Die drei dreistesten Marketing-Tricks, die uns in den letzten Tagen begegnet sind
Mit diesen Kniffen aus der Grauzone erzielen ein Bestseller-Autor, Feuerwerk-Affiliates und Amazon-Seller große Reichweiten
Die Suche nach erfolgreichen Marketing-Strategien endet nie. Manchmal schießen Marketer dabei aber auch über das Ziel hinaus oder stellen sich besonders clever an – je nach Sichtweise. Uns sind in den vergangenen Tagen drei besonders dreiste Maschen aufgefallen, die wir Euch nicht vorenthalten möchten. Nachmachen wird nicht empfohlen, schmunzeln dürft Ihr über die Dreistigkeit.
Es ist noch gar nicht so lange her, da hat sich Jeetendr Sehdev als Speaker für das OMR Festival 2019 bei uns angeboten. Der Mann bezeichnet sich selbst als Social-Media-Experte und hat den New-York-Times-Bestseller „The Kim Kardashian Principle“ geschrieben. Darin will er Brands zeigen, was sie von Social-Media-Stars wie den Kardashians oder Elon Musk lernen können. Manchmal biegt er dabei aber falsch ab, wenn er dem Dalai Lama empfiehlt, sich für mehr Instagram-Likes vor dem weißen Haus anzuzünden oder seinem Leser den Tipp gibt, sich doch mal die Inszenierung von ISIS-Videos zum Vorbild zu nehmen. Dass er selbst vor zweifelhaften Methoden nicht zurückschreckt, zeigt sein aktueller Trick.
Unsubscribe? Nein. Buchkauf!
Wir sind nach seiner Speaker-Bewerbung offenbar in Jeetendr Sehdevs Newsletter-Verteiler gelandet. In seiner aktuellen Mail berichtet er stolz, zur „relevantesten Stimme der Social-Media-Ära“ gewählt worden zu sein – vom Chefredakteur der Harper’s Bazaar Arabia. Weil das nicht spannend ist, klickt die komplette Redaktion auf „unsubscribe from this list“. Die Abmelde-Seite ist dann weniger als eine Sekunde zu sehen und leitet, ohne die Chance den Button zu klicken, auf die Amazon-Seite mit Sehdevs Buch. Das kann der genervte Newsletter-Abonnent dann direkt kaufen.
Das ist zumindest dreist, in Deutschland auf jeden Fall nicht rechtens und aus Marketing-Sicht auch noch ineffektiv. Auf erster Ebene leitet er Nutzer weiter, die offenbar kein Interesse an seinen Inhalten haben. Diese werden durch die plötzliche Weiterleitung zusätzlich verwirrt und verärgert. Warum sollte auch nur einer dieser Nutzer sein Buch kaufen? Wenn er sich also schon keine Käufe erhoffen kann, dann doch wenigstens ein besseres Amazon-Ranking durch gesteigerten Traffic, oder? Eher das Gegenteil dürfte der Fall sein. Für Amazon zählen nicht die Klicks, sondern die Conversion Rate, also wie viele Leute am Ende auch wirklich kaufen, wenn sie auf der Produktseite sind. Viel Traffic ohne Käufe gilt als kontraproduktiv und kann zu einer Verschlechterung des Rankings führen.
Pyro aus den Stadien nachkaufen
Als der HSV am vergangenen Montag Dynamo Dresden zum Zweitliga-Topspiel empfängt, fackeln die Dresden-Fans noch vor Anpfiff richtig was ab. Mehrere Hundert Bengalos brennen im Block und sorgen für beeindruckende Bilder – und wahrscheinlich eine Strafe für den Verein. Bilder der Fan-Choreo gehen nicht nur durch die Medien, auch auf Youtube sammeln Videos kräftig Views. Ein Kanal, der profitiert, nennt sich Ultras Germany. Die Macher posten Videos von Fan-Aktionen aus deutschen Stadien und haben damit schon über 460.000 Views auf der Plattform gesammelt. Mittlerweile monetarisieren die Kanalbetreiber die Reichweite auch ziemlich clever.
Allein das HSV-Video kommt mittlerweile auf mehr als 57.000 Views. Direkt zum Start läuft ein Banner des Feuerwerkhändlers Pyroweb durchs Bild. Unter dem Video findet sich dann auch der passende Link zu Bengalos & Co. Bemerkenswert: Insgesamt packen die Macher zwölf Affiliate-Links unter das Video, unter anderem zu Ultra-Klamotten, Muskelaufbautraining und Get-Rich-Quick-Kursen. Der Link zu Pyroweb selbst scheint aber gar kein Affiliate-Link zu sein – vielleicht hat hier ein Feuerwerkshändler seine Youtube-Nische gefunden: Fußball-Pyro-Videos.
Amazon-Trick mit Büchern aus Indien
Der dritte Kniff, der uns über den Weg gelaufen ist, dürfte für kreative Händler schon erkleckliche Summen gebracht haben. Ann Handley, die Autorin des Buchs „Everybody Writes“, hat die dreiste Masche selbst aufgedeckt. Ihr war aufgefallen, dass auf der Amazon-Produktseite ihres Buchs plötzlich eine Taschenbuch-Ausgabe angeboten wurde, die deutlich günstiger ist, als das Hardcover. Das Problem: Es gibt gar keine Taschenbuch-Ausgabe in den USA. Hier haben windige Händler offenbar eine Möglichkeit gefunden, das Buch irgendwie in dieser Form anzubieten. Da es keine Konkurrenz auf ein so nicht erschienenes Buch gibt, landen sie schnell in den Angeboten und der günstige Preis ködert viele Käufer. Der erste Verdacht der Autorin, solche Händler hätten das E-Book einfach ausgedruckt, erweist sich allerdings als falsch.
Auf ihren Tweet mit der Enttarnung der Masche antworten viele Käufer der Taschenbuch-Ausgabe. Wie sich herausstellt, hat Handleys Verlag die Rechte für ein Taschenbuch nach Indien verkauft. Händler haben jetzt also offenbar einfach die Version aus Indien eingekauft und verkaufen diese auf der US-Amazon-Seite weiter. Wenn das funktioniert und Amazon wie bisher nichts dagegen unternimmt, könnte die Masche eine Buch-Arbitrage-Strategie werden. Handleys Verlag hat die Taschenbuch-Rechte für Indien in der Zwischenzeit aber wieder zurückgezogen.