMOGA, Ltd. bei der Transaktion als exklusiver M&A-Berater begleitet und den Verkäufer bei der Veräußerung seines Unternehmens beraten.“ Mehr Details nennt Angermann auf Nachfrage nicht, wer in welcher Höhe vom Deal profitiert hat und ob der Gründer am Ende der alleinige Gesellschafter der MMOGA Ltd war, bleibt offen.