"Warum leaken wir's nicht selbst?" – Das steckt hinter der EM-Kader-Aktion des DFB
DFB-Sprecherin Franziska Wülle erklärt im Interview, warum der Verband neue Wege geht
Nina Chuba, Günter Jauch und Frauke Ludowig, aber auch ein Döner-Verkäufer, ein Altenpfleger nebst "Oma Lotti" und eine Bäckerei aus dem Schwarzwald: Für die Bekanntgabe des Kaders der deutschen Fußballnationalmannschaft für die kommende Europameisterschaft hat sich der Deutsche Fußball-Bund überraschende Partner*innen gesucht. Wie genau kam es dazu, welche Idee steckt dahinter und was hat die Aktion bis jetzt gebracht? OMR hat bei Franziska Wülle, Pressesprecherin der DFB-Elf, nachgefragt.
"Hey Freunde, ich hab' gemeinsam mit dem DFB ne Torte vorbereitet für Oma Lotti, und da ist der Spieler, der für die Nationalmannschaft bei der EM spielen darf, abgebildet", erklärt Rashid Hamid, Geschäftsführer eines Hamburger Pflegeunternehmens, vor wenigen Tagen in einem Video, das der Instagram-Account von Hamids Unternehmen sowie der des DFB gemeinsam veröffentlicht haben. Hamid besucht in dem Clip Seniorin "Oma Lotti", die erfährt, dass Abwehrspieler Jonathan Tah zum EM-Kader gehört, und mit ihrem eigenen, mit ihrem Namen beflockten DFB-Trikot beschenkt wird.
Fast 30 Millionen Views alleine mit den DFB-Videos
Die Aktion sorgt zunächst für allgemeine Verwunderung: "Ist das echt?", fragen sich viele Fußballfans und Medienvertreter*innen. Bald folgen weitere Videos, in denen weitere Mitglieder des EM-Kaders verkündet werden, sowohl von "normalen Bürger*innen" als auch von Prominenten. So wird klar: Die Aktion ist echt – und sie ist erfolgreich: Alleine die elf bislang auf Instagram veröffentlichen Videos (die stets von mehreren Accounts gleichzeitig veröffentlicht wurden und somit ihre Reichweite potenziert haben), haben bislang rund 27 Millionen Views angesammelt.
Deutlich mehr Aufmerksamkeit dürfte aber noch die Medienberichterstattung über jede einzelne Verkündung generiert haben. Mehrere Medien richten sogar einen eigenen "Ticker" für die Aktion ein. Was vorher einen "einmaligen Knall" generierte (nämlich alleine durch die Bekanntgabe bei einer Pressekonferenz), sorgt jetzt über mehrere Tage hinweg für das mindestens Dreifache der Aufmerksamkeit.
OMR hat DFB-Sprecherin Franziska Wülle zu der Aktion interviewt:
Franziska Wülle
Warum habt Ihr diesen ungewöhnlichen Weg gewählt, den Kader für die anstehende Europameisterschaft zu verkünden?
Franziska Wülle: Das hat mehrere Gründe. Zum einen wollten wir – auch nach der eher ‘reduzierten’ Art der Kaderbekanntgabe für die WM in Katar – es dieses Mal anders machen. Schon bei unseren Brainstormings zu Anfang des Jahres kam dann die Idee auf, für die Heim-EM quasi ganz Deutschland mit einzubeziehen und damit auch die Vielfalt des Landes zu zeigen. Zum anderen wurde in der Vergangenheit bei anderen Turnieren der Kader ja schon vorab von Medien geleakt. Deswegen dachten wir diesmal: ‘Warum leaken wir es nicht einfach selber?’
Habt Ihr für die Aktion mit einer Agentur zusammengearbeitet?
Wülle: Die Idee und das Konzept haben wir intern mit verschiedenen Abteilungen und gemeinsam mit der Düsseldorfer Agentur Goodthoughts entwickelt und dann auch zusammen umgesetzt. Die Koordination der einzelnen Umsetzungen war natürlich sehr viel Arbeit, die wir auch ein wenig unterschätzt haben. Aber es hat sich aus unserer Sicht gelohnt!
Wie wurde denn ausgewählt, wer welche Spieler verkündet? Kamen die Ideen von den Spielern selbst?
Wülle: Nein, weil die Spieler zu dem Zeitpunkt, zu dem wir die erste Ideenliste erstellt haben, noch nichts davon wussten. Wir wollten hier bewusst berühmte Personen mit ‘Menschen wie Du und ich’ mischen und idealerweise noch eine Verbindung zum jeweiligen Spieler herstellen. So sind es bei Jonathan Tah, der stark in die Stiftungsarbeit des DFB involviert ist, der Pfleger Rashid Hamid und ‘Oma Lotti’ geworden und bei Antonio Rüdiger eben sein Lieblingsdönermann. Am Ende war das eine ziemliche Puzzelei, aber es hat sich gelohnt. Wichtig ist natürlich, dass Julian Nagelsmann die Spieler zuerst informiert hat. Erst danach haben wir die Spieler über ihre einzelnen Umsetzungen informiert.
Und wie war die Reaktion der Spieler?
Wülle: Bisher hat sich keiner beschwert (lacht). Die Teilnahme von Niclas Füllkrug beispielsweise wurde ja in der Morgensendung von 1Live verkündet; deswegen mussten wir ihn da ein bisschen früher informieren. Er war zuerst ein wenig skeptisch, hinterher aber total begeistert darüber und schrieb mir ‘Ist super gelaufen!’
Die Aktion hat ja hohe Wellen geschlagen; es gab auch Ankündigungen, die sich später als Fake herausgestellt haben, an denen ihr gar nicht beteiligt wart. War das von Anfang an von Euch einkalkuliert?
Wülle: Unsere Hoffnung war schon, dass nicht sofort klar ist, ob die ersten Ankündigungen echt sind, und dass deswegen die Community interagiert. Da war anfangs unsere größte Sorge, dass das überhaupt nicht funktioniert. Als es dann geklappt hat, waren wir schon auch ein bisschen erleichtert.
Könnt Ihr schon Angaben dazu machen, wie viele Kontakte oder welchen Mediawert die Aktion generiert hat?
Wülle: Leider noch nicht, weil die letzten Tage nur so vorübergeflogen sind. Nach der offiziellen Verkündung des gesamten Kaders heute um 13 Uhr werden wir ein Resümee ziehen.
Vielen Dank für das Interview, Franziska.
Die gesamte Liste der bisher verkündeten EM-Kadermitglieder und der Verkündungspartner*innen im Überblick:
- Nico Schlotterbeck: Tagesschau
- Jonathan Tah: Rashid Hamid ("Pflege Smile") und "Oma Lotti"
- Manuel Neuer: Dachdeckerin Chiara
- Chris Führich: Bäckerei Seeger in Nagold
- Robin Koch: World Wide Wohnzimmer
- Alexander Pavlovic: Frauke Ludowig und RTL Exclusiv
- Maximilian Mittelstädt: Peter Schilling
- Pascal Groß: Günther Jauch
- Joshua Kimmich: Wolfgang Bahro alias "Jo Gerner" aus der Serie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten"
- Antonio Rüdiger: Arif Keles vom Berliner Döner-Imbiss Hisar Fresh Food
- Robert Andrich: "Einfach mal luppen"-podcast von Toni und Felix Kroos
- David Raum: Lufthansa
- Kai Havertz: Calcio Berlin Podcast
- Deniz Undav: Toone Tattoing
- Leeroy Sané: Schirn Kunsthalle Frankfurt
- Florian Wirtz: Nina Chuba