Shorts Champions: Die drei reichweitenstärksten Youtube Shorts Kanäle Deutschlands
Diese Creator haben mit dem Kurz-Clip-Format in kürzester Zeit Milliarden von Views angesammelt
- Hohe Sichtbarkeit für Shorts pusht die Views
- 40 Prozent der Shorts-Creator neu auf der Plattform?
- Shorts Champion 1: Family Booms, mit 6,6 Mrd. Views & 6,4 Mio. Abonnenten
- Vom Taxifahrer zum Youtube Creator
- Erfolgsfaktoren: Watchtime und hohe Upload-Frequenz
- Shorts Champion 2: German Spidey, mit 6,4 Mrd. Views & 6,4 Mio. Abonnenten
- „Youtube zahlt besser als Tiktok“
- Shorts Champion 3: Younes Zarou, mit 5,6 Mrd. Views & 4,7 Mio. Abonnenten
- Youtube führt Ads in Shorts ein – aber die Herausforderung bleibt
Fünf Billionen Gesamtabrufe (bis Januar 2022), 30 Milliarden Abrufe pro Tag und 1,5 Milliarden Nutzer:innen pro Monat – die Zahlen, die Google zu seinem Tiktok-Konkurrenten Youtube Shorts öffentlich ins Feld führt, sind beachtlich. Wenig erstaunlich also, dass das Kurz-Video-Format neue Glücksritter auf die Plattform gezogen hat und einige von ihnen nun auch auch in kürzester Zeit enorme Reichweiten mit Shorts aufgebaut haben. OMR wirft einen Blick auf den Status Quo in Sachen Youtube Shorts und hat mit den drei erfolgreichsten Youtube Shorts Creator:innen über Erfolgsrezepte und Einkünfte gesprochen.
„Tiktok überholt in den USA und Großbritannien Youtube in puncto Nutzungsdauer“ – es sind wohl Schlagzeilen wie diese (und noch mehr die ihnen zugrunde liegenden Statistiken), die Google dazu gebracht haben, das 9:16-Kurz-Clip-Format von Tiktok für die eigene Video-Plattform zu adaptieren. Im September 2020 hat Youtube Shorts vorgestellt, vom Juli 2021 an wurde das Format weltweit ausgerollt. Seitdem nimmt Google offensichtlich viel Geld in die Hand, um Shorts zu einem Erfolg zu machen. Gleich nach dem globalen Start trommelte Youtube gemeinsam mit einer „Challenge“ der K-Pop-Band BTS (deren Youtube-Kanal mehr als 70 Millionen Abonnenten verzeichnet) für das neue Format. Es folgten eine globale Werbekampagne (auch auf Konkurrenzplattformen) im August 2021, mit Stars wie The Weeknd, Doja Cat und Camila Cabello, eine Castingshow für deutsche Shorts-Creator im Frühjahr sowie zuletzt eine weitere weltweite Challenge mit der weiblichen K-Pop-Band Blackpink.
Hohe Sichtbarkeit für Shorts pusht die Views
Damit die Shorts auch wirklich geschaut werden, räumt Youtube dem Format auf der eigenen Plattform viel Raum ein. Sowohl auf der Website als auch in der App gibt es einen eigenen Reiter für die Kurz-Clips; und auf der Startseite bzw. im Homefeed werden Shorts in „Video-Karussells“ empfohlen. Ein US-Blogger zeigte vor Kurzem anhand von Screenshots, dass Youtube Shorts nun offenbar auch im Discover-Feed in der Google-App ausgespielt werden.
Der Druck zeigt offensichtlich Wirkung: Im Januar vermeldete Youtube CEO Susan Wojcicki, dass Shorts bislang fünf Billionen Gesamt-Views angesammelt hätten. Im Earnings Call zum ersten Quartal 2022 bezifferte Google die Zahl der täglichen Shorts-Abrufe auf 30 Milliarden (gleichzeitig sind jedoch die Werbeeinahmen von Youtube zurückgegangen); in dem zum zweiten Quartal 2022 die Zahl der eingeloggten Shorts-Nutzer:innen auf 1,5 Milliarden. Damit verzeichnet Youtube Shorts mutmaßlich mehr Nutzende als Tiktok. Die Plattform hatte letztmals im September 2021 eine öffentliche Angabe zur Zahl der Monthly Active User gemacht, nachdem diese die Marke von einer Milliarde übersprungen hatte.
