Wie Daniel Stelter zum bekanntesten Ein-Mann-Wirtschaftsforschungsinstitut Deutschlands wurde
Der Ökonom und Ex-BCG-Vorstand über den Wirtschaftsstandort Deutschland und Lösungen für mehr Klimaschutz.
Ein Crash-Prophet möchte Daniel Stelter nicht sein. Dennoch blickt der frühere BCG-Top-Berater und heutige Publizist sehr kritisch auf viele Entwicklungen in Deutschland. In Kommentaren in Wirtschaftsmedien, einem eigenen Podcast oder mehreren Büchern widmet er sich ökonomischen Fragen und kommentiert die aktuelle politische Lage. Im OMR Podcast erklärt er, warum er viele Maßnahmen für mehr Klimaschutz in Deutschland nicht sinnvoll findet – und wieso er gleichzeitig der Meinung ist, dass Land sollte mehr Schulden machen.
Lastenrad-Subventionen, Neun-Euro-Ticket, Wohngebäude-Dämmung – das sind Maßnahmen, mit denen Deutschland versucht, Fortschritte beim Klimaschutz zu machen. Es sind Maßnahmen, die Daniel Stelter hingegen mindestens fragwürdig, wenn nicht sogar verkehrt hält. Aus seiner Sicht wäre es da im Grunde schon sinnvoller, Klimaschutz wie Krombacher zu machen. Das Unternehmen hatte vor einigen Jahren eine recht simple Formel entwickelt: Eine Kiste Bier schützt einen Quadratmeter Regenwald. Und warum sollte nicht auch Deutschland so etwas machen – nur ohne die Kiste Bier?
Daniel Stelter war im weltweiten Vorstand der Boston Consulting Group, es war viele Jahre sein Job, sich zu überlegen, wie man etwas anders, besser machen könnte, um produktiver zu werden und erfolgreicher zu sein. Obwohl er BCG längst verlassen hat, hat sich an diesem Anspruch nicht viel verändert. Nur dass er jetzt nicht mehr so viel über Unternehmensentwicklungen nachdenkt, sondern das große Ganze: Er hat mehrere Finanz-Bestseller geschrieben, betreibt den Blog "Beyond the Obvious" und einen gleichnamigen Podcast. Das Werteversprechen ist immer: Tiefgreifende Analysen und Schlussfolgerungen, die mitunter dem politischen Mainstream widersprechen.
Deutschlands versteckte Verschuldung
Zum Beispiel beim Klimaschutz: "Klimaschutzmaßnahmen müssen effizient und effektiv sein", sagt er. Das Problem sei: Genau das sind viele Maßnahmen in Deutschland aus seiner Sicht nicht. Beim Neun-Euro-Ticket habe es beispielsweise Berechnungen gegeben, dass jede Tonne eingespartes CO2 umgerechnet 4.800 Euro gekostet hätte. Auch die Industrie in Deutschland sei schon sehr energieeffizient, sagt Daniel Stelter: "Wenn du jetzt hier also die nächsten Schritte gehen möchtest in Deutschland, da bewegst du dich per Definition immer am teuren Ende." An anderer Stelle bzw. in anderen Ländern könnte man mit dem Geld einen viel größeren Effekt erzielen. "Wenn du wirklich das Weltklima retten möchtest, musst du eigentlich versuchen, das dort zu machen, wo es mehr bringt", sagt Daniel Stelter. Rechtlich wäre es so zum Beispiel zulässig, den Urwald in Brasilien aufzukaufen und vor der Abholzung zu schützen.
Generell sieht Daniel Stelter vieles kritisch, was in Deutschland passiert. Es fehlt ihm am Mut zu tiefgreifenden Reformen, um strukturelle Probleme zu lösen – für die er dann sogar die Aufnahme neuer Schulden akzeptabel finden würde. Denn die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern vergleichsweise niedrige Staatsschuldenquote von rund 65 Prozent verdeckt viele versteckte Schulden, etwa Pensionsverpflichtungen oder Rentenversprechen. "Wenn man das quantifiziert, liegt die Staatsverschuldung in Deutschland bei 400 Prozent", sagt er. Die richtige Antwort auf die Probleme sei es, die versteckten Verbindlichkeiten zu reduzieren, dafür aber mehr offizielle Schulden zuzulassen. Damit könnte man dann wiederum in Bildung, Infrastruktur und Digitalisierung investieren.
Stelter möchte kein Crash-Prophet sein
Daniel Stelter sagt, er hoffe mit seiner Arbeit einen Beitrag zu leisten, dass intensiver über verschiedene Themen nachgedacht wird. Die politische Debatte ist dem Ökonom oft zu oberflächlich. "Ich möchte gerne, dass mehr Menschen sich mit Wirtschaft beschäftigen. Ich möchte, dass mehr Menschen darauf basierend auch den Politikern bessere Fragen stellen", sagt er. Eine Kooperation mit dem Medien-Startup The Pioneer von Ex-Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart habe er daher auch beenden müssen. Denn Daniel Stelter wollte nicht, dass sein Podcast "Behind the obvious" hinter einer Bezahlschranke verschwindet und dadurch nur noch für einen kleinen Personenkreis verfügbar ist. Er wollte Reichweite.
Alleine ist er in diesem Feld nicht. Titel wie "Der Crash kommt" von Max Otte (2006), "Crashkurs" von Dirk Müller (2009) oder "Der größte Crash aller Zeiten" von Marc Friedrich und Matthias Weik (2019) landen in unregelmäßigen Abständen auf den Bestseller-Listen. Es gibt viele, die mit alarmistischen Beiträgen und Büchern Erfolge landen – gerade in Krisen. Doch von Untergangspropheten grenzt sich Daniel Stelter ab: "Ich würde im Prinzip schon sagen, dass ich Dinge differenzierter betrachte und möchte eigentlich einen konstruktiven Beitrag leisten, dass es besser wird."
Im OMR Podcast verrät Daniel Stelter außerdem, wer für ihn der beste deutsche Politiker der vergangenen 25 Jahre ist, welcher Moment ihm viel Respekt bei seiner Tochter eingebracht hat und in welches Land er auswandern würde, wenn er noch jünger wäre.
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