40 Prozent der Shorts-Creator neu auf der Plattform?
Wenn Plattformen ein Format mit aller Macht pushen, können Creator damit häufig „organisch“ große Reichweiten einsammeln: Diese Erfahrung bestätigt sich auch im Fall von Youtube Shorts. Immer wieder berichten Creator:innen auf Social Media davon, dass Shorts trotz geringerem Produktionsaufwands teilweise mehr Views auf Youtube verzeichnen als lange Videos . Oder davon, dass man mit zweitverwerteten Tiktok-Videos bei Youtube Shorts ebenfalls viral gehen kann. Auch ein Publisher wie Der Tagesspiegel sieht in Shorts ein großes Potenzial. Dabei zieht das Format auch neue Glücksritter auf die Plattform: 40 Prozent der Creator, die am „Youtube Shorts Funds“ (ein 100-Millionen-US-Dollar-Fond, der an Shorts-Creator ausgezahlt wird) teilnähmen, stammten von Kanälen, die bisher nicht an Youtubes Partnerprogramm (über das sie sich an Werbeeinnahmen beteiligen lassen können) teilgenommen hätten, so Susan Wojcicki.
Auch in Deutschland gibt es Kanäle, die erst innerhalb der vergangenen zwei Jahre auf Youtube gestartet sind, mithilfe von Youtube Shorts in dieser Zeit aber bereits Milliarden an Views ansammeln konnten. OMR hat die drei erfolgreichsten von ihnen recherchiert. Alle drei haben gemeinsam, dass sie fast komplett auf Sprache verzichten, auf diese Weise ein internationales Publikum ansprechen und außerdem „familienfreundlich“ sind. Kinderkompatibler Content ist schon seit einigen Jahren auf Youtube die vielleicht größte und wachsstumstärkste Content-Kategorie. In den USA sollen schon 2018 81 Prozent aller Eltern mit Kindern jünger als elf Jahre diese Youtube haben schauen lassen.
Shorts Champion 1: Family Booms, mit 6,6 Mrd. Views & 6,4 Mio. Abonnenten
Der erfolgreichste deutsche Youtube-Kanal in Sachen Shorts-Abrufe wird nach OMR-Recherchen von „Family Booms“ betrieben. Eine Familie mit drei Kindern, die „erstaunliche“ Experimente vorführt und „Challenges“ absolviert, wobei die Videos teilweise mit dem Computer nachbearbeitet und durch 3D-Animationen (für „überraschende Effekte“) ergänzt werden – so lässt sich in etwa das Konzept des Accounts beschreiben. Ein Beispiel:
Die Familie kniet vor einer mit Wasser gefüllten Plastikflasche, gießt rote Farbe hinein, wirft eine Pfefferminz-Pastille hinterher, stülpt einen Luftballon über die Flaschenöffnung und entfernt sich schnell. Der (wie jetzt langsam erkennbar wird: offensichtlich Computer-animierte) Ballon wird größer, die Flasche hebt vom Boden ab und schließlich platzt der Ballon und setzt eine riesige Menge rote Flüssigkeit frei. 264 Millionen Views hat dieser Kurz-Clip seit dem Upload im Mai 2021 angesammelt. Von den 655 Videos des Kanals verzeichnen sieben Views im dreistelligen und weitere 48 Videos im zweistelligen Millionenbereich. Auf 6,6 Milliarden Abrufe kommt der Kanal damit insgesamt.
Vom Taxifahrer zum Youtube Creator
Hinter dem Kanal steckt eine junge, in Berlin wohnende Familie, die vor mehr als zwei Jahrzehnten aus der Ukraine nach Deutschland gekommen ist. Mutter Aleks ist der kreative Kopf, Vater Alex kümmert sich um Produktion und Nachbearbeitung. Er habe vor der Corona-Pandemie einen Taxi- und Limousinenservice in Berlin betrieben, so Alex (der seinen Nachnamen nicht nennen möchte) im Gespräch mit OMR. Während er auf Kunden wartete, brachte er sich selbst über das Netz die Bedienung der Animations-Software Blender bei.
Heute hat Alex seine Taxifirma aufgegeben und ist gemeinsam mit seiner Frau hauptberuflich Youtube-Creator. Eine vierstellige Summe erhält die Familie nach eigenen Angaben monatlich aus dem Youtube Shorts Fund. Darüber hinaus versucht „Family Booms“ Werbedeals abzuschließen, doch das sei schwierig, weil die Zuschauer:innen des Kanals aus allen Teilen der Welt kämen (der größte Teil aus Asien) und auch keine klar umrissene Zielgruppe darstelle. Gerade arbeitet Alex an Videos für eine Kooperation mit einer US-Spielzeughandelskette.
Erfolgsfaktoren: Watchtime und hohe Upload-Frequenz
Mehrfach hat es „Family Booms“ innerhalb des vergangenen Jahres unter die Top 50 der am schnellsten wachsenden Youtube-Kanäle weltweit geschafft. Mit insgesamt 6,6 Milliarden gehört er bereits zur Top 5 der erfolgreichsten deutschen Kanäle. Was ist das Rezept der Familie für erfolgreiche Youtube Shorts? „Man muss gleich am Anfang die Aufmerksamkeit bekommen“, so Vater Alex gegenüber OMR. „Wenn die Leute schon fünf bis zehn Sekunden geschaut haben, schauen sie auch zu Ende.“ Zweiter Erfolgsfaktor: die Frequenz. „Uns wurde empfohlen, zwei Videos am Tag hochzuladen. Das hat dann den Unterschied gemacht.“
Sorge hat der Familienvater noch angesichts der Launigkeit von Youtubes Algorithmus. „Wir kennen andere Shorts Creator, die am Anfang einen ähnlichen Erfolg hatten wie wir, bei denen dann aber vom einen Tag auf den anderen die Views eingebrochen sind. Die bekommen heute nicht mal mehr 10.000 Views, obwohl sich der Content nicht geändert hat.“ Mit Car Booms, einem weiteren Kanal, war „Family Booms“ bislang deutlich weniger erfolgreich als mit dem Hauptkanal. Trotzdem sei er „im Großen und Ganzen zufrieden“ mit den Möglichkeiten, die Youtube biete, so Alex.
Shorts Champion 2: German Spidey, mit 6,4 Mrd. Views & 6,4 Mio. Abonnenten
Nahezu ähnlich hohe Abrufzahlen mit Youtube Shorts wie „Family Booms“ (und sogar mehr Abonnenten) verzeichnet der Kanal „German Spidey“. Dahinter steht Ioannis Kipreos aus der Nähe von Dortmund. Der 27-Jährige streift sich eine Spiderman-Verkleidung über und dreht Sketch- und Akrobatik-Videos, die sich noch stärker als Family Booms an sehr junge Zuschauer richten. Sein mit 195 Millionen erfolgreichstes Kurzvideo zeigt, wie „German Spidey“ von einer Art Voodoomeister „verhext“ wird und nicht weiß, wie ihm geschieht.
Er habe nach seiner Ausbildung bei Netto an der Kasse gearbeitet und sich gefragt: „Möchtest Du das Dein Leben lang machen?“, so Kipreos gegenüber OMR. Zunächst habe er angefangen, Spiderman-Videos für Tiktok zu drehen. Vor einem Jahr begann er dann damit, die Clips auch als Shorts bei Youtube hochzuladen. „Nach einer Woche habe ich dann auf einem Video mehr als fünf Millionen Klicks gehabt. Ich habe dann eines Monats den silbernen und den goldenen Playbutton erhalten“ (also zuerst 10.000, dann 100.000 Abonnenten gewonnen), so der 27-Jährige.
„Youtube zahlt besser als Tiktok“
Shorts müssten „kurz und von Anfang fesselnd sein“, sagt Kipreos. „Wenn die Leute ein Video zwei oder drei Mal anschauen, spielt Youtube das häufiger aus“. Mittlerweile kann er von seiner Creator-Tätigkeit nach eigenen Angaben gut leben. Er ist nach wie vor auf Tiktok aktiv und erhält dadurch auch Geld aus dem Tiktok Creator Fund. „Der Creator Fond von Youtube bezahlt aber besser als der von TikTok“, so Kipreos.
Daneben macht er Geld mit Werbe-Deals, die ihm sein Management vermittelt. So habe er schon Videos für eine Elektrobike-Firma, einen Staubsauger-Roboter-Hersteller und Firmen wie Anker und Dr. Pepper gedreht. Eine weitere Erlösquelle: Livestreams auf Tiktok, die er mit seinem persönlichen Account durchführt, auf dem er unverkleidet auftritt. Dabei können die Zuschauenden virtuelle Geschenke verteilen und somit quasi Geld an den Streamer spenden. „Zuletzt war ich auf Tiktok in den wöchentlichen deutschen Livestreaming-Charts mehrfach ganz vorne mit dabei“, so Kipreos.
Shorts Champion 3: Younes Zarou, mit 5,6 Mrd. Views & 4,7 Mio. Abonnenten
Obwohl Younes Zarou erst vor etwas mehr als einem Jahr seinen Youtube-Kanal gestartet hat, gehört auch er mit 5,6 Milliarden Views insgesamt zu den größten Youtube-Kanälen Deutschlands. Eigentlich ist der 24-Jährige mit Videos mit überraschenden visuellen Effekten (sowie die Erklärung, wie er diese generiert hat) seit mehreren Jahren auf Tiktok erfolgreich. Mit aktuell 48,2 Millionen Followern und 14,2 Milliarden Views gehört er nicht nur zu den größten Tiktok-Creator:innen Deutschlands, sondern der gesamten Welt.
Der Unterschied von Youtube zu Tiktok sei, dass auf Youtube das Reichweitenpotenzial noch größer sei, so Zarou gegenüber OMR. „In meinem besten Monat auf Tiktok habe ich zwischen 600 und 700 Millionen Views bekommen. Bei Youtube waren es im zurückliegnden Monat 1,1 Milliarden.“ Bisher hat er auf Youtube größtenteils seine Tiktok-Videos zweitverwertet; in Zukunft will er dort häufiger eigene „Vlogs“ veröffentlichen. Werbe-Deals ist er auf Youtube noch keine eingegangen. „Mein Management hat aber jetzt damit angefangen, das auch zu pitchen.“ Der 24-Jährige hat wie dieselbe Erfahrung wie Ioannis Kipreos gemacht, nämlich, dass der Youtube Shorts Fund besser bezahlt als der Tiktok Creator Fund.
Youtube führt Ads in Shorts ein – aber die Herausforderung bleibt
Trotzdem muss Youtube vermutlich noch einiges tun, um Creator auch langfristig bei der Stange zu halten zu können. Der Streamer Ludwig Ahgren (in der Szene einfach als „Ludwig“ bekannt) zeigte vor Kurzem in einem Video seines Zweitkanals anhand von Screenshots wie viel weniger Geld er für ein Shorts-Video im Vergleich zu einem kürzeren, aber als reguläres Video hochgeladenen Clip erhalten habe. Das 29-sekündige, reguläre Video hat knapp zwei Millionen Views angesammelt, für die Ahgren von Youtube 1.750 US-Dollar erhalten habe. Ein einminütiger Shorts-Clip, der fast zwölf Millionen Mal abgerufen wurde, wurde vom Shorts Fund nur mit 85 US-Dollar vergütet.
Der Unterschied: Vor und teilweise innerhalb von regulären Videos bindet Youtube Werbung an, an deren Umsätzen die Plattform ihre Creator beteiligt. Im Shorts-Feed blendet Youtube seit diesem Mai ebenfalls Werbung ein – jedoch wegen der Kürze der Clips nur zwischen den Videos. Eine Beteiligung der Creator:innen an den Werbeeinnahmen sei aktuell nicht vorgesehen, so ein:e Youtube-Sprecher:in gegenüber Techcrunch. „Während wir ein langfristiges Modell für die Monetarisierung von Shorts Creator:innen entwickeln, werden wir stattdessen weiterhin Tausende von Creator:innen und Künstler:innen monatlich über den YouTube Shorts Fund entlohnen.